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Glücklich sein – alles eine Frage der Übung?

Wie man dem Gehirn das positive Denken beibringt

Glücklich sein – will das nicht jeder? Doch was bedeutet Glück überhaupt? Und warum haben wir manchmal das Gefühl, dass das Streben nach Glück nicht zum Ziel führt, uns sogar unglücklich macht? Eins vorweg: Glück kann kein Dauerzustand sein. Kein Mensch ist immer glücklich. Doch wir können unser Gehirn trainieren, unsere Umwelt aus einem anderen, einem glücksfördernden Blickwinkel wahrzunehmen.

Glück lässt sich nicht definieren

Was ist eigentlich Glück? Fragt man fünf verschiedene Menschen, wird man wahrscheinlich fünf unterschiedliche Antworten erhalten. Für den einen ist Glück gleichzusetzen mit Wohlbefinden oder Lebenszufriedenheit. Ein anderer sieht darin vor allem den Lustgewinn, beziehungsweise die Vermeidung von Unlust. Glückempfinden ist sehr individuell. Es ist sozusagen das subjektive Wohlbefinden des Einzelnen.

Man kann nicht immer glücklich sein

Glück ist kein überdauernder Zustand. Wer danach strebt, permanent glücklich und zufrieden zu sein, muss zwangsläufig scheitern und wird auf Dauer unglücklich. Glück [1] ist etwas Kurzfristiges. Und würden wir das Glück überhaupt zu schätzen wissen, wenn es immer und überall wäre? Ich denke Glück ist vergleichbar mit Gesundheit. Meist sind wir gesund. Wenn wir dann aber doch mal krank sind, wissen wir unsere gesunden Stunden umso mehr zu schätzen.

Manche Menschen meinen, nur wer etwas Schlimmes erlebt hat, kann wirklich wertschätzen, wie gut es ihm eigentlich geht, wie viel Glück er eigentlich hat. Ich denke nicht, dass das stimmt. Schlimme Erlebnisse können den Blick auf die Dinge natürlich ändern. Sie können auch dabei helfen, dankbarer für das zu sein, was man hat. Aber auch Menschen, die wohl behütet aufgewachsen sind und keinen Verlust oder Ähnliches erleben mussten, sind natürlich in der Lage, wirklich glücklich zu sein.

Warum fällt es manchen Menschen leichter, glücklich zu sein?

Das Phänomen kennt wohl jeder. Da gibt es den Kollegen im Büro, der ist ein echter Sonnenschein. Er ist scheinbar immer gut drauf, sieht stets das Positive in den Dingen und lässt sich von Nichts aus der Ruhe bringen. Man selbst fühlt sich dann oft ertappt, wenn man mal wieder über negativen Gedanken brodelt oder sich schwertut, das gute Wetter als Anlass zu nehmen, den ganzen Tag mit einem Grinsen auf dem Gesicht herumzulaufen. Dass positives Denken manchen Menschen leichter fällt als anderen, hat etwas mit der menschlichen Kognition zu tun. Jeder Mensch verarbeitet die Erfahrungen, die er macht in seinem Gehirn auf unterschiedliche Weise. Hier möchte ich kurz den Begriff der Resilienz erläutern. Resilienz bedeutet psychische Widerstandskraft. Die ist bei jedem Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt. Meint: Nicht jeder Mensch, der in seiner Kindheit traumatische Erfahrungen gemacht hat, entwickelt daraus eine posttraumatische Belastungsstörung. Mit dem Glücksempfinden ist es ganz ähnlich. Je nachdem, wie unser Gehirn strukturiert ist, fällt es uns leichter oder eben schwerer, das Positive in den Dingen zu sehen.

Think positiv – Das Gehirn lässt sich trainieren

Alles, was wir nur lange genug üben, verfestigt sich irgendwann und wird automatisiert. So ist es auch mit einer negativen Weltsicht. Haben wir uns angewöhnt, stets das Schlechte in der Welt zu sehen, und immer das Schlimmste zu erwarten, dann haben wir die Strukturen in unserem Gehirn dahingehend trainiert. Die Verknüpfungen, die dadurch im Gehirn entstanden sind, lassen sich auch wieder umkehren. Allerdings erfordert das viel Übung. In der Verhaltenstherapie nennen wir diesen Prozess kognitive Umstrukturierung. Unsere Patienten üben dabei, ihre Bewertung bestimmter Situationen zu verändern.

Das ABC-Schema

A steht für einen Auslöser, B für einen Gedanken (Belief) und C für eine Konsequenz (Consequences). Ein Beispiel: Ein Mann sitzt in der Straßenbahn. Eine Frau, die ein paar Plätze weiter sitzt, sieht immer wieder zu ihm rüber (Auslöser). Sein Gedanke: Oh nein, sie mustert sicher meine Geheimratsecken. Die Konsequenz: Der Mann fühlt sich unwohl und sein Selbstwertgefühl sinkt. Während der Therapie lernen meine Patienten, wie sie Auslöser mit anderen Gedanken verknüpfen können. So kann es genauso gut sein, dass die Frau nur deshalb rüber schaut, weil Sie meint, den Mann von irgendwoher zu kennen. Dann wäre das Gefühl neutral. Oder die Frau findet den Mann attraktiv, dann wäre das Gefühl sogar ein positives, das Selbstwertgefühl steigerndes. Es kommt immer auf den Blickwinkel an, den man einnimmt. Es geht nicht darum, sich alles schön zu reden. Vielmehr darum, seine festgefahrene Denkweise zu verlassen und offen für alternative Gedanken zu sein. Das ist immer auch ein Prozess des Bewusstwerdens. Erst muss ich verstehen, dass ich die Dinge, die mir widerfahren, negativ bewerte und daraus für mich negative Konsequenzen resultieren. Die Entwicklung von Alternativgedanken, die zu alternativen Konsequenzen führen, ist Teil des Trainings.

Achtsamkeit im Alltag

Es gibt noch eine Übung, die wir täglich machen können, um unser Wohlbefinden zu steigern. Dabei geht es um Achtsamkeit [2]. Wer im Hier und Jetzt lebt und den Moment bewusst genießt, der kann über den Tag verteilt viele kleine Glücksmomente sammeln. Jedem passiert täglich irgendetwas Schönes. Man muss es sich nur bewusst machen. Sei es der herzliche Gruß des Nachbarn am frühen Morgen, der glitzernde Tau auf der Wiese auf dem Weg zur Arbeit, das Kompliment des Kollegen zum neuen Outfit oder auch einfach das freundliche Lächeln des Supermarktmitarbeiters an der Kasse. Wer sich der schönen Dinge des Alltags noch bewusster werden will, kann auch ein Glückstagebuch schreiben. Darin hält man alle schönen Erlebnisse des Tages fest. Am besten abends vor dem Einschlafen. Das vertreibt negative Gedanken und lässt uns besser zur Ruhe kommen.