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Das psychiatrische Krankenhaus

Das psychiatrische Fachkrankenhaus oder die psychiatrische Fachabteilung ist eine mögliche Einrichtung zur Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen. Es ist die wesentliche Einrichtung in der schnell eine 24 Stunden Betreuung möglich ist. Deshalb ist ein psychiatrisches Krankenhaus die Anlaufstelle für Menschen in Krisensituationen. Doch wann ist eine stationäre Behandlung sinnvoll und wie wird mir dort geholfen? Diese und andere Fragen beantwortet Michael Grunz, Oberarzt der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Weilmünster.

Julia König: Welche Krankheiten werden häufig in einem psychiatrischen Krankenhaus behandelt?
Michael Grunz: Grundsätzlich werden alle psychischen Störungen in einem psychiatrischen Krankenhaus behandelt. Es kommt weniger auf die Diagnose an, sondern mehr darauf, wie ausgeprägt die Folgen sind. Häufige Erkrankungen sind jedoch mit Sicherheit Depressionen [1]. Hier erwartet die Weltgesundheitsorganisation, dass 2020 Depressionen Platz zwei von allen Erkrankungen einnehmen werden. Häufig sind auch Angststörungen und Alkoholabhängigkeit [2]. Schizophrenien [3] betreffen etwa jeden Hundertsten weltweit, sind aber oft stationär behandlungsbedürftig. Da die Menschen immer älter werden, werden gleichermaßen Demenzen [4]zunehmen. 70 bis 79-Jährige sind zu 3,2 Prozent davon betroffen, die 80-89-Jährigen zu 10,8 Prozent (Berger, Psychische Erkrankungen, 3. Auflage). Hier gute Behandlungen zu sichern, ist eine der größten Herausforderungen, denen sich das Gesundheitssystem in den nächsten Jahren stellen muss.

Julia König: Wann ist eine stationäre Behandlung sinnvoll?
Michael Grunz: Eine stationäre Behandlung ist immer notwendig, wenn eine lebensbedrohliche Situation besteht. Weiter kann man diese Frage aus zwei Perspektiven betrachten: Aus Sicht der Erkrankten und aus Sicht der Angehörigen. Aus Sicht der Erkrankten ist eine stationäre Aufnahme zu empfehlen, sobald die Krankheit den Alltag beherrscht und man nicht mehr in der Lage ist, seinen Haushalt zu bewältigen, sich mit anderen Menschen zu umgeben oder zur Arbeit zu gehen, also im weitesten Sinne für sich zu sorgen. Wir erleben aber auch sehr oft in der Klinik, dass Menschen zur Aufnahme kommen, wenn die Angehörigen nicht mehr können. Angehörige sind erste Auffangnetze. Man macht Erledigungen für den, der nicht mehr kann, weckt ihn oder versucht ihn aufzuheitern oder einfach nur zuzuhören. Irgendwann fängt die Unterstützung an, nun auch den Angehörigen zu überfordern, sowohl emotional wie organisatorisch. Jetzt ist spätestens der Zeitpunkt gekommen, sich Hilfe zu holen. Dies kann dann auch eine stationäre Behandlung sein. Wenn sich betroffene Menschen früher melden, ist jedoch die ein oder andere stationäre Behandlung abwendbar. Scheuen Sie sich nicht Hilfe zu suchen, melden Sie sich bei uns [5].

Julia König: Wie werde ich stationär aufgenommen?
Michael Grunz: Der Notfall braucht keine Formalitäten. In Deutschland ist die psychiatrisch-stationäre Versorgung so geregelt, dass für jede Straße und Hausnummer mindestens eine bestimmte Psychiatrie für die Aufnahme zuständig ist. Bei geplanten Aufnahmen gilt eine Einweisung durch z. B. einen Hausarzt oder Psychiater [6] und ein Anruf bei uns als ausreichend. Wir schauen dann, wann der nächste Platz frei wird. Natürlich muss der ambulant behandelnde Arzt die Notwendigkeit einer stationären Behandlung überprüfen. Wichtig ist, die Einweisung, Krankenkassenkarte, eine Liste der bisher eingenommenen Medikamente und wenn möglich Arztbriefe von Vorbehandlungen mitzubringen. Ist man in der Klinik angekommen, erfolgt ein Aufnahmegespräch, meist mit behandelndem Arzt und oder Psychologen und einem Mitarbeiter des Pflegeteams. Neben dem Gespräch mit dem Betroffenen ist auch die körperliche Untersuchung und u. a. eine Blutabnahme und ein EKG wichtig. Hierdurch können mögliche körperliche Ursachen der psychischen Störung erkannt werden. Dies ist zwar selten, aber umso wichtiger es dann zu erkennen. Ausgehend von den Untersuchungsergebnissen wird ein Behandlungsplan mit dem Patienten abgestimmt.

Julia König: Was ist der Unterschied zwischen einer voll- und tagesklinischen Behandlung?
Michael Grunz: Eine vollstationäre Behandlung ermöglicht eine durchgehende Anwesenheit des Patienten auf Station. Teilstationäre Behandlung funktioniert meist wie ein Arbeitsplatz, von ca. 9:00 Uhr bis ca. 17:00 Uhr, fünf Tage die Woche. Der Grundgedanke der psychiatrischen Behandlung sollte sein, so ambulant wie möglich zu behandeln. Der Erkrankte sollte möglichst kurz oder gar nicht aus seinem Umfeld herausgenommen werden, um nicht den Anschluss an seine Normalität zu verlieren. Hier gibt es natürlich Ausnahmen. Die Behandlungsart ist neben der Erkrankung auch von der Mobilität abhängig. Jemand der morgens um 5:00 Uhr aufstehen muss, um in einer Tagesklinik [7] um 9:00 Uhr da zu sein, ist für diese Behandlungsform eher ungeeignet. Aber auch hier gibt es Ausnahmen. Eine seltene aber besonders gute Behandlungsform ist das Home Treatment (APAH) [8]  der „Vitos Klinik Bamberger Hof“ in Frankfurt. Hier werden akut kranke Patienten engmaschig durch Hausbesuche eines multiprofessionellen Teams betreut.

Julia König: Was ist der Unterschied zwischen einer offenen und einer geschlossenen oder fakultativ geschlossenen Station?
Michael Grunz: Wenn ein Mensch nicht mehr ausreichend für seine Sicherheit und sein Leben garantieren kann, wird er auf einer geschützten Station in der Psychiatrie behandelt. Man spricht hier auch von geschlossenen Stationen. Alle anderen Patienten, und das sind die Meisten, können auf den sogenannten offenen Stationen behandelt werden. Die fakultativ geschlossenen Stationen erlauben ein flexibles Vorgehen. Diese Stationen werden nur geschlossen, wenn ein Patient nicht mehr für seine Sicherheit garantieren kann. Je nach Art der psychischen Erkrankung kann es sich um einen Zeitraum von Stunden aber auch von Tagen handeln. Das hängt auch davon ab, wie vertrauensvoll der Kontakt zwischen dem gefährdeten Mensch und dem Team ist. Die nicht betroffenen Patienten können sich, wie immer, in Absprache mit dem Team frei bewegen. Sie können die Station selbstverständlich verlassen und Besuch empfangen.

Julia König: Wie läuft die Behandlung in einer psychiatrischen Klinik ab?
Michael Grunz: Das ist von Klinik zu Klinik unterschiedlich. Es hängt auch davon ab, ob sich Stationen auf die Behandlung von einem Krankheitsbild spezialisiert haben, dann sind die Therapien entsprechend ausgerichtet. Grundsätzlich kann ich sagen, dass jeder Patient einen ihm zugeteilten Arzt und oder Psychologen hat, der Ansprechperson ist. Zusätzlich stellt das Pflegeteam einen dem Patienten zugeordneten Bezugspfleger, der gleichermaßen eine wichtige therapeutische Kontaktperson ist. Die Berufsgruppe der Krankenpflege [9] ist sehr wichtig in der Psychiatrie, da sie neben ihrer fachlichen Kompetenz, immer vor Ort und ansprechbar ist. Im Aufnahmegespräch werden zusammen mit dem Patienten, die Aufnahmediagnose, die Medikation und die Therapien besprochen. Das können neben der Gruppengesprächstherapie, Ergotherapie [10], Sporttherapie, Kunsttherapie [11], Musiktherapie, Theatertherapie, auch eine Kegel- oder Kochgruppe sein. Die Möglichkeiten hängen von der jeweiligen Klinik ab. In der Regel erhält der Erkrankte mehrere Therapieformen. Es sollte darauf geachtet werden, dass genügend Pausen zur Verfügung stehen, um neue Erkenntnisse und Erlebnisse verarbeiten zu können. Bei der Behandlung mit Psychopharmaka, sollte eine Monotherapie erfolgen. Also ein einziges Medikament gegeben werden, dass möglichst viel Wirkung und möglichst wenig bis keine Nebenwirkungen hat. In Kliniken werden oft, aber nicht immer, Psychopharmaka gegeben. Ein weiterer Grundpfeiler der Behandlung ist die Psychoedukation. Diese soll dem Patienten seine Erkrankung verständlich machen. Kompetente Patienten und ein Gespräch auf Augenhöhe sind ein Ziel der Therapie. Je besser ein Patient seine Erkrankung versteht, desto besser funktioniert die Kommunikation über Medikamente und die Wirksamkeit der Behandlung. Außerdem ist ein wichtiger Erfolgsfaktor die Sympathie. Egal wo man sich behandeln lässt, die Chemie zwischen Patient und Behandelnden sollte ausreichend stimmen.

Julia König: Was kommt nach der stationären Behandlung?
Michael Grunz: Eine stationäre Behandlung sollte in ein Gesamtbehandlungskonzept eingebettet sein. Bei der stationären Behandlung geht es darum, die Beziehungsfähigkeit, die Arbeitsfähigkeit und Alltagstauglichkeit so gut es geht wiederherzustellen. Man sollte sich bewusst sein, dass der Patient nach der stationären Behandlung oft noch nicht völlig stabil ist. Es sollte in jedem Fall eine Nachsorge im Sinne einer ambulanten Behandlung angeboten und wenn möglich auch organisiert werden. Dies kann eine ambulant psychiatrische und oder eine psychotherapeutische Behandlung sein. Die meisten Psychiatrien besitzen auch eigene Ambulanzen die Behandlungen fortsetzen können. Eine Sonderform ist, die in die Station „integrierte Ambulanz“. Dies hat den Vorteil, dass der Therapeut auf Station die ambulante Behandlung fortsetzt. Man kennt sich und hat das nötige Vertrauen aufgebaut. Einige Kliniken bieten auch nachstationäre Gruppentherapien an.

Julia König: Wer behandelt psychische Krankheiten noch?
Michael Grunz: Eine weitere vollstationäre Behandlungsmöglichkeit sind die psychosomatischen Kliniken mit den intensiveren psychotherapeutischen Möglichkeiten. Sehr wichtig sind die Kinder- und Jugendpsychiatrien [12], die Patienten unter 18 Jahren behandeln. Dann gibt es natürlich Alternativen und Ergänzungen zu einer stationären oder teilstationären Behandlung. Die psychiatrischen Kliniken und ihre Ambulanzen sind Teil eines großen Hilfenetzes für psychisch kranke Menschen. Der Hausarzt ist oft die erste Anlaufstelle. Die Praxen niedergelassener Psychiater und Psychotherapeuten sind weitere. Bei Alkoholabhängigkeit und anderen Suchterkrankungen kommt den Jugend- und Drogenberatungen eine sehr wichtige Funktion zu. Weitere Beratungsstellen werden von der Caritas und Diakonie geleitet. Die sozialpsychiatrischen Vereine bieten oft Wohnungen, beraten und machen Hausbesuche. Reha Werkstätten bieten betreute Arbeitsplätze. Dies alles ist nur ein Ausschnitt der Möglichkeiten. Die lokalen Gelegenheiten sind unterschiedlich. Die richtige Behandlung hängt nicht alleine von der Krankheit und ihrer Ausprägung ab, sondern von vielen anderen Faktoren, wie z. B. Mobilität, oder auch ob zu Hause Kinder oder pflegebedürftige Eltern versorgt werden müssen. Deswegen ist es wichtig, dass Sie Kontakt zu einem Fachmann suchen, wenn Sie in Sorge sind an einer psychischen Erkrankung zu leiden.