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Stress lass nach – Wasch mir den Pelz, aber mach‘ mich nicht nass

Stress bei Schmerzpatienten

Viele oder fast alle meiner Patienten mit chronischen Schmerzen haben ein Problem mit Stress. Meistens ist der Stress nicht einfach auf ein kleines Problem, das vorübergeht, zurückzuführen. Vielmehr haben zahlreiche Patienten mit Konflikten zu kämpfen, die sich wie die Tropfburgen aus nassem Sand pyramidenförmig aufbauen und unglaublich stabil sind. Auf eine einmal angelegte Basis eines solchen Konflikt-Turmes lässt sich mühelos Schicht für Schicht nasser Sand aufbauen. Ein Konflikt, der nicht gelöst wird, macht unzufrieden. Unzufriedenheit bedrückt nicht nur, sondern zieht auch Ärger, Frust und Ohnmachtsgefühle nach sich. Sie führt zu Fehlentscheidungen und neuen Kränkungen. Und der Stress? – Der ist ein ständiger Begleiter.

Stressbedingte Hyperalgesie

Wir wissen, dass Stress kein rein seelisches Problem ist, sondern auch ein körperliches. Der Blutdruck steigt, die Herzfrequenz steigt, Stresshormone werden mit vielen Konsequenzen ausgeschüttet. Ein bisschen Stress kann jeder gut vertragen, schließlich lieben wir den Kick auf der Achterbahn oder beim Krimilesen. Auch ein Löwe, der eine Gazelle jagt, braucht seine Stresshormone. Aber hinterher liegt der Löwe im Schatten und döst stundenlang.

Erst mal gemütlich Stresshormone abbauen

Erst mal gemütlich Stresshormone abbauen

Stress ist also nicht unbedingt schädlich, sondern hilft uns, wenn nötig, unsere volle Leistungsfähigkeit abzurufen. Aber wenn die Stresssituation nicht aufhört und wir andauernd auf Hochtouren laufen, läuft etwas schief. Wir jagen sozusagen rund um die Uhr und ohne Sinn und Verstand unseren ganz eigenen Gazellen nach. Im Gehirn gerät bei Dauerstress Vieles durcheinander. Bestimmte Hirnregionen, wie das anteriore Cingulum und der präfrontale Cortex, sind besonders involviert. Und es verwundert nicht, dass ausgerechnet diese Hirnregionen in der Schmerzverarbeitung an vorderster Stelle stehen. Eine stressbedingte Hyperalgesie kann so entstehen.

Stress – warum es den meisten so schwerfällt, sich von ihm zu trennen

Warum lässt man es dann nicht einfach sein mit den Stress? Die meisten von uns sind eben keine Löwen, die sich nach getaner Arbeit erholen. Manche Menschen suchen regelrecht stressbelasstete Situationen. Wer im Stress ist, ist schließlich gefragt und wichtig. Andere stürzen sich auf den Stress, um nicht nachdenken zu müssen, um Konflikten auszuweichen, um das Selbstbild zu erhalten, um die eigene Sicherheit zu gewährleisten – es gibt unzählige Gründe. Dem Gestressten sagen, er solle mal einen Gang runter schalten und sich erholen, reicht nicht. Wenn der Stress krankheitsunterhaltend oder –verursachend wird, dann ist das Problem oft in einem fest verankerten Lebensstil zu suchen.

Lebensstiländerung

Um den Lebensstil zu verändern, wird schon harter Tobak benötigt. Ohne ganz viel Leidensdruck ändern wir Menschen nichts. Schon gar nichts Grundlegendes. Alle grundlegende Änderung macht Angst, verunsichert und braucht Zeit. Zum Jahresbeginn nehmen wir uns oft Veränderungen vor, wollen dieses oder jenes an schlechten Eigenschaften ablegen. Am besten wäre es allerdings, wenn sich doch eher die Anderen ändern, denn dann wäre doch für uns auch alles einfacher, oder?

Eine grundlegende Veränderung braucht vor allem Vertrauen zu den Menschen, die einen dabei begleiten. Und es braucht natürlich die Hoffnung auf etwas Besseres. Wenn ich mir keine Verbesserung erhoffe und keinen Vorteil in der Veränderung sehe, dann fehlt der Anreiz. Vielleicht geht der Weg zur Veränderung über Verführung und Verlockung besser als mit Druck. Wer seinen Lebensstil einmal zum Positiven hat verändern können, der will nie mehr dahin zurück, wo er herkommt.

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