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Ehrenamt in Griechenland. Ein Reisebericht – Teil 2

Seit 2014 reisen wir immer wieder nach Griechenland, um im Bereich der mobilen Pflege zu beraten und Fortbildungen zum Thema palliative Pflege anzubieten. Vom 17. bis 25. November 2015 waren meine Frau Jani und ich wieder in Athen, um die Freunde dort zu unterstützen und beim Aufbau eines mobilen häuslichen Pflegedienstes zu beraten.

Eine glückliche Fügung
Ultraschallgeräte [1]

Ultraschallgeräte

Es fügte sich, dass am Tag unserer Ankunft ebenfalls ein 40-Tonner der Auslandshilfe des Bundes freier evangelischer Gemeinden mit Hilfsgütern angekommen war. Die Fahrer des Transports hatten zuvor in Patras Halt gemacht und einige Güter abgeladen. Der Großteil der Ladung war aber nun in Athen/Kifisia angekommen. Die Freude dort war groß, insbesondere über 450 Kartons mit Lebensmitteln  und fast ebenso vielen mit Kleidung. Dabei waren auch zwei Ultraschallgeräte von Vitos Weilmünster und jede Menge dringend benötigter Pflegematerialien für das Altenpflege- und Wohnheim Loida.

Pakete zum Leben
heller

Beschäftigungstherapie für Bewohner unterstützt durch Freiwillige

Schon am Folgetag begann die Verteilung der „Pakete zum Leben“ (Lebensmittel) und der Kleidung. Die Lebensmittel wurden von verschiedenen Personen am Altenpflege- und Wohnheim abgeholt und dann an bedürftige Familien in ganz Athen verteilt. Die Kleidung wanderte in eine Art Depot, welches mehrmals pro Woche geöffnet hat, um die Stücke an Obdachlose, Flüchtlinge oder eben allgemein Bedürftige für einen kleinen symbolischen Betrag zu verteilen. Das im April 2015 überstellte Fahrzeug lieferte hier einen hervorragenden Dienst.

Die wachsende Armut
Kypseli [2]

Kypseli

Ziel dieses Besuches war die Durchführung eines Seminars für pflegende Laien im Arbeiterviertel Kypseli. Als wir den Ort der Veranstaltung zum ersten Mal besuchten, wurde uns schlagartig deutlich, wie groß die Probleme des Großteils der griechischen Bevölkerung wirklich sind. In Kypseli leben Menschen unterschiedlicher Herkunftsländer, Kulturen und Religionen auf engstem Raum zusammen. Dieses Viertel ist nicht mit den großen Boulevards des Athener Zentrums oder den nobleren Vororten im Norden Athens zu vergleichen. Die wachsende Armut der „normalen“ Menschen ist fast mit Händen zu greifen, zumindest aber mit wachen Augen überall zu erkennen. In Kypseli ist jede/jeder Zweite arbeitslos. Bemerkenswerterweise lag der Veranstaltungsort in der Nachbarschaft vom Zuhause des griechischen Premierministers Tsipras.

Das Seminar für pflegende Laien

Unser Seminar wurde von 18 Personen besucht. Die Teilnehmer lebten alle bereits länger in Athen, fanden sich aber als kunterbunte Truppe zusammen. Sie stammten aus Griechenland, Russland, Moldawien, Pakistan, Burkina Faso und Kenia. Die Inhalte des Seminars gehörten zu den Grundlagen pflegerischer Arbeit, z. B. allgemeine Bedeutung der Zuwendung, Mobilität/Immobilität, Prophylaxen, Pflege von Menschen mit kardialen Störungen, Pflege von Menschen mit pulmonalen Störungen und Pflege von Menschen mit Diabetes Mellitus. Wieder erlebten wir große Dankbarkeit und ein großes Maß an Aufmerksamkeit, selbst noch in den Abendstunden.

Zu Besuch in einem Flüchtlingscamp
Flüchtlingslager Galatsi [3]

Flüchtlingslager Galatsi

Ein weiteres Highlight war der Besuch in einem Flüchtlingscamp auf dem ehemaligen Olympiagelände im Stadtteil Galatsi. Es war sehr bewegend, mitzuerleben, wie junge und alte Menschen, unterschiedliche Kirchengemeinden und humanitäre Organisationen reibungslos zusammenarbeiteten. Mit einfachen Mitteln aber sehr großer Herzlichkeit und Liebe erhielten die Flüchtlinge Kleidung, Nahrung, Spielsachen für die Kinder und ein wenig Unterhaltung. Es gab keine Feldbetten, keine mobilen WCs, keine Heizungen oder sonstigen Luxus. Aber eben viel Herz. Angesichts der Armut der Flüchtlinge, die fast alle als Familien, zum Teil mit Kleinkindern und Großeltern, unterwegs waren, fiel es uns schwer, die in Deutschland anhaltend Drohkulissen zu verstehen. Da ich zu einer Generation gehöre, die mit dem zweiten Weltkrieg und seinen Folgen keine Berührung hatte, war es für mich das erste Mal, Menschen in einer Fluchtsituation anzutreffen.

Die nächste Reise ist schon in Planung

Jani und ich werden im Mai 2016 gemeinsam mit Stefan Boy von Vitos Weilmünster wieder nach Athen reisen. Das Programm ist bereits festgelegt. Während Herr Boy zum Thema Validation referieren wird, werden wir uns dem beruflichen Selbstverständnis von Pflegenden annehmen. Ich bin sicher, auch bei diesem Aufenthalt werden wir wieder viele neue, erfreuliche und ernüchternde Eindrücke gewinnen.