03 Jul Bauen für mehr Lebensqualität
Wohnen in der Behindertenhilfe: Mehr als nur ein Dach über dem Kopf
Es ist Samstagmittag in der Wohnstätte Friedberg. In der großzügigen, offenen Küche duftet es nach frischem Gemüse und Kräutern. Mehrere Klientinnen und Klienten stehen und sitzen gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen an der Arbeitsfläche, schnippeln, rühren und lachen miteinander. Der heutige Menüplan: eine bunte Gemüselasagne. „Das gemeinsame Kochen und Backen bringt uns alle näher zusammen“, erklärt Imke Wegner, Teamleiterin der Wohnstätte, die schon seit vielen Jahren in der Vitos Behindertenhilfe tätig ist. „Früher war das im alten Gebäude kaum möglich, da die Küchen zu klein und unpraktisch waren. Jetzt haben wir den Platz und die Ausstattung, um solche gemeinschaftlichen Aktivitäten durchzuführen.“
Dieser Alltag in den neuen Wohnprojekten von Vitos Teilhabe zeigt, wie Neubauten das Leben von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen verbessern können. Die modernen Einrichtungen bieten nicht nur funktionalen Wohnraum, sondern auch zahlreiche Möglichkeiten für soziale Interaktion und gemeinschaftliches Erleben.
Die Vorteile eines Neubaus
Imke Wegner erinnert sich noch gut an die alte Wohnstätte, in der enge Flure und kleine Zimmer den Alltag bestimmten. Der Neubau hingegen bietet eine ganz andere Qualität des Wohnens. Beispielsweise sind die Wohnungen und Gemeinschaftsräume vollständig barrierefrei gestaltet. Für Frau Müller, die im Rollstuhl sitzt, bedeutet dies, dass sie sich nun frei bewegen kann, ohne auf ständige Hilfe angewiesen zu sein. Türen sind breit genug, es gibt keine störenden Schwellen und die Badezimmer sind mit Haltegriffen und ausreichend Platz ausgestattet, sodass Frau Müller ihre Selbstständigkeit bewahren kann.
Auch die moderne Ausstattung im Neubau trägt erheblich zur Lebensqualität bei. Die offene Küche, in der Imke Wegner und die Klient/-innen heute kochen, ist ein Herzstück des Gemeinschaftslebens. Genauso der Raum zur Gestaltung des Tages. Dieser hat sich zu einer Begegnungsstätte entwickelt. Hier kommen die Klientinnen und Klienten zusammen, trinken Kaffee, spielen oder machen Musik. Eine ganz neue Erfahrung, denn einen solchen Raum gab es früher nicht. Nun können sich die Bewohner austauschen, voneinander lernen oder einfach mit dabei sein. „Das Verhalten einiger Klienten hat sich immens geändert. Wir haben viel weniger Aggressionsereignisse, manche Klienten waren früher nur in ihrem Zimmer, heute steht die Türe offen und es besteht ein hohes Interesse daran, was im Haus so passiert“, so Imke Wegner.
Die flexible Nutzung der Räumlichkeiten ist ein weiterer Pluspunkt. In der neuen Wohnstätte wurden die Zimmer schon während der Bauphase individuell an die Bedürfnisse der Klienten angepasst – beispielsweise durch die Wandfarben. Es wurden Einzelappartements, 2-er Appartements und 4-er Wohngemeinschaften umgesetzt, so dass für die unterschiedlichen Bedürfnisse der Klient/-innen ein passendes Wohnangebot entstanden ist.
Gesetzliche Bestimmungen und das Bundesteilhabegesetz (BTHG)
Die Wohnstätte Friedberg ist eine der vielen Bauprojekte bei Vitos Teilhabe. Zurzeit wird an den Standorten Weilmünster, Selters, Idstein und Bad Wildungen für die Vitos Behindertenhilfe gebaut. Weitere Projekte in Breitscheid und Niedenstein sind in Vorbereitung. Warum wird so viel gebaut?
Ein wesentlicher Grund für die rege Bautätigkeit bei Vitos Teilhabe sind die gesetzlichen Anforderungen des Bundesteilhabegesetzes (BTHG). Dieses Gesetz, das seit 2017 in Kraft ist, zielt darauf ab, die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben zu verbessern. Dazu gehört unter anderem, dass Wohnangebote geschaffen werden, die den individuellen Bedürfnissen der Menschen gerecht werden und ihnen ein möglichst selbstbestimmtes Leben ermöglichen.
Die Umsetzung des BTHG erfordert umfassende bauliche Maßnahmen, um die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Neue Wohnprojekte müssen so gestaltet sein, dass sie die Inklusion fördern und den Klientinnen und Klienten die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Dies beinhaltet auch die Schaffung von Wohnraum, der auf die spezifischen Anforderungen der Bewohner/-innen abgestimmt ist und ihnen sowohl Sicherheit als auch Komfort bietet.
Balance zwischen Standardisierung und Individualität
Bei Vitos Teilhabe werden die Bauprojekte intern vom Bauprojektmanagement abgewickelt. Thomas Heil, Leiter der Bauprojektentwicklung erklärt, was das Besondere an diesem Job ist:
„Jede Wohnstätte hat ihre eigenen Anforderungen und Besonderheiten. So individuell unsere Bewohner und Bewohnerinnen sind, so unterschiedlich sind auch die baulichen Anforderungen an die Wohnstätten. Dennoch gibt es wiederkehrende Randbedingungen, die sich bewährt haben. Sei es der Umgang mit Evakuierungsmethoden, Materialien oder auch energetische Aspekte. Hier sehe ich die Herausforderung den Blick dafür zu behalten, was in der jeweiligen Neubausituation sinnvoll und erforderlich ist. Eine zu große Standardisierung würde zu einer Uniformität der Wohnstätten führen. Zu große Individualität der Wohnstätten stellt aber auch die Mitarbeiter oft vor große Probleme. Hier meine ich nicht nur das Team vor Ort, sondern auch beispielsweise unsere Hausmeister und die Kolleginnen und Kollegen des FM, die die Gebäude später betreuen müssen. Hier das richtige Maß zu finden stellt die Herausforderung dar.
Ein besonderer Moment ist immer der Einzug der Klientinnen und Klienten. Wenn wird die Rückmeldung erhalten, das vieles so funktioniert wie wir es uns im Zuge der Planung vorgestellt haben, ist dies wunderbar. Hin und wieder kommt es dann auch vor, dass ich die Rückmeldung erhalte, dass Bewohner in dem neuen Umfeld Fähigkeiten und Kompetenzen entwickeln, die man ihnen vorher fast gar nicht zugetraut hätte. Das ist dann nochmal ein besonders schöner Umstand.“