„Diese neue Perspektive ist extrem bereichernd“

„Diese neue Perspektive ist extrem bereichernd“

Geschäftsführer Martin Engelhardt hospitiert auf der Intensivstation

Eine komplette Frühschicht hat Geschäftsführer Martin Engelhardt auf der Intensivstation der Neurologie in Weilmünster mitgearbeitet. Intensivpflegefachkraft Beate Lotz hat den gelernten Diplom-Kaufmann begleitet und ihm erklärt, worauf es bei der Versorgung schwerstpflegebedürftiger, beatmungspflichtiger Patientinnen und Patienten ankommt.  Neben der Grundpflege, dem Stellen von Medikamenten, dem Wechseln von Infusionen und vielen anderen Tätigkeiten gehört auch die genaue Dokumentation aller Maßnahmen dazu. Wir haben mit den beiden über ihre Erfahrungen gesprochen.

Frau Lotz, Sie sind seit 1997 auf der Intensivstation in Weilmünster. Wie viele Schüler/-innen haben Sie in dieser Zeit angeleitet?

Beate Lotz: Das ist schwer zu sagen. Aber es waren sicher an die 100.

Und was macht einen „guten Schüler“ aus Ihrer Sicht aus? Worauf kommt es in Ihrem Beruf an?

Beate Lotz: Am wichtigsten ist sicher das Einfühlungsvermögen. Man braucht in diesem Beruf ein Gespür für die Menschen und für deren Probleme. Stellen Sie sich einen älteren Patienten auf der Intensivstation vor: Überall unbekannte Gesichter, Kabel, Schläuche, ständig piepst es. Der Patient ist in diesem Moment komplett reizüberflutet. Wenn ich mich dann in ihn hineinversetze, kann ich verstehen, warum er gerade so reagiert – und ihm hoffentlich helfen.

Wie ist Ihr Eindruck vom „Schüler“ Martin Engelhardt?

Beate Lotz: Mir hat imponiert, dass er von Anfang sagte: „Ich mache alles mit“ – und nicht nur von weitem zugeschaut hat. An diesem Tag waren zwei Kollegen krank und jede Hand wurde auf Station dringend gebraucht. Er hatte keine Berührungsängste. Das war gut.

Am ersten Tag im neuen Job sind die meisten Menschen aufgeregt. Sie auch, Herr Engelhardt?

Martin Engelhardt: Aufgeregt wäre das falsche Wort. Wir haben super Pflegekräfte auf der Station und ich hatte das Privileg, vorher zu wissen, mit wem ich an dem Tag arbeiten würde. Bei Frau Lotz habe ich mich gut aufgehoben gefühlt.

Ich war aber sehr gespannt, was auf mich zukommt. Ich habe mich natürlich vorher zumindest gedanklich auf diesen Tag eingestellt und versucht, vorherzusehen, mit was ich auf der Intensivstation konfrontiert werden kann. Und das war auch gut so.

Wie lief die Frühschicht auf der Station ab?

Martin Engelhardt: Die Prozesse auf der Intensivstation sind, und das müssen sie auch sein, klar strukturiert. Erster Durchlauf, Frühbesprechung und dann der eigentliche pflegerische Durchlauf. Bei allen Tätigkeiten durfte ich dabei sein und konnte mit anpacken. Genauso hatte ich mir das auch vorgestellt. Eben nicht nur zuschauen.

Welche Aufgaben durften Sie konkret übernehmen?

Martin Engelhardt: Naja, es begann mit dem Anreichen der pflegerischen Hilfsmittel, ging über die Unterstützung bei der Lagerung der Patientinnen und Patienten sowie deren Mobilisation bis hin zu den Tätigkeiten der Grundpflege für die Patienten, die ich dann auch mitgemacht habe. Spannend war auch die Dokumentation. Ich durfte erleben, wie hoch der Aufwand ist, die Vitalparameter der Patienten überhaupt nur im Auge zu behalten und sie dann auch noch in der Verlaufsdokumentation zu erfassen. Das läuft auf der Intensivstation noch per Hand. Als Pflegekraft müssen Sie permanent hellwach sein, damit Ihnen nichts durchrutscht. Ich habe wirklich den höchsten Respekt vor den Kolleginnen und Kollegen. Gut, dass wir Anfang 2023 das Patientendatenmanagementsystem (PDMS) auch auf der Intensivstation einführen. Damit wird der Dokumentationsaufwand, den die Kollegen heute leisten müssen, deutlich reduziert. Das führt zu einer konkreten Entlastung.

Haben Sie so etwas schon vorher mal gemacht?

Martin Engelhardt: Nein. Das war tatsächlich mein erster Tag, den ich komplett mit der Pflege in Arbeitsklamotten verbracht habe. Und es wird nicht der letzte sein.

Frau Lotz, was sind die schönen Seiten Ihres Berufs?

Beate Lotz: Auf der Intensivstation betreut man weniger Patienten, aber dafür ist der Pflege- und Überwachungsaufwand dort deutlich größer. Kein Tag ist dort gleich. Es ist nie langweilig. Am meisten freut man sich natürlich über die Erfolgserlebnisse, also wenn es einem Patienten wieder besser geht.

Und die weniger schönen Seiten?

Beate Lotz:  Der Personalmangel. Der Zeitmangel. Und wenn Kollegen schnell wieder gehen. Wir investieren viel Zeit in die Einarbeitung – und wenn dann jemand kündigt, geht das verloren. Das macht mich traurig. Ich würde mich freuen, wenn wir auf Dauer wieder mehr Menschen länger im Beruf halten könnten.

Was ist Ihnen bei der Ausübung Ihres Berufs besonders wichtig?

Beate Lotz: Mein Ziel als Pflegekraft sollte es sein, zusammen mit den anderen Berufsgruppen die Ressourcen des Patienten zu nutzen und ihn wieder zurück in ein eigenständiges Leben zu bringen. Im Alltag ist die persönliche Ansprache jedes Patienten und jeder Patientin wichtig – auch wenn er mir nicht antworten kann. Und man muss die Angehörigen immer mit ins Boot holen. Ein vertrautes Gesicht und eine vertraute Stimme sind für den Patienten unheimlich wichtig.

Was nehmen Sie beide aus diesem Tag mit?

Martin Engelhardt: Zwei Dinge haben mich sehr beeindruckt. Zum einen arbeiten die Mitarbeiter aller Berufsgruppen nicht nur sehr kollegial und unterstützend miteinander. Das muss man auf einer Intensivstation schon fast voraussetzen. Aber Ärzte, Pflegekräfte und Therapeuten arbeiten zudem auf maximaler Augenhöhe miteinander. Zumindest durfte ich das an diesem Tag erleben. Ich konnte spüren, dass auf der Intensivstation ein guter „Spirit“ herrscht. Alle arbeiteten Hand in Hand ohne jeden Anflug von Hektik. Ich habe an dem Tag allerdings auch keinen medizinischen Notfall miterlebt – zum Glück. Auf der Intensivstation habe ich erlebt, wie wichtig das Team ist.

Beate Lotz: Ich denke, es ist immer gut, über den Tellerrand zu schauen – für beide Seiten.  Vielleicht gelingt es uns so ein bisschen, die Interessen zusammenzubringen und den Austausch zu fördern. Wir alle gemeinsam sind wichtig für den Erfolg unserer Arbeit. Darum müssen wir zusammenarbeiten.

Frau Lotz, würden Sie sich über eine Wiederholung freuen?

Beate Lotz: Ja, auf jeden Fall. Gerne mehr, gerne öfter, gerne länger. Ein Tag Hospitation ist eigentlich zu wenig, um einen echten Einblick zu bekommen. Außerdem würden sich die anderen Stationen sicher auch über einen Besuch freuen.

Und Sie, Herr Engelhardt?

Martin Engelhardt: Die Schicht mitzulaufen, war für mich eine großartige Erfahrung und hat mir gezeigt, dass es wichtig ist, zumindest ab und zu vor Ort mitzuarbeiten. Natürlich ist das wegen meiner Aufgaben als Geschäftsführer nur selten möglich. Und mir ist natürlich auch bewusst, dass ich kein ganz normaler Praktikant bin … Trotzdem habe ich mir vorgenommen, alle sechs Monate in irgendeinem Bereich im Unternehmen mitzuarbeiten. Diese neue Perspektive ist extrem bereichernd und hilft mir sehr bei den vielen Entscheidungen, die zu treffen sind.

Autor/-in
Eva Jung