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App auf Rezept

Digitale Gesundheitsanwendungen in der Vitos Klinik Bamberger Hof

Eine Ärztin, die eine App gegen Schlafstörungen verschreibt? Ein Online-Programm zur Behandlung von Ängsten? Klingt für die meisten Menschen sicher erstmal nach Zukunftsmusik. Doch es ist längst Realität. Die Digitalisierung ist im Gesundheitswesen angekommen.

Vitos hat das Potenzial früh erkannt und möchte E-Health und digitale Teilhabe vor allem dazu nutzen, die Versorgung von Patienten, Klienten und Bewohnern weiter zu verbessern.

In der Vitos Klinik Bamberger Hof kommen digitale Gesundheitsanwendungen bereits zum Einsatz. Im Interview erklärt die stellvertretende Ärztliche Direktorin Dr. Barbara Bornheimer, was es mit den Apps auf Rezept auf sich hat und für welche Patient/-innen sie geeignet sind.

Was sind digitale Gesundheitsanwendungen?

Digitale Gesundheitsanwendungen, kurz DiGA, sind Apps oder Online-Programme die für bestimmte Krankheiten entwickelt wurden. Zum Beispiel zur Behandlung von Schlafstörungen, Angst oder Panik, aber auch für somatische (körperliche) Probleme wie Rücken- oder Gelenkschmerzen. Im Internet gibt es diverse Online-Programme oder Apps, die Nutzer zur Selbstbehandlung einladen. Von DiGA spricht man jedoch nur dann, wenn Apps oder Programme von Expert/-innen geprüft und als wirksam und nicht schädlich eingestuft wurden. Sie können von Behandler/-innen wie ein Medikament verschrieben werden. Das Rezept reicht man bei der Krankenkasse ein. Sie erteilt die Kostenzusage und dann kann man sich mit einem Zugangscode anmelden.

Was sind die gängigsten Apps, die in der Vitos Klinik Bamberger Hof eingesetzt werden?

Wir verschreiben beispielsweise die App „Somnio“ zur Behandlung von Schlafstörung sowie Velibra für Angst- und Panikstörung. Seit kurzem ist nun auch Deprexis zur Behandlung von Depressionen zugelassen. In der Vergangenheit haben wir mit dieser App schon gearbeitet und werden sie künftig sicher auch verschreiben.

Für welcher Patient/-innen sind diese Apps geeignet und warum?

Die Apps sind für all jene Patientinnen und Patienten geeignet, die sich vorstellen können, mit so etwas zu arbeiten.

Wichtig ist, dass die Apps keine Behandlung ersetzen. Sie sind eine Ergänzung der vorhandenen therapeutischen Angebote. Die DiGA sind zur Überbrückung von Wartezeiten oder auch zu Verfestigung von therapeutischen Maßnahmen geeignet. Genauso zur Rückfallprophylaxe, wenn sich leichte Symptome zeigen, aber noch nicht das Vollbild zum Beispiel einer Panikstörung.

Die Somnio-App habe ich zum Beispiel Patient/-innen mit eher nicht so schwerer Hauptsymptomatik, aber mit hartnäckigen Schlafstörungen verschrieben. Einer jungen Patientin, die wegen ihrer Panikstörung auf einen Therapieplatz wartet, habe ich Velibra als Hilfe zur Überbrückung der Wartezeit und Unterstützung zur Medikation verschrieben.

Das Gute ist, dass man immer Zugriff auf die App hat. Man kann zu Zeiten, zu denen wir nicht erreichbar sind, Dinge nachschauen oder Fragen stellen.

Für wen eignen sich digitale Gesundheitsanwendungen nicht?

Man braucht die technische Ausstattung, also zumindest ein Smartphone. Jüngere Patient/-innen sind oft etwas technikaffiner. Ich würde sie Menschen mit schweren Krankheitsverläufen derzeit noch nicht verschreiben. Obwohl ich beim Testen festgestellt habe: Wenn man sich selbst zum Beispiel als schwer depressiv und latent suizidal einstuft, kommen sofort Hinweise, sich Hilfe zu suchen oder den/die Behandler/-in anzurufen.

Inwieweit erleichtern die Apps den Arbeitsalltag?

Für die Behandlung von Schlafstörungen bieten die Apps für mich einen echten Mehrwert. Denn die ist verhaltenstherapeutisch sehr gut möglich. Jedoch findet man praktisch keine Therapeut/-innen, die das machen. Es ist ein Spezialgebiet, das vor allem in Schlaflaboren oder im stationären Setting angeboten wird.

Praktisch ist auch, dass ich mich als Behandlerin für bestimmte Dokumentationen wie das Schlaftagebuch von den Patient/-innen freischalten lassen kann. Die Einträge besprechen wir dann gemeinsam beim persönlichen Termin.

Gibt es seitens der Patient/-innen und/oder Behandler/-innen Berührungsängste?

Seitens der Patient/-innen gibt es vereinzelt Berührungsängste. Diejenigen, die DiGA nutzen wollen, brauchen ein Smartphone oder Tablet. Mit der App zu arbeiten, erfordert natürlich Eigeninitiative und auch Disziplin oder überhaupt den Willen, selbst etwas zu tun.

Seitens der Behandler/-innen werden die Bedenken aus meiner Erfahrung geringer, wenn sie sich mit dem Thema und den Möglichkeiten beschäftigen. Unter https://diga.bfarm.de/de [1] gibt es weiterführende Informationen.

 

Weiterführende Informationen DiGA

Die digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) werden im DiGA-Verzeichnis in den „Informationen für Fachkreise“ von den Herstellern selbst bereitgestellt. Zu beachten sind unter anderem Indikationen und Kontraindikationen sowie gegebenenfalls erforderliche ärztliche Leistungen. Auch die mit den Kassen abgerechneten Preise sind aufgeführt.

https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis [2]

Seit wann sind die digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) verschreibbar?

Das DiGA-Verzeichnis ist seit Oktober 2020 online und füllt sich seitdem stetig. Im Gegensatz zu Insellösungen einzelner Krankenkassen (Selektivverträge) werden die im DiGA-Verzeichnis gelisteten Anwendungen von jeder Krankenkasse erstattet.

Sind die DiGA überprüft?

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) prüft Anforderungen an Sicherheit, Datenschutz, Qualität eines Medizinproduktes und Funktionstauglichkeit. Des Weiteren müssen die DiGA einen positiven Versorgungseffekt aufweisen. Dieser kann in einem medizinischen Nutzen oder in Verfahrens- und Strukturverbesserungen im Gesundheitswesen liegen.

Im sogenannten „Fast Track-Verfahren“ kann ein positiver Versorgungseffekt im Rahmen von Wirksamkeitsstudien auch innerhalb eines Jahres (auf Antrag bis zu zwei Jahre) nach der Zertifizierung nachgereicht werden. In diesem Fall steht im DiGA-Verzeichnis der Hinweis „vorläufig aufgenommen“.