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Familienleben im Shutdown

„Wir müssen jetzt das Beste daraus machen“

Das Coronavirus und seine Folgen stellt Familien vor enorme Herausforderungen: Schulen, Kindergärten, Spielplätze sind geschlossen. Das Vereinsleben liegt bracht, Verabredungen mit Freunden sind ausgesetzt. Die Eltern müssen irgendwie den Arbeitsalltag organisieren – und nebenbei die Betreuung, Beschulung und Beschäftigung der Kinder.

Wie das Familienleben auch im Shutdown funktionieren kann, lässt sich von den Profis abschauen. Zum Beispiel von Sara Bettini, Erzieherin bei der Vitos Jugendhilfe. Derzeit organisiert sie in der Wohngruppe Walsdorf gemeinsam mit zwei Kollegen den Alltag von neun Kindern im Alter zwischen neun und 17 Jahren.

Den Alltag strukturieren

„Auch wenn die Kinder keine Schule haben, muss der Alltag irgendwie strukturiert werden. Ich würde Familien in der jetzigen Situation empfehlen, sich einen Plan für den Tagesablauf zu machen. Man kann dafür ein schönes Plakat gestalten und es dann an einem zentralen Ort aufhängen – im Flur, in der Küche oder im Wohnzimmer.

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Der Tagesplan sieht feste Zeiten zum Lernen vor.

Hier in der Wohngruppe haben wir gemeinsam mit den Kindern einen Tagesplan erstellt, der für die nächste Zeit gilt. Wir haben uns darauf geeinigt, dass die Kinder länger schlafen können als an einem normalen Schultag – es ist ja Quatsch, dass sie morgens um sieben schon am Küchentisch sitzen. Aufstehzeit ist jetzt zwischen 9 und 10 Uhr. Die Kinder können dann in Ruhe aufstehen, sich fertigmachen, frühstücken, ihr Bett machen und ihr Zimmer aufräumen.

Von 10 bis 12 Uhr haben wir eine Lernzeit angesetzt, in der die Kinder die Aufgaben erledigen, die sie von der Schule bekommen haben. Natürlich ist in dieser Zeit eine kurze Pause möglich, in der sie auch mal raus in den Garten gehen können. Um 12 Uhr gibt es Mittagessen. Anschließend haben die Kinder eine Pause. Für den Nachmittag haben wir dann nochmal eineinhalb Stunden zum Lernen eingeplant. Der Rest des Tages ist Freizeit, die wir gemeinsam gestalten. Ich finde es wichtig, dass wir Erzieher uns dann wirklich intensiv mit den Kindern beschäftigen. Das ist auch ein Tipp, den ich Familien geben kann: Die freie Zeit für gemeinsame Aktivitäten zu nutzen.

Der neue Alltag bietet Chancen

Der Alltag ist jetzt ein anderer – und das bietet auch Chancen. Es ergeben sich neue Zeitfenstern, in der man Dinge mit den Kindern machen kann, die sonst vielleicht zu aufwändig wären. Ich habe beispielsweise meine Nähmaschine mit in die Wohngruppe gebracht und bringe den Kindern das Nähen bei. Die haben damit einen Heidenspaß! Unser erstes Nähprojekt ist ein Mundschutz aus Baumwolle. Außerdem habe ich für die Kinder neue Spiele besorgt, vor allem für den Garten, damit nochmal ein bisschen Abwechslung in den Alltag kommt.

Auch für uns Erzieher bedeutet diese Situation eine Umstellung: Die Vormittage verbringen wir sonst üblicherweise mit Büroarbeit oder hauswirtschaftlichen Tätigkeiten. Das sieht jetzt natürlich ganz anders aus. Hinzu kommt, dass Kollegen krank sind. In unseren Diensten – sie beginnen um 13 Uhr und dauern 24 Stunden, wobei wir nachts Bereitschaft haben – sind wir deshalb im Moment mit den Kindern alleine. Aber sie haben Verständnis, wenn ich mal für eine halbe Stunde ins Büro muss, um Telefonate zu führen oder E-Mails zu beantworten. Ich finde es auch vertretbar, den Kindern in Ausnahmefällen mal für eine halbe Stunde den Fernseher einzuschalten. Das ist gerade in solchen außergewöhnlichen Zeiten legitim.

Gespräche helfen, das Verständnis zu wecken

Für die Kinder fällt im Moment viel weg: Sie können nicht auf den Spielplatz, nicht zum Fußballtraining, sich nicht mit ihren Freunden treffen. Es gibt Momente, in denen sie deshalb sehr enttäuscht sind. Ich finde es wichtig, den Kindern die Situation immer wieder zu erklären. Das weckt ihr Verständnis und hilft ihnen, mit dieser Situation besser umzugehen.

Der Alltag ist im Moment für uns alle neu und ungewohnt. Gerade, wenn die Kinder überwiegend zu Hause sind, müssen sie sich untereinander gut arrangieren. Es ist unsere Aufgabe, sie in Gesprächen zu sensibilisieren und damit die gegenseitige Rücksichtnahme zu fördern. Unser aktuelles Motto lautet: Wir müssen das Beste daraus machen! Das hilft, positiv an die Situation heranzugehen. Es wird nicht alles perfekt klappen – aber da sollten wir uns jetzt alle nicht verrückt machen.“

Zur Einrichtung: Die Wohngruppe Walsdorf in Idstein ist ein Angebot der Vitos Jugendhilfe [2]. In der Einrichtung leben bis zu zehn Kinder und Jugendliche, die dort aus sehr unterschiedlichen Gründen untergebracht sind. Die Einrichtung betreut einen Teil der Kinder vollstationär, also auch am Wochenende. Die anderen Kinder gehen am Wochenende nach Hause zu ihren Familien.

Bildquelle: Vitos