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„Die Störungen, mit denen die Heranwachsenden zu uns kommen, sind vielfältig“

Vitos Klinik für Psychosomatik Herborn bietet spezielles Angebot für die Behandlung junger Erwachsener in Adoleszenzkrisen

Die Ablösung von den Eltern, die erste eigene Wohnung, der erste Job – Erwachsenwerden ist aufregend, aber auch herausfordernd. Auf dem Weg in die Selbstständigkeit durchlaufen junge Menschen wichtige Entwicklungsschritte. Gleichzeitig sind sie in dieser Zeit besonders gefährdet, eine psychische Erkrankung zu entwickeln. Die Vitos Klinik für Psychosomatik Herborn hat sich auf die Behandlung Heranwachsender in Adoleszenzkrisen spezialisiert. Was steckt dahinter? Klinikdirektorin Elke Röming erklärt es im Interview.

Wie kam es dazu, dass die Vitos Klinik für Psychosomatik Herborn einen Schwerpunkt auf die Behandlung von Adoleszenten legt?

Elke Röming: In der Übergangzeit vom Jugendlichen zum Erwachsenen sind junge Menschen besonders gefährdet, eine psychische oder psychosomatische Erkrankung zu entwickeln. Viele junge Erwachsene fühlen sich auf dem Weg zu einer selbstständigen Lebensführung ins kalte Wasser gestoßen. Den meisten gelingt es nach anfänglichen Anlaufschwierigkeiten, die neuen Anforderungen des Lebens zu bewältigen. In manchen Fällen funktioniert das aber nicht. Dann kann professionelle Hilfe notwendig sein. Wir haben festgestellt, dass es in diesem Bereich bisher nur wenige Angebote gibt, die auf die Bedürfnisse der jungen Patienten zugeschnitten sind. 2017 haben wir unsere Klinik deshalb um eine neue Station erweitert mit dem Schwerpunkt verlängerte Adoleszenzkrisen. Mit unserem multiprofessionellen Behandlungsteam und unserem Konzept der vollstationären komplexen psychosomatischen und psychotherapeutischen Behandlung konnten wir ein sehr hilfreiches Angebot für Betroffene entwickeln.

Mit welchen Erkrankungen kommen Heranwachsende zu Ihnen?

Elke Röming: Die Störungen, mit denen die Heranwachsenden in die Klinik kommen, sind vielfältig. Das sind zum Beispiel Depressionen, Angststörungen oder Essstörungen. Genauso somatoforme Störungen, Störungen der Magen-Darm-Funktionen, Herzbeschwerden, Schmerzerkrankungen und Identitätsstörungen. Somatoforme Störungen sind Beschwerden, für die man trotz intensiver und genauer Untersuchungen keine körperliche Ursache findet. Stress, Verlust- und Konfliktsituationen und Überlastung in der Familie und in der Schule, der Uni oder der Ausbildung können zu schweren psychischen Lebenskrisen führen.

Benötigen Adoleszente ein spezialisiertes Behandlungsangebot? Wenn ja, warum?

Elke Röming: Junge Erwachsene benötigen ein psychotherapeutisches Behandlungskonzept, das auf ihre Entwicklungsschritte abgestimmt ist. Bei uns in der Klinik erhalten die Heranwachsenden eine psychosomatisch-psychotherapeutische Behandlung, die darauf abzielt, sie in ihrem Selbstwertempfinden und ihrem Streben nach Selbstständigkeit zu stärken. Wir möchten ihren Veränderungswillen und in ihrer Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, fördern. Genauso unterstützen wir sie in ihrer Identitätsfindung. Das erreichen wir durch funktions- und problemorientiert ausgerichtete Behandlungsangebote.

In der Regel stehen ungelöste innere Konflikte hinter den Problemen unserer Patientinnen und Patienten. Beispielsweise ein Autonomie-Ablösungskonflikt. Dabei hindert die Angststörung den Heranwachsenden daran, die Eltern verlassen zu müssen. Diese inneren Konflikte gilt es, im therapeutischen Kontext gemeinsam verstehen und damit bewältigen zu lernen, aufzulösen oder Kompromisse zu finden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist es, dass Patienten durch vollstationäre psychotherapeutische Behandlung ein Verständnis für ihre aktuelle Lebensphase und die damit verbundenen Entwicklungsaufgaben aufbauen. Dabei können sie herausfinden, in welchen Entwicklungsaufgaben sie Unterstützung benötigen. Dafür bieten wir ihnen unter anderem die Teilnahme an unserer Psychoedukationsgruppe an.

Alle unsere Therapiegruppen sind speziell an die Bedürfnisse junger Heranwachsender angepasst. Mit Hilfe unseres milieutherapeutischen Settings können Patienten soziale Kompetenzen weiterentwickeln und ihre Konfliktfähigkeit, Kommunikations- und Beziehungsfähigkeit erproben. In der Milieutherapie geht man davon aus, dass der Mensch nicht nur seine Umwelt beeinflusst, sondern immer auch selbst von ihr beeinflusst wird. Somit kann sich das soziale Miteinander in der Patientengruppe positiv auf den Verlauf und die Überwindung von psychischen Beeinträchtigungen auswirken.

Was unterscheidet die Behandlung in Ihrer Klinik für Psychosomatik von einer Behandlung in einer Kinder- und Jugendklinik für psychische Gesundheit beziehungsweise in einer Klinik für Erwachsenenpsychiatrie?

Elke Röming: In der Klinik für Psychosomatik bieten wir nach den gesetzlichen Rahmenbedingungen eine intensive psychotherapeutische Behandlung an. Zugang können nur Patienten mit einer ausreichenden Eigenmotivation und Introspektionsfähigkeit finden. Introspektionsfähig ist jemand, der das eigene Erleben und Verhalten betrachten, beschreiben und analysieren kann. In den Vorgesprächen zur Abklärung der Behandlung legen wir ein besonderes Augenmerk auf die Veränderungsbereitschaft der Betroffenen und die Fähigkeit zur Übernahme von Eigenverantwortung. Ein psychodynamisches oder verhaltenstherapeutisches Grundverfahren muss zum Einsatz kommen, auch müssen Spezialtherapeuten, wie Kreativ-, Physio-, Bewegungs-, Ergo- und Sozialtherapeuten, Ernährungsberater und Psychologen in die Behandlung einbezogen sein.

In den von Ihnen genannten anderen Kliniken für seelische Beeinträchtigungen können auch Patienten behandelt werden, die eher auf Drängen von Bezugspersonen oder fremdbestimmt eine Behandlung aufnehmen müssen.

In der Psychosomatik bieten wir mit einer tiefenpsychologischen Ausrichtung in einem komplexen Behandlungsangebot mit kognitiver Verhaltenstherapie, systemischer Therapie, Schematherapie und Traumatherapie an. Zusätzlich setzen wir auf eine interdisziplinäre Therapie. Dazu zählen Kunst-, Musik- und bewegungstherapeutische Angebote, Akupunktur, berufsbezogene Sozialarbeit, Entspannungsverfahren und soziales Kompetenztraining. Außerdem auch EmoRY, was für emotionale Regulation und Yogatherapie steht.

Unser Behandlungsangebot stößt auf reges Interesse und wird sehr gut angenommen. Unsere Patientinnen und Patienten kommen nicht nur aus der unmittelbaren Umgebung, sondern aus ganz Deutschland zu uns.

Infobox Aufnahmeservice:

Mit dem hessenweiten Vitos Aufnahmeservice Psychosomatik [1] bieten wir eine gut erreichbare Anlaufstelle für alle Fragen rund um den Aufenthalt und die psychosomatische Behandlung bei Vitos. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter informieren Sie telefonisch oder per E-Mail über die Behandlungsmöglichkeiten und geben Auskunft über freie Behandlungsplätze sowie eventuelle Wartezeiten. Außerdem klären sie die Formalitäten für einen Klinikaufenthalt oder leiten Sie direkt in die passende Klinik weiter.

So erreichen Sie uns: Tel. 0 800 – 8 48 67 00 (kostenlos)

Montag bis Freitag 7:00 – 19:00 Uhr und samstags 7:00 – 12:00 Uhr