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Psychologische Arbeit in der Mutter-Kind-Tagesklinik

In der Mutter-Kind-Tagesklinik der Vitos Klinik Bamberger Hof in Frankfurt werden Mütter mit nachgeburtlichen psychischen Erkrankungen behandelt. Ihre bis zu zweijährigen Kinder werden von Erzieherinnen betreut, sodass die Mütter an den therapeutischen Gruppen und Gesprächen teilnehmen können, die ohne Kinder stattfinden. Und genau hier beginnt die Arbeit von Psychologin Sarah Hain.

Natalie Kittler: Was ist das Schönste an Ihrer Arbeit in der Mutter-Kind-Tagesklinik?
Sarah Hain:
Ich freue mich, wenn die Mütter mit unserer Hilfe eine schwierige Zeit mit ihrem Baby überwinden können. Wenn sie ihr Kind nicht mehr als Last sehen, sondern auch die schönen Momente wahrnehmen. Es motiviert mich immer wieder aufs Neue, wenn die Mütter rückmelden, dass sie sich bei uns gut aufgehoben fühlen und auch zu beobachten, wie Mutter und Kind zueinander finden. Es ist ein gutes Gefühl, wenn wir die beiden gestärkt aus der Behandlung entlassen. Vor Kurzem erwähnte eine Patientin ein afrikanisches Sprichwort: „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen.“ In manchen Fällen gehören wir für eine kurze Zeit dazu.

Natalie Kittler: Welchen Herausforderungen müssen sich junge Eltern und insbesondere die Mütter, die zu Ihnen kommen, heutzutage stellen?
Sarah Hain:
Ich bemerke häufig die fehlende soziale Unterstützung, die zumeist daraus resultiert, dass es heute in Deutschland kaum noch ein Leben in der Großfamilie gibt. Zudem wohnen die jungen Eltern oft nicht in der Nähe der Großeltern, sodass die Großmutter die junge Mutter im Alltag mit dem Baby nicht unterstützen kann.
Auch die Väter sind wichtig. Sie möchten ihre Partnerin unterstützen und sorgen sich um deren Gesundheit, bemerken jedoch, dass ihre Hilfe bei einer psychischen Erkrankung nicht ausreicht. Andere sind beruflich stark eingebunden und kaum zuhause, sodass ihre Unterstützung fehlt, wodurch auch partnerschaftliche Konflikte entstehen können. Zusätzlich spielen kulturelle Faktoren eine Rolle. In der westlichen Welt gibt es keine festen Verhaltensmuster oder Rituale, auf die sich junge Eltern stützen können. All das führt oftmals dazu, dass sich die Mütter in der neuen Lebenssituation allein und hilflos fühlen.

Foto Sarah Hain [1]Sarah Hain ist seit 2010 in der Vitos Klinik Bamberger Hof in Frankfurt tätig. Zu Beginn hat sie im Rahmen ihrer Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin in der allgemeinen Tagesklinik gearbeitet. Im Anschluss hat sie in der psychiatrischen Ambulanz Mütter mit postpartalen psychischen Erkrankungen betreut. Seit Herbst 2014 arbeitet sie fest angestellt in der Mutter-Kind-Tagesklinik.

Natalie Kittler: Was ist Ihre Aufgabe in der Mutter-Kind-Tagesklinik?
Sarah Hain:
In erster Linie führe ich Gespräche mit den Müttern. In den Vorgesprächen schildern sie ihre Beschwerden und ich prüfe die Indikation einer Behandlung. Häufig merke ich, wie erleichtert die Mütter sind, wenn sie unsere Unterstützung in Aussicht haben. Während der teilstationären Behandlung biete ich wöchentlich jeder Patientin ein Einzelgespräch und die Müttergruppe an. Daneben ist der Austausch im Team mit meinen Kolleginnen aus anderen Berufsgruppen wichtig, um die Behandlung miteinander abzustimmen.

Natalie Kittler: Was ist die Müttergruppe?
Sarah Hain:
Die Müttergruppe fokussiert die spezifischen Anforderungen des Lebensabschnitts junger Mütter. Die Patientinnen haben in der Müttergruppe die Gelegenheit, sich gezielt zu bestimmten Themen auszutauschen und sich gegenseitig mit ihrer Erfahrung zu unterstützen. Hier kommen außerdem allgemeine positive Wirkfaktoren von Gruppentherapien zum Tragen, wie z. B. Gruppenzusammenhalt, Selbstöffnungsbereitschaft, Vertrauen und Solidarität.
In der Gruppe sollen intuitive, mütterliche Kompetenzen, die durch eine psychische Erkrankung eingeschränkt sein können, (re-)aktiviert werden. Konkret werden die Ressourcen der Mütter durch positive Rückmeldungen gefördert. Und es werden Verhaltensstrategien vermittelt, die ihnen helfen, ihr Muttersein positiver zu erleben. Hierdurch verbessern sie auch die Beziehung zu ihrem Kind.
Unser Ziel ist es, ein Verständnis für die Bedürfnisse des Kindes und eine adäquate Reaktion auf die kindlichen Signale zu vermitteln. Beispielsweise werden Beruhigungstechniken vermittelt. Dieses Thema hat einen besonderen Stellenwert, weil das Schreien der Kinder von psychisch kranken Müttern als sehr belastend erlebt wird.

Natalie Kittler: Gibt es dieses Angebot ausschließlich für Mütter?
Sarah Hain:
Nein, neben der Müttergruppe bieten wir einmal pro Monat eine Vätergruppe an. In dieser werden die Fragen der Väter beantwortet und sie können sich austauschen. Obwohl wir Mutter-Kind-Tagesklinik heißen, nehmen wir auch Väter mit psychischen Erkrankungen zur Behandlung auf.

Natalie Kittler: Warum haben Sie sich für die psychologische Arbeit in einer Mutter-Kind-Tagesklinik entschieden?
Sarah Hain:
Schon im Studium hat mich das Thema „Schwangerschaft und perinatale Problematik“ interessiert, sodass ich es als Schwerpunkt meiner Prüfung in klinischer Psychologie gewählt habe. Im Anschluss habe ich mich für eine Promotion über die postpartale Depression entschieden, die ich dieses Jahr abschließen werde. Die Arbeit in der Mutter-Kind-Tagesklinik eröffnet mir die Möglichkeit, mein Wissen praktisch einzusetzen. Im Übrigen wollte ich im Grundschulalter Hebamme werden – so weit entfernt davon bin ich heute gar nicht. 🙂

 

In „Wenn Mutterglück zum Leid wird“ [2], erzählt Fachkrankenschwester Kinga Lux über ihren Alltag in der Mutter-Kind-Tagesklinik.