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Haut und Psyche: Allianz mit Folgen

Prof. Dr. Uwe Gieler über die Psychodermatologie in der Vitos Klinik für Psychosomatik Gießen

In einer Welt, in der makellose Haut das Schönheitsideal ist, haben es Menschen mit Hauterkrankungen oft schwer. Vor allem chronisch-entzündliche Varianten wie Neurodermitis, Schuppenflechte oder Nesselsucht sorgen nicht nur für starke körperliche Symptome mit Juckreiz und Schmerzen, sondern sind für die tägliche Bewältigung der Betroffenen eine große Herausforderung. Sie können auch zur psychischen Belastung durch Stigmatisierung werden, wenn sie an für alle sichtbaren Stellen auftreten. Prof. Dr. Uwe Gieler, Klinikdirektor an der Vitos Klinik für Psychosomatik Gießen, ist Experte auf dem Gebiet der Psychodermatologie und weiß um die enge, wechselseitige Verbindung zwischen Haut und Psyche.

Herr Prof. Gieler, wie kommt man als Dermatologe dazu, auch in das Fachgebiet Psychosomatik einzutauchen und so die Themen Haut und Psyche miteinander zu verbinden?

Prof. Dr. Gieler: Es gibt viele Menschen mit Hauterkrankungen, die sagen: „Ich werde damit nicht fertig. Ich schaffe es nicht, ins Schwimmbad zu gehen oder mich mit anderen Menschen zu treffen, weil es sichtbar ist, was ich habe. Es ist schrecklich und ich bin stigmatisiert.“ Das kommt so regelmäßig vor, dass ich mich immer gefragt habe, warum das eigentlich nicht alle Menschen erkennen. Der Zusammenhang zwischen Haut und Psyche wurde von der Medizin in der Vergangenheit immer angezweifelt, weil man gesagt hat, Hautkrankheiten sind „nur“ erblich oder werden – wenn überhaupt – durch Infektionen ausgelöst. Das hat mich angespornt, wissenschaftlich zu beweisen, dass Stressfaktoren tatsächlich in die Haut kommen. Heute können wir zumindest bei einigen Erkrankungen sehr klar sagen, warum emotionale Reaktionen im Gehirn auch in unterschiedlichen Reaktionen in der Haut landen. Dabei geht es um Nerven-Botenstoffe. Sie sind bei Menschen mit Hauterkrankungen im Vergleich zu Gesunden in Stresssituationen verändert. Die Forschung der Psychoimmunologie hat in den letzten zehn Jahren hier wesentliche Fortschritte gemacht.

Trifft das auf alle Hauterkrankungen zu?

Prof. Dr. Gieler: Grundsätzlich ja. Beim Fußpilz zum Beispiel wird man aber nicht sofort darauf kommen, dass er mit Stress zu tun hat. Wobei das auch in seltenen Fällen möglich ist. Zum Beispiel, wenn sich Menschen übertrieben damit beschäftigen. Man kann jedoch selbst da, wo eine klare genetische Grundlage für eine Hauterkrankung vorliegt, davon ausgehen, dass es psychosomatische Zusammenhänge gibt. Das gilt insbesondere für die chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen, also Nesselsucht, Schuppenflechte, Neurodermitis oder Akne und Akne inversa. Sie haben auf jeden Fall einen psychischen Einfluss. Wir nennen das Provokationsfaktor. Die Psyche ist ein Provokationsfaktor, der die Erkrankung verschlechtert.

Es gibt verschiedene Typen von Betroffenen: Die einen leiden unter einer chronischen Hauterkrankung und sind dadurch psychisch belastet. Die anderen haben eine psychische Erkrankung, die zu Hautproblemen führt. Wie unterscheidet sich die therapeutische Herangehensweise?

Prof. Dr. Gieler: Hier kommt es – wie gesagt – auf die Art der Erkrankung an. Es gibt zum Beispiel Menschen, die keine Hauterkrankung haben, aber aufgrund einer psychischen Störung ständig an ihrer Haut zupfen oder knibbeln, wenn sie unter Spannung stehen (medizinisch: Skin Picking). Oder es gibt den sogenannten Dermatozoenwahn (Anm.: die Vorstellung, dass die Haut von Parasiten befallen sei). Das ist ein Wahn, also eine klare psychiatrische Erkrankung aus dem Spektrum der Psychosen. In diesen Fällen würde man sich auf die psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung dieser Störung konzentrieren.

Sehr häufig finden wir in der Psychodermatologie aber die erwähnten chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen. Hier geht man davon aus, dass die Patienten bereits eine passende dermatologische Therapie haben. Das ist für die psychosomatische Behandlung wichtig, da man eine gute Compliance herstellen muss. Das heißt, dass die Patienten die Empfehlungen ihres Arztes auch umsetzen und die verschriebenen Medikamente tatsächlich nehmen. Selbst da ist schon viel Psyche im Spiel, weil es teils Ängste vor schädlichen Folgen von Medikamenten gibt. Wenn Faktoren wie ein Stigmatisierungserleben, soziale Phobien oder Depressionen auftreten, würde man hier psychotherapeutisch ansetzen.

Was raten Sie Menschen mit einer Hauterkrankung, die sehr darunter leiden?

Prof. Dr. Gieler: Immer, wenn eine Hauterkrankung zu psychischen Problemen führt, die über das „normale“ Maß hinausgehen, ist eine Behandlung angezeigt. Das kann zum Beispiel eine depressive Verstimmung mit klaren Symptomen wie Schlafstörungen oder Energielosigkeit sein, die über einen längeren Zeitraum (mehrere Wochen) anhalten. Auch wenn man sich selbst in seinem Alltag durch die Hauterkrankung stark beeinträchtigt fühlt, wenn man zum Beispiel Freunde verliert, weil man sich sozial zurückzieht, ist es wichtig, sich professionelle Hilfe zu holen.