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Darum Psychiatrie und darum Vitos

Was bedeutet es, im ärztlichen Dienst in einer psychiatrischen Klinik zu arbeiten?

Warum eigentlich Arzt, warum Ärztin? Was kommt nach dem Studium und wo geht’s hin? Diese Fragen haben sich unsere drei Interviewpartner/-innen gestellt. Rodica Popa, Tilman Müller und Ahmed Mohamed haben sich für eine Karriere in der Psychiatrie entschieden. Jede und jeder in einem anderen Fachbereich.

Was macht das Arbeiten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie aus? Wie gestaltet sich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wenn man als Arzt im Maßregelvollzug tätig ist? Und welche Herausforderungen kann ein Job in der Erwachsenenpsychiatrie mit sich bringen? Im Interview geben die Drei ehrliche Antworten auf diese und weitere Fragen.

Wie ist euer Werdegang?

Rodica Popa: Studiert habe ich in Rumänien. In Deutschland habe ich bei Vitos als Hospitantin auf einer Akutstation der Erwachsenenpsychiatrie begonnen. Nachdem ich die Facharztprüfung bestanden hatte, habe ich meine Arbeit als Assistenzärztin angefangen. Erst auf einer Station für Depression, später wieder auf der Akutstation sowie auf einer Station auf der wir Patient/-innen mit Suchterkrankungen behandeln.

Ahmed Mohamed: Ich habe in Ägypten Medizin studiert. In Deutschland habe ich 2019 meine Facharztweiterbildung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie begonnen.

Tilman Müller: Ich habe in Gießen studiert und mein praktisches Jahr an der Uniklinik Gießen absolviert. Ende 2016 habe ich mein Examen gemacht und anschließend ein Jahr in einer Klinik für Neurochirurgie gearbeitet. Die Arbeit dort war sehr schlecht mit der Familie vereinbar, nicht zuletzt aufgrund der vielen Überstunden. Da ich die Kopffächer schon immer faszinierend fand, zog es mich anschließend in die Psychiatrie und zu Vitos. Ich habe zuerst in der Erwachsenenpsychiatrie gearbeitet. Dann bin ich nochmal für ein Jahr zurück in die Neurologie an der Gießener Uniklinik und schließlich im September 2021 in die Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Gießen. Ich bin also schon ein bisschen rumgekommen und fühle mich in der Forensik nun so wohl, dass ich bleiben möchte.

Wolltet ihr schon immer in eurem jeweiligen Fachbereich arbeiten?

Ahmed Mohamed: Es war von Anfang an mein Wunsch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu arbeiten. Die Arbeit dort ist spannend und geht mehr in die Tiefe, als es bei anderen medizinischen Disziplinen der Fall ist.

Tilman Müller: Eigentlich wollte ich schon immer in die Forensik. Nicht zuletzt, weil ich Jura als ein spannendes Fach empfinde. Das Strafgesetzbuch und andere Rechtsgrundlagen, die tiefere Verzahnung mit den Juristen, Staatsanwälten und Richtern, die Möglichkeit, Strafrechtsgutachten zu schreiben und als Sachverständiger vor Gericht aufzutreten – all das zeichnet die Arbeit in der Forensik aus und begeistert mich. Die Arbeit wird nie langweilig.

Rodica Popa: Während meines Studiums hatte ich bereits mit psychisch erkrankten Menschen zu tun und war von Anfang an fasziniert von der Arbeit. Wenn ein Patient zum Beispiel Bauchweh hat, kann man ihm eine Tablette geben. Leidet der Patient an einer Psychose ist es komplizierter. Man braucht mehr Zeit und Geduld, man führt Gespräche, lernt sein Gegenüber besser kennen. Hinter jeder Diagnose steckt eine andere Geschichte.

Was ist das Besondere an eurem jeweiligen Job?

Tilman Müller: Das Erstellen von Gutachten finde ich besonders spannend – man bekommt Akten der Staatsanwaltschaft und erhält tiefere Einblicke in die einzelnen Fälle. Das große Ganze zu sehen, fasziniert mich. Das Arbeiten im multiprofessionellen Team macht mir Freude. Teamentscheidungen treffen wir gemeinsam. Wir diskutieren miteinander und jeder wird gehört. So entsteht ein guter Zusammenhalt. Wir arbeiten berufsgruppenübergreifend auf Augenhöhe zusammen. Die verschiedenen Blickwinkel der einzelnen Berufsgruppen erlebe ich als Bereicherung. Wertschätzung, Offenheit und flache Hierarchien werden gelebt. Das habe ich in meiner bisherigen Laufbahn im ärztlichen Dienst schon ganz anders erlebt.

Rodica Popa: Ich mag an der Psychiatrie, dass die Beziehung zu den Patient/-innen im Mittelpunkt steht. Wenn Patienten zu uns kommen, haben sie einen hohen Leidensdruck, sind oft ängstlich und verschlossen. Wir führen Gespräche, bauen Vertrauen auf und nach einer Weile öffnen sie sich und arbeiten mit uns zusammen daran, dass es ihnen wieder bessergeht. Das ist sehr erfüllend.

Ahmed Mohamed: Der Beziehungsaufbau steht im Zentrum. Der Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen macht mir Freude. Vor allem dann, wenn einem die Kinder im Kontakt signalisieren, dass sie sich wohl und verstanden fühlen.

Wo liegen Herausforderungen?

Rodica Popa:  Herausfordernd kann zum Beispiel sein, wenn Patient/-innen keine Krankheitseinsicht haben. Manche Patienten sind krankheitsbedingt sehr misstrauisch uns Ärztinnen und Ärzten gegenüber. Sie brauchen sehr lange, um der Behandlung offen gegenüber zu stehen.

Ahmed Mohamed: Manchmal kann es schwierig sein, einen Draht zu den Kindern zu finden und ihr Vertrauen zu gewinnen. Nicht immer möchten oder können sie sich öffnen. Genauso können einen die kindlichen Verhaltensweisen immer mal wieder vor Herausforderungen stellen. Man braucht für diesen Job viel Empathie und Geduld.

Tilman Müller: Die Patientinnen und Patienten können herausfordernd sein. Niemand von ihnen ist per se ein schlechter Mensch. Sie sind psychisch krank. Und eine psychische Erkrankung kann jeden von uns treffen, jederzeit – ob wir das nun wahrhaben wollen oder nicht.

Für die Vertrauenszusammenarbeit mit den Patienten ist es wichtig, klarzustellen, dass nicht ich, der Arzt, die Entscheidung getroffen habe, ihnen die Freiheit zu entziehen, sondern das Gericht. Meine Rolle als Arzt ist es, ihnen Hilfe anzubieten. Gleichzeitig gebe ich den Gerichten in Form meiner Gutachten Einschätzungen darüber, wie gefährlich ein Patient für die Allgemeinheit ist und wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, ob er oder sie künftig wieder straffällig wird. Diese Verantwortung muss man tragen können und wollen.

In der Psychiatrie im Allgemeinen, aber gerade in der forensischen Psychiatrie müssen wir uns stets bewusst darüber sein, dass es zu Übergriffen kommen kann. Unser Arbeitgeber trifft dafür zahlreiche Schutzmaßnahmen, wie zum Beispiel die Bereitstellung eines mobilen Transponders. Jeder Mitarbeitende trägt diesen immer bei sich und kann sofort Verstärkung rufen, sollte es zu einem Zwischenfall mit einem Patienten kommen.

Wie empfindet ihr Vitos als Arbeitgeber?

Ahmed Mohamed: Ich empfinde Vitos als professionellen Arbeitgeber, der im Sinne der Patienten handelt. Wie alle Krankenhäuser stehen unsere Kliniken vor wirtschaftlichen Herausforderungen. Das spürt man im Arbeitsalltag. Etwa, wenn bei uns in Marburg beschlossen wurde, dass das Schwimmbad abgeschafft wird, weil es zu hohe Kosten verursacht.

Tilman Müller: Mit Vitos habe ich bisher durchweg positive Erfahrungen gemacht. Ich schätze besonders die vielfältigen Weiterbildungszuschüsse, die Fortbildungen und die Freiheit, das eigene Arbeitsumfeld gestalten zu können.

Rodica Popa: Ich finde Vitos ist ein sehr guter Arbeitgeber. Die Kolleginnen und Kollegen haben mich sehr nett aufgenommen, die Atmosphäre ist familiär. Anfangs hatte ich noch Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache. Da hatte ich immer jemanden an den ich mich wenden konnte. Ich habe mich nie allein gefühlt. Positiv fand ich außerdem, dass Vitos die Kosten meiner Weiterbildung übernommen hat.

Wie gestaltet sich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie?

Tilman Müller: In der forensischen Psychiatrie ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie optimal. Ich bin alleinerziehender Vater und kann mir meine Arbeitszeit einteilen. Die Dienste sind planbar. Und wenn ich beispielsweise Rufbereitschaft habe, kann ich währenddessen die Dokumentation von Zuhause aus erledigen. Diese Flexibilität schätze ich sehr.

Rodica Popa: Die Vereinbarkeit von Beruf, Freizeit und Familie klappt für mich gut. Aktuell arbeite ich 100 Prozent.

Ahmed Mohamed: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie klappt grundsätzlich gut. Manchmal muss man natürlich Abstriche machen, aber das ist in anderen Berufen nicht anders.

Was würdet ihr jungen Medizinstudenten empfehlen, die sich für die Arbeit in eurem jeweiligen Fachbereich interessieren?

Rodica Popa: Für die Arbeit mit psychisch erkrankten Menschen braucht man Geduld. Wer im Studium bereits merkt, dass er Interesse an der Erwachsenenpsychiatrie hat, kann zum Beispiel ein paar Tage auf Station hospitieren, um einen ersten Eindruck zu gewinnen. Es lohnt sich!

Tilman Müller: Spaß am Fach Jura ist nicht zwingend notwendig, aber sicher hilfreich. Wichtig ist, sich klar zu machen, wie die eigene therapeutische Haltung gegenüber den Patienten ist. In der Forensik schauen wir eher, was der Patient tatsächlich selber kann und befähigen ihn oder sie zu mehr Selbstständigkeit. Auch bei uns sind Hospitationen möglich. Wer Interesse hat, kann sich einfach bei der ärztlichen Direktion melden.

Ahmed Mohamed: Man sollte neben Empathie und Geduld authentisches Interesse an Kindern und Jugendlichen mitbringen und natürlich Freude an der Arbeit mit Menschen.