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„Ich möchte Menschen dabei unterstützen, ihre Lebensziele zu verwirklichen“

Meine Arbeit als Heilerziehungspflegerin bei den Vitos begleitenden psychiatrischen Diensten Hadamar

Heilerziehungspflege ist ein Beruf, den man von ganzem Herzen macht, sagt Rania Acar. Die gebürtige Syrerin kam 2012 nach Deutschland. Seit August 2020 absolviert sie das letzte Ausbildungsjahr als Heilerziehungspflegerin in den besonderen Wohnformen der Vitos begleitenden psychiatrischen Dienste Hadamar. Im Interview berichtet sie, warum ihr der Job so viel Freunde macht und welche Herausforderungen die tägliche Arbeit mit psychisch kranken Menschen mit sich bringt.

Anna Pfläging: Was genau macht eine Fachkraft für Heilerziehungspflege?

Rania Acar: Ich bin für die pädagogische und pflegerische Unterstützung und Betreuung von Menschen mit Behinderungen und/oder psychischen Erkrankungen zuständig. Ich begleite Menschen mit Unterstützungsbedarf in allen Lebensbereichen wie Arbeit, Freizeit, Wohnen und Bildung. Selbstbestimmung, Zugehörigkeit und Teilhabe sind wichtige Ziele meiner Arbeit.

Anna Pfläging: Warum haben Sie sich für eine Ausbildung als Heilerziehungspflegerin entschieden?

Rania Acar: Ich bin erst seit 2012 in Deutschland. Ich habe in Syrien Englisch auf Lehramt studiert und anschließend zwei Jahre Englisch in einer Grundschule unterrichtet. Mein Abschluss wurde hier leider nicht anerkannt. Mir war es dennoch wichtig, in Deutschland schnellstmöglich wieder zu arbeiten. Auch, um meine Sprachkenntnisse zu verbessern. Anfangs war ich ehrenamtlich bei einer Stiftung tätig. Dadurch habe ich den Beruf der Fachkraft für Heilerziehungspflege kennengelernt. Heilerziehungspflege ist ein Beruf, den man von ganzem Herzen macht. Den Gedanken, Menschen dabei zu begleiten und zu unterstützen, ihre Lebensziele zu verwirklichen, fand ich sofort interessant. Meine schulische Berufsausbildung habe ich in der Adolf-Reichwein-Schule in Limburg absolviert. Durch verschiedene Praktika habe ich schon im ersten Ausbildungsjahr Einblicke in den pflegerischen und den pädagogischen Bereich bekommen. Die Ausbildung dauerte insgesamt drei Jahre.

Anna Pfläging: Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Rania Acar: Ich arbeite im Wechselschichtbetrieb mit Menschen mit psychischen Erkrankungen. Die Frühschicht beginnt um 5:40, der Spätdienst um 13:40. Manchmal habe ich Tagesdienst von 09:30 bis 18:00 Uhr. Morgens wecke ich die Bewohner und Bewohnerinnen. Anschließend gehen sie zur Arbeitstherapie. Ich begleite und unterstütze die Klienten individuell in ihrem Alltag. Ich nehme zum Beispiel mit ihnen gemeinsam ihre Arzttermine wahr. Zu meinen Aufgaben gehört auch die Hauswirtschaft. Ich bereite gemeinsam mit den Bewohnern die Mahlzeiten vor oder unterstütze sie dabei, ihre Betten frisch zu beziehen. Außerdem unterstütze ich sie bei der täglichen Körperhygiene und vielen weiteren Aufgaben, die zum Alltag gehören. Meine Klienten und Klientinnen erleben so möglichst viel Normalität und Selbstbestimmung. Jeder Tag läuft anders ab. Es wird nie langweilig.

Anna Pfläging: Was macht Ihnen an Ihrem Job besonders viel Spaß?

Rania Acar: Besondere Freude bereitet mir der Umgang mit Menschen und dass ich so viel Herzblut in meine Arbeit einbringen kann. Ich kann Menschen mögliche Lebenswege aufzeigen, damit sie dann selbst eine Entscheidung treffen können. Ich bevormunde nicht, sondern begleite und unterstütze. Der Mensch mit Unterstützungsbedarf steht mit seinen Bedürfnissen immer im Mittelpunkt. Sein Selbstwertgefühl und seine Selbstständigkeit zu stärken, ist meine Aufgabe. Ich fühle mich mit meiner Berufswahl sehr wohl.

Anna Pfläging: Wo liegen die Herausforderungen?

Rania Acar: Wenn man selbst mal einen schlechten Tag hat, ist es anstrengend, immer geduldig zu sein, sein Gegenüber zu motivieren und gute Laune zu versprühen. Auch die Trennung zwischen Privat- und Arbeitsleben ist nicht immer leicht. Die Schicksale der Klienten gehen mir teilweise schon sehr nah. Manchmal denke ich dann auch nach Feierabend noch über das eine oder andere nach. Und natürlich ist der Umgang mit Klienten und Klientinnen, die sich herausfordernd verhalten, nicht immer einfach.

Anna Pfläging: Welche Eigenschaften sollte jemand mitbringen, der sich für eine Ausbildung interessiert?

Rania Acar: Spaß am Umgang mit Menschen, Empathie und Verantwortungsbereitschaft sind unerlässlich. Man sollte außerdem gut organisieren können, zuverlässig sein und gerne im Team arbeiten. Konflikte muss man aushalten können. Eine gute Portion Geduld ist ebenfalls wichtig, genau wie psychische Belastbarkeit.

Anna Pfläging: Eignet sich diese Ausbildung auch für Quereinsteiger?

Rania Acar: Ja, auf jeden Fall. Man braucht mindestens die mittlere Reife oder ein gleichwertiges anerkanntes Zeugnis. Außerdem ist ein Abschluss als staatlich geprüfter Sozialassistent oder die erfolgreiche Teilnahme einer Feststellungsprüfung mit Berufsabschluss nötig.

Infobox: Der Beruf des Heilerziehungspflegers/der Heilerziehungspflegerin kommt hauptsächlich in der Behindertenhilfe vor. Seit diesem Jahr dürfen Heilerziehungspfleger/-innen auch in der Jugendhilfe arbeiten und werden als Fachkräfte anerkannt.

Seit fast 20 Jahren besteht eine enge Kooperation zwischen der Adolf Reichwein Schule Limburg, Fachschule für Sozialpädagogik und der Vitos Jugendhilfe sowie der Behindertenhilfe Region Idstein. Im Jahr 2019 wurde diese Kooperation auf die anderen Regionen der Behindertenhilfe Weilmünster, Herborn und Riedstadt ausgeweitet. Insbesondere in der Jugendhilfe haben nahezu 75 % der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Ausbildung dort absolviert.