Die Arbeit als Pflegekraft in der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Riedstadt
Das Gebäude der forensischen Psychiatrie ist ein hochgesicherter Bau und gleichzeitig eine Fachklinik für Erwachsenenpsychiatrie. Fabian Vock ist stellvertretender Stationsleiter der Station F2.1 in der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Riedstadt. Er gewährt uns Einblicke in seine Arbeit als Pflegekraft und den Alltag auf Station.
Bei der psychiatrischen Pflege in der forensischen Psychiatrie geht es zum einen um die Sicherung unserer Patient/-innen und zum anderen um Aufbau und Erhalt einer therapeutischen Beziehung. Das macht den Job so abwechslungsreich. Und das ist einer der Gründe, warum es Spaß macht, hier zu arbeiten. Wer als Pflegekraft noch nie im Maßregelvollzug gearbeitet hat und dann zu uns in die Forensik wechselt, ist in aller Regel sehr angetan von der Möglichkeit, eine wirklich gute Arbeit machen zu können. Wir haben hier verhältnismäßig viel Zeit für unsere Patient/-innen. Und wir begleiten sie nicht nur für wenige Wochen, sondern ununterbrochen über Jahre hinweg. Dadurch können wir eine intensive therapeutische Beziehung aufbauen, die häufig tragfähig genug ist, um auch in schwierigen Situationen zu bestehen. Wir haben Arbeitsmaterialien mit einer für die Pflege ungewöhnlich hohen Qualität. Wir arbeiten eng mit den anderen Berufsgruppen zusammen. Alle Lockerungs- und Sicherungsmaßnahmen entscheiden wir im berufsgruppenübergreifendem Team gemeinsam. Die Pflegenden werden bei diesen wichtigen Entscheidungen aktiv mit einbezogen. Sie werden tatsächlich gehört und in ihrer Expertise ernst genommen. Schließlich sind es vorrangig die Pflegenden, die den Patienten auch außerhalb des therapeutischen Settings in seiner „Freizeit“ und zu allen Tages- und Nachtzeiten erleben.
Die Patientinnen und Patienten sind viele Jahre bei uns
Patient/-innen in der forensischen Psychiatrie sind Menschen, die im Zuge der Schuldunfähigkeit nach § 20/21 ein Delikt begangen haben. Ein Gericht bringt sie nach § 63 Strafgesetzbuch im Maßregelvollzug unter. Anders als bei der Gefängnisstrafe ist die Unterbringung im Maßregelvollzug, wie die forensische Psychiatrie auch genannt wird, unbefristet. Ein Gericht überprüft die Unterbringung jedes Jahr auf ihre Verhältnismäßigkeit. Der Auftrag der Klinik ist die „Besserung und Sicherung“ der Patient/-innen. Im Idealfall entsteht Sicherung durch Besserung.
Ich arbeite auf der Station F2.1. Diese Station haben wir im September 2021 im zweiten Bauabschnitt der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Riedstadt eröffnet. Sie hat eine gemischte Patientenklientel aus 18 Männern mit verschiedenen Grunderkrankungen, wie zum Beispiel paranoider Schizophrenie und Persönlichkeitsstörungen.
Die Station verfügt über zehn hochgesicherte Einzelzimmer sowie zwei Doppelzimmer und vier Einzelzimmer mit niedrigerer Sicherungsstufe. Die hochgesicherten Einzelzimmer sind zusätzlich zur Außentür mit einer Gittertür ausgestattet. Baulich ist die Station auf einem sehr modernen Stand. Wir haben helle Räume mit tiefen Fenstern, eine geräumige Küche, einen großen Therapieraum, eine sehr große Dachterrasse mit einem XL-Open-Air-Schachbrett, mehreren Hochbeeten und mehreren Sitzgruppen.
Hochwertige Ausstattung zur Freizeitgestaltung der Patienten
Unser Arbeitsalltag ist zeitlich strukturiert und gestaltet sich dennoch abwechslungsreich. Wir betreuen auf unserer Station auch Patienten mit höheren Lockerungsstufen. Sie verfügen über verhältnismäßig tragfähige soziale Kompetenzen. Wir betreuen jedoch auch dauerhaft abgesonderte Patienten. Das sind Patienten, die aufgrund ihrer Erkrankung das Verhalten anderer sehr schnell als gegen ihre eigene Person gerichtet missverstehen. Sie verhalten sich daher vorwurfsvoll oder aggressiv gegenüber ihren Mitmenschen. Daher teilen wir die Patienten in verschiedene Gemeinschaften ein. Während einer Gemeinschaft können sich die Patienten auf der Station frei bewegen. Außerhalb ihrer Gemeinschaft sind sie in ihren Zimmern. Diese Gemeinschaften sind zeitlich genau festgelegt, wodurch eine enge zeitliche Struktur in unserem Arbeitsalltag entsteht.
Während der Gemeinschaftszeiten haben wir Pflegekräfte abwechslungsreiche Aufgaben. Neben alltäglichen Dingen, wie dem Verabreichen der Medikamente oder dem gemeinsamen Essen, erhalten die Patienten von uns Gesprächs- und Beschäftigungsangebote. In den Gesprächen berichten die Patienten beispielsweise davon, was sie aktuell beschäftigt und welche Ziele oder Sorgen sie haben. Außerdem erhalten die Patienten von uns ein Feedback, wie sie aktuell auf das Behandlungsteam oder ihre Mitpatienten wirken. Aufgrund ihrer Erkrankung haben viele Patienten nämlich Schwierigkeiten damit, ihr Verhalten und ihre Wirkung auf andere selbst zu beurteilen.
Zusätzlich zu diesen therapeutischen Tätigkeiten besprechen wir gemeinsam mit den Patienten auch organisatorische Dinge, wie den wöchentlichen Lebensmitteleinkauf oder den Kauf neuer Kleidung, Spielekonsolen oder Bücher. Denn auch hier brauchen unsere Patienten meist viel Unterstützung. Darüber hinaus gibt es verschiedene Beschäftigungsangebote, die wir Pflegekräfte moderieren. So gehört es auch zum Arbeitsalltag, mit den Patienten eine Runde Tischfußball, ein Brettspiel oder eine Runde Nintendo-Switch zu spielen. Diese ganz normalen sozialen Aktivitäten sind für unsere Patienten sehr wichtig. Schließlich verbringen sie mehrere Jahre auf unserer Station. Die Patienten leben hier.
Die Einstellung von fachfremden Mitarbeitern ist eine sehr wertvolle Ergänzung
Wie alle Arbeitsbereiche in denen Pflegende arbeiten, haben auch wir mit dem zunehmenden Mangel an Pflegefachkräften zu kämpfen. Um diesen Personalnotstand abzufangen, haben wir unser berufsgruppenübergreifendes Team in den vergangenen Jahren durch eine zusätzliche Berufsgruppe ergänzt: Die sogenannten „Mitarbeiter/-innen Maßregelvollzug“. Hierbei handelt es sich um Kolleg/-innen, die keine fachliche Ausbildung in unserem Arbeitsbereich absolviert haben.
Diese Kolleg/-innen kümmern sich um viele pflegefremde Tätigkeiten, wie beispielsweise die Organisation der Mahlzeiten. Durch diese Entlastung bleibt uns Pflegekräften wiederum mehr Zeit für die pflegerisch-therapeutischen Tätigkeiten.
Hinzu kommt, dass eine hohe Personalpräsenz, unabhängig von der Qualifikation, Konflikten und Zwischenfällen vorbeugt. Falls eine Deeskalation nicht mehr möglich ist, sorgt eine große Anzahl an Mitarbeitenden für Sicherheit. Die Patienten geraten aufgrund ihrer Erkrankungen schnell in eine Negativspirale, wenn sie mit ihren Anliegen und ihrem Bedürfnis nach Aufmerksamkeit ständig vertröstet werden müssen. Eine hohe Personalpräsenz wirkt dem entgegen. Denn nur bei einer hohen Anzahl an Mitarbeitenden ist es möglich, die Patienten durch soziale Aktivitäten oder einem entspannten, zwanglosen Gespräch auf der Couch auf andere Gedanken zu bringen. Hierbei spielt die charakterliche Eignung des Mitarbeiters eine viel größere Rolle als die fachliche Qualifikation. Es kann auch einen positiven Effekt auf die Patienten haben, hin und wieder ein lockeres Gespräch mit einem Menschen zu führen, der nicht alles durch eine fachlich-therapeutische Brille sieht. Somit stellen die Mitarbeiter/-innen Maßregelvollzug eine sehr wertvolle Ergänzung zu den Pflegefachkräften in der Forensik dar.
Krisenintervention und Risikoeinschätzung auf hohem Niveau
Zusätzlich zu den krankheitsbedingten Herausforderungen entstehen im Stationsalltag auch weitere Konflikte. Die Patienten sind ja nicht freiwillig bei uns in der Klinik. Sie müssen über lange Zeit hinweg mit vielen anderen – teilweise lauten – Patienten zusammenleben und sind in vielen Dingen eingeschränkt. Um der Entstehung vermeidbarer Konflikte entgegenzuwirken, führen wir aktuell das international anerkannte Konzept „Safewards“ auf unserer Station ein. Dieses Konzept beschäftigt sich mit Konfliktursachen in psychiatrischen Settings. Es bietet Interventionen, um ein Umfeld zu schaffen, in dem die Konflikthäufigkeit unter ständiger Berücksichtigung der Sicherheitsaspekte reduziert werden kann. Zusätzlich schulen wir alle Mitarbeitenden in Deeskalationstechniken und Gewaltabwehrtechniken nach ProDeMa.
Die Risikoeinschätzung erstellen wir standardisiert im multiprofessionellen Team. Alle sechs Monate erstellen alle mit dem Patienten arbeitenden Berufsgruppen gemeinsam einen Behandlungs- und Eingliederungsplan. Dieser enthält unter anderem eine professionelle Risikobeurteilung. Hierdurch entsteht ein hohes Maß an Sicherheit, denn alle Berufsgruppen bringen ihre individuelle Einschätzung und Beobachtung ein.
Gerade für Pflegende ist der Maßregelvollzug sehr attraktiv
Nicht nur in jüngster Vergangenheit ist die öffentliche Wahrnehmung unserer Arbeit in der Forensik leider von Berichten über Gewaltsituationen und Übergriffen, Überbelegungen und Personalmangel geprägt. Dieses Image ist meiner Meinung nach nicht richtig. Ich wünsche mir, dass auch die guten Dinge gezeigt werden, die es, wie hier beschrieben, zuhauf gibt. Ich arbeite seit 2015 in der forensischen Psychiatrie in Riedstadt und tue das nach wie vor gerne.
Wir sind ein bunt gemischtes Team aus verschiedenen Berufsgruppen und ergänzen uns gegenseitig sehr gut in unserer Arbeit. Durch zahlreiche Sicherungsinstrumente gibt es einen hohen Sicherheitsstandard für Mitarbeitende und Patienten. Wir haben beispielsweise die modernsten Personennotrufgeräte mit Stand 2022. Damit können wir in schwierigen Situation Alarm auslösen und erhalten umgehend Hilfe von Kolleg/-innen. Die technischen und baulichen Sicherheitsmodalitäten – etwa Sicherheitsschleusen und Gittertüren werden durch die Therapien und Deeskalationsschulungen ergänzt.
Gerade für Pflegende ist dieser Arbeitsbereich sehr attraktiv, denn hier haben wir sowohl die Zeit als auch die Arbeitsmittel, die benötigt werden, um eine wirklich gute Arbeit zu machen.
Die negative öffentliche Kommunikation erschwert leider die dringend notwendige Gewinnung von neuen Kolleginnen und Kollegen. Ich möchte mit diesem Erfahrungsbericht dazu beitragen, Fachkräfte neugierig zu machen und zu zeigen, warum die Arbeit als Pflegefachkraft in der forensischen Psychiatrie eine interessante Aufgabe ist.
Weitere Informationen
Über Herausforderungen und Chancen eine komplett neue Station in Betrieb zu nehmen, lesen Sie im Erfahrungsbericht von der Station F 2.1. der Vitos forensischen Psychiatrie Riedstadt.
Neue Räume KFP – Vitos Karriereportal
Informationen rund um die Vitos forensischen Psychiatrie Riedstadt.
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