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Corona und Social Media

Wie kann man Kindern und Jugendlichen helfen, mit der Nachrichtenflut umzugehen?

Nicht nur auf Erwachsene prasselt momentan eine Informationsflut an Neuigkeiten rund um das Coronavirus ein. Auch Kinder und Jugendliche werden täglich einem Wust an Nachrichten ausgesetzt: hauptsächlich über Social Media. Neben Fake News auf WhatsApp oder Ekel-Challenges auf TikTok gibt es auch positive Beiträge zu solidarischen Aktionen und informative Formate, wie zum Beispiel Podcasts. Wir haben Thilo Ast, stellvertretender Klinikdirektor der Vitos Klinik Rheinhöhe, befragt, wie ein gesunder Umgang mit Social Media in Zeiten von Corona aussehen kann.

Wie kann sich diese Informationsflut auf die Psyche von Kindern und Jugendlichen auswirken?

Ast: Kinder und Jugendliche können von der Informationsflut überwältigt und überfordert sein. Sie werden aktuell mit realen Ereignissen und Situationen konfrontiert, denen die meisten in ihrem noch jungen Leben vorher noch nicht ausgesetzt waren. Dazu kommt die vielfache, quasi unübersehbare, mediale Aufbereitung und Spiegelung dieser Ereignisse in den unterschiedlichsten Formen und Varianten. Vom wissenschaftlichen Beitrag über den unqualifizierten Kommentar bis hin zum virtuellen Chat mit den Peers.

Was können Eltern bzw. Erwachsene tun, um Kindern und Jugendlichen zu helfen, mit der Nachrichtenflut umzugehen?

Ast: Eltern beziehungsweise Erwachsene sollten versuchen, unterstützend einzugreifen, indem sie mit den Kindern und Jugendlichen das Gespräch suchen und vor allem in den Austausch gehen. Es ist wichtig, Kindern eine Anleitung zu geben, wie sie Informationen richtig einordnen können. Das ist natürlich auch für Erwachsene nicht immer einfach. Hier hilft es, sich an vertrauenswürdige Quellen zu halten: z. B. das Robert-Koch-Institut, die offiziellen Internetseiten der Ministerien oder der Gesundheitsämter. Viele dieser Institutionen sind auch in den sozialen Medien, etwa auf Instagram oder Facebook, vertreten. Auch die Tagesschau oder die hessische Landesregierung haben hier einen Auftritt, der mit aktuellen Informationen bespielt wird. Neue Auflagen oder Lockerungen werden oft als Livestream in den sozialen Medien zur Verfügung gestellt.

Wie kann ich mein Kind anleiten, Nachrichten richtig einzuordnen?

Ast: Kinder lernen am Modell. Dementsprechend sollte man sich auch seiner eigenen Vorbildrolle bewusst sein. Indem man selbst einen verantwortungsvollen, differenzierten und kritischen Umgang mit den Medien lebt, vermittelt man dies auch seinen Kindern.

Formate, wie Podcasts, können gemeinsam angehört und besprochen werden. Besonders bekannt ist momentan der Podcast des Norddeutschen Rundfunks mit dem Virologen Prof. Dr. Christian Drosten. Prof. Drosten leitet das Institut für Virologie der Charité in Berlin und ist daher eine vertrauenswürdige Quelle. Je nach Alter des Kindes gibt es speziell aufbereitete Inhalte zum Coronavirus, zum Beispiel Erklärvideos mit der Maus [1].

Aus solchen Informationsquellen gemeinsam zu schöpfen und darüber in den Austausch zu gehen, ist wichtig und hilfreich. So können Informationen richtig eingeordnet und gegebenenfalls Ängste genommen werden. Man sollte sich auch dafür interessieren, aus welchen weiteren Quellen Kinder und Jugendliche Informationen beziehen – TikTok, YouTube oder Instagram? Natürlich kann man nicht gänzlich kontrollieren, welche Inhalte Kinder und Jugendliche konsumieren. Vertrauenswürdige Quellen aufzuzeigen, hilft ihnen, einen gesunden und reflektierten Umgang mit neuen Informationen zu erlernen.

Wie kann ein sinnvoller Umgang mit Social Media in Zeiten der Krise aussehen?

Ast: Da (soziale) Medien mittlerweile Teil des Alltags unserer Kinder geworden sind, ist es illusorisch, den Zugang unterbinden zu wollen – selbst wenn man das aktuell kritisch sehen kann.

Für Kinder und Jugendlichen sind soziale Medien auch eine Möglichkeit, Kontakt zu Freunden zu halten. Das ist in der aktuellen Krise und vor dem Hintergrund der Kontaktbeschränkung sogar sehr hilfreich.

Grundsätzlich sollten im Haushalt feste Regeln im Umgang mit den (sozialen) Medien etabliert sein. Der Medienkonsum sollte keine Überhand nehmen und zeitlich begrenzt sein. Es ist hilfreich, feste Zeiten für zum Beispiel Fernsehen oder Smartphone festzulegen. Zugang und Umfang des Medienkonsums sollten sich generell am Alter des Kindes orientieren und dementsprechend angepasst sein.

Homeoffice, geschlossene Schulen oder Kitas und das Kontaktverbot stellen Eltern und betreuende Personen vor die Herausforderung, den Tag zu gestalten. Nötigenfalls bedeutet dies, Ausnahmen in Bezug auf den Medienkonsum zu machen. Das kann aber auch gelingen, ohne die zuvor genannten notwendigen Regeln komplett über Bord zu werfen und die beschriebenen Risiken in Kauf zu nehmen.

Wann ist es sinnvoll, Kinder von der Nachrichtenflut abzuschirmen?

Ast: Wenn deutlich wird, dass das Kind bzw. der/die Jugendliche vom Inhalt der Meldungen geängstigt oder schlichtweg überfordert ist. Dann sollte man die Angst oder Überforderung thematisieren. Indem man über das Thema spricht und es auch wieder gemeinsam einordnet, können Kinder und Jugendliche die Informationen besser verarbeiten.

In solchen Fällen sollte man auch in Erwägung ziehen, den Medienkonsum – zumindest zeitweise – zu unterbrechen. Das kann rein technisch geschehen, indem der Fernseher ausgeschaltet oder das Smartphone in einer Schublade verstaut wird. Gemeinsame Aktivitäten, nach Möglichkeit im Freien und an der frischen Luft, helfen außerdem, den Kopf freizubekommen und sich auf andere, weniger belastende Dinge zu konzentrieren.

Das ist übrigens nicht nur für Kinder und Jugendliche wichtig: Auch Erwachsene sollten an ihre mentale Gesundheit denken. Planen Sie feste Zeiten für den Konsum von Nachrichten ein, prüfen Sie Quellen, aus denen Sie Neuigkeiten beziehen und schaffen Sie sich im momentan neuen Alltag kleine Inseln der Erholung.

Tipps für seelische Gesundheit während der Corona-Krise finden Sie auch auf unserer Website [2] oder in den sozialen Medien, z. B. auf Instagram [3].

Bildquelle: Vitos

[4]Zur Person:

Thilo Ast ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und stellvertretender Klinikdirektor der Vitos Klinik Rheinhöhe.