06 Nov Enge Abstimmung ist das A und O
Vitos Behandlung Zuhause für Kinder und Jugendliche: So arbeiten die mobilen Teams
Für Kinder- und Jugendliche, die in eine akute psychische Krise geraten, ist manchmal ein Klinikaufenthalt unumgänglich. In manchen Fällen kann es aber auch hilfreich sein, wenn die jungen Patient/-innen während der Behandlung in ihrem gewohnten Umfeld bleiben. Ein mobiles Behandlungsteam kommt dann zu den Kindern und Jugendlichen nach Hause. Wie sieht das Arbeiten in einem solchen Team aus? – Das liest Du in diesem Beitrag.
Victoria Krohn packt ihre Arzttasche: Medikamente, Blutdruckmessgerät, Stethoskop und Unterlagen für die Dokumentation. Auch der Laptop kommt mit. Sie ist auf dem Weg zu Lia. Die Zehnjährige, deren Namen wir aus Gründen der Vertraulichkeit für diesen Beitrag verändert haben, verlässt wegen ihrer Angststörungen kaum noch das Haus.
Behandelt Kinder und Jugendliche in deren häuslichem Umfeld: Victoria Krohn.
„Wir treffen uns heute bei Lia in der Wohnung“, erklärt die Ärztin, die für Vitos Behandlung Zuhause Marburg arbeitet. „Ich bespreche mit ihr, ob sie mit den Medikamenten, die sie nimmt, gut zurechtkommt und ob es ihr damit besser geht. Außerdem weiß ich von meiner Kollegin, die gestern vor Ort war, dass Lia momentan vermehrt unter Schlafstörungen leidet. Das wird sicher bei unserem Treffen auch noch einmal Thema sein.“
Die Behandler/-innen können den Alltag in die Behandlung einbeziehen
Für eine gute Behandlung muss die Kommunikation im Behandlerteam reibungslos funktionieren. „Das ist schon herausfordernd“, sagt Victoria Krohn. „Man arbeitet ja nicht gemeinsam am gleichen Ort. Jeder fährt alleine raus und muss in bestimmten Situationen alleine Entscheidungen treffen.“ Regelmäßige Teambesprechungen sind deshalb das A und O.
„Gleichzeitig ist das Besuchen der Patient/-innen zu Hause unser großer Vorteil: Der Fokus der Behandlung liegt in deren Lebensumfeld.“ Hier habe das Team die größten Chancen zu sehen, wo es hakt und könne einen guten Übergang in einen Alltag ohne Therapie schaffen. „Wir können Konflikte mit Bezugspersonen direkt nachbesprechen. Oder wir begleiten die Kinder und Jugendlichen in schwierigen Situationen: zum Beispiel beim Schulbesuch, die Älteren beim Beginn einer Ausbildung oder auch mal bei der Anmeldung und dem Gang ins Fitnessstudios. Man muss als Behandler immer spontan und kreativ sein, denn es gibt jeden Tag etwas Neues.“ Gerade das mache die Arbeit in der häuslichen Behandlung aber besonders spannend, findet Victoria Krohn.
Als Arbeitsfeld ist Behandlung Zuhause noch kaum bekannt
Neugier auf das Unbekannte. Das hat Anna Richter dazu motiviert, sich im Herbst 2023 für eine Stelle im Team von Vitos Behandlung Zuhause Eltville zu bewerben. „Ich war auf der Suche nach einer beruflichen
Anna Richter ist Erzieherin und arbeitet für Vitos Behandlung Zuhause Eltville.
Neuorientierung und neuen Herausforderung“, berichtet die ausgebildete Erzieherin. „Die Stellenanzeige ‚StäB‘ hörte sich mehr als interessant an und ich war neugierig, da mir diese Behandlungsform noch nicht bekannt war.“ StäB steht für „stationsäquivalente psychiatrische Behandlung“. Der Fachausdruck beschreibt, dass die Behandlung im häuslichen Umfeld eine gleichwertige Alternative zu einer stationären Behandlung ist.
Nach ihrer Einstellung arbeitete sich Anna Richter zunächst für ein paar Monate im stationären Bereich ein, bevor sie im Sommer 2024 ins Team von Behandlung Zuhause wechselte.
Die Arbeit im multiprofessionellen Team empfindet sie als spannende Bereicherung, die Aufgaben als abwechslungsreich und verantwortungsvoll. Ein typischer Tagesablauf sieht etwa so aus: „Wir besuchen die Patienten in der Regel zu Hause oder auch in der Schule. Wir besprechen Pflegevisiten, führen Expositionen durch, erstellen Strukturpläne und reflektieren sehr viel, um dann im Team zu erarbeiten, wie und woran wir mit dem Patienten arbeiten können.“ Anschließend werde der Besuch oder auch Telefonate dokumentiert.
Anna Richter gefällt an der Arbeit besonders die Nähe zu den Patientinnen und Patienten und deren sozialem Umfeld. Im Vergleich mit der Arbeit im stationären Setting fallen ihr weitere Vorteile ein: „Man ist selbstständiger in der eigenen Gestaltung und trägt auch viel Eigenverantwortung in der Arbeit mit den Patienten. Wir arbeiten hauptsächlich in der Eins-zu-eins-Betreuung. Jedes der Teammitglieder hat die Möglichkeit, eigene Ideen einzubringen. Ich denke, es ist wichtig, dass wir Mitarbeitenden uns wohl mit der Aufgabe fühlen, damit wir authentisch bleiben.“
Zwischen Eigenverantwortung und enger Abstimmung im Team
Arbeiten für Vitos Behandlung Zuhause bedeutet: Viel Eigenverantwortung einerseits, enge Abstimmung im Team andererseits. Neben der Behandlungsplanung gibt es viel Organisatorisches zu klären: Fahrten müssen geplant, Termine aufeinander abgestimmt werden. „Es gibt bei uns einen regen Austausch hinsichtlich der Behandlungsoptionen, aber auch hinsichtlich der Organisation“, sagt Luzi Santoso, die zum Team von Vitos Behandlung Zuhause Riedstadt gehört. „Jede Veränderung betrifft immer mehrere Personen gleichzeitig. Da ist beim gesamten Team viel Flexibilität gefragt“, ist die Erfahrung der Kinder- und Jugendpsychotherapeutin. Sie nennt ein Beispiel: Ist ein Patient beispielsweise an einem Psychotherapietag verhindert, kann der Termin nicht einfach verschoben werden, da sich dann die Planung für die ganze Woche verändert.
Luzi Santoso (Mitte) stimmt sich eng mit ihren Kolleg/-innen ab, hier mit Tina Happ und Michael Wegmann.
In der Vitos Kinder- und Jugendklinik für psychische Gesundheit Riedstadt ist die häusliche Behandlung ein Baustein eines bundesweiten Modellprojekts. Es ermöglicht flexiblere Übergänge zwischen verschiedenen Behandlungsformen: Immer mit Blick darauf, was die jungen Patient/-innen gerade brauchen, kann das eine ambulante, tagesklinische, stationäre oder eine häusliche Behandlung („Hometreatment“) sein. Um die Behandlung bestmöglich zu koordinieren, trifft sich das Team der Vitos Kinder- und Jugendklinik für psychische Gesundheit Riedstadt einmal in der Woche. Im Multifunktionsraum der Klinik kommt dann das gesamte multiprofessionelle Team zusammen: eine Fachärztin, eine approbierte Psychotherapeutin, die Stationsleitung sowie Mitarbeitende des Sozialdienstes. Im Rahmen von Expositionsübungen – zum Beispiel bei Patient/-innen zur Angstbewältigung – gibt es zusätzliche Besprechungen mit dem gesamten Team der Station, also dem Pflegeteam, den Spezialtherapeutinnen und dem Sozialdienst. „Unsere Zusammenarbeit setzt Verständnis und Respekt sowie Wertschätzung für die Profession des jeweils anderen voraus, damit das therapeutische Arbeiten gelingen kann“, sagt Santoso. Die Expertise jedes Einzelnen sei gefragt und dringend nötig, um sich gegenseitig bestmöglich zu unterstützen – zum Wohl der jungen Patientinnen und Patienten.
Hintergrund:
Vitos bietet die Behandlung im häuslichen Umfeld bereits seit einigen Jahren für psychisch erkrankte Erwachsene an. Inzwischen gibt es hessenweit zwölf mobile Behandler-Teams. Seit einiger Zeit gibt es „Vitos Behandlung Zuhause“ auch für psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche. Inzwischen gibt es hessenweit bereits fünf Teams, die psychisch erkrankte Kinder und Jugendliche in ihrem gewohnten häuslichen Umfeld behandeln: in Marburg, Kassel, Herborn, Eltville und Riedstadt.
Mehr Infos zu Vitos Behandlung Zuhause in der Kinder- und Jugendpsychiatrie findest Du hier.
Du bis Fachkraft im Gesundheits- und Sozialwesen und könntest Dir vorstellen, in einem unserer mobilden Teams mitzuarbeiten? – Dann besuche gerne unser Karriereportal.
Autorinnen dieses Beitrags: Lisa Ferfers, Katharina Huhn und Susanne Richter-Polig.
