
12 Apr. Kegelbahn, Hunde und Wackeltürme – Wer soll das bezahlen?
Fundraising bei Vitos Herborn
Als mein Chef mich im Herbst 2013 fragte, ob ich mir vorstellen könnte, für Vitos Herborn und Vitos Weil-Lahn das Thema Fundraising zu übernehmen, konnte ich mit dem Begriff zuerst nicht viel anfangen. Aber nach etwas Einarbeitung und Recherche fand ich die ‚Beschaffung von zusätzlichen finanziellen Ressourcen‘ für Kliniken – hier geht es hauptsächlich um Spenden und Fördergelder, zunehmend spannender. Da es beim Fundraising viele Schnittstellen mit der Unternehmenskommunikation gibt, habe ich gerne zugesagt.
Meine Aufgabe als Fundraiserin bei Vitos beginnt damit, zu schauen, welche Förderbedarfe unsere Kliniken haben. Welche Förderprojekte gibt es? Wofür benötigen sie zusätzliche Gelder beziehungsweise Spendenmittel. Aus dem Budget der Krankenkassen finanzieren wir überwiegend Regelleistungen. Wie wir es ja auch aus dem privaten Bereich kennen. Alle Extras muss man trotz Zahlung des monatlichen Sozialversicherungsbeitrags aus eigener Tasche bezahlen.
Möchten unsere Kliniken also Therapien anbieten, die nicht von den Krankenkassen finanziert werden, weil sie aus der Regelbudgetierung fallen, können wir diese nur mittels Spenden, speziellen Förderungen durch Institutionen oder Stiftungen finanzieren und umsetzen.
Diese therapeutischen Projekte sind für die Genesung unsere Patientinnen und Patienten in der Psychiatrie oft besonders förderlich, weil sie direkt auf bestimmte Bedürfnisse von ihnen ansprechen. Hier fallen mir spontan unsere Projekte in der Kinder- und Jugendklinik für psychische Gesundheit Herborn ein. Dort gibt es jährlich ein Kunstprojekt für die Kinder und Jugendlichen, die in den Osterferien nicht nach Hause fahren können. Oder das Theaterprojekt, für das wir wöchentlich einen Schauspieler engagiert hatten. Er hat gemeinsam mit den jungen Patient/-innen Theaterstücke geschrieben, einstudiert und am Ende aufgeführt. Bei diesem Projekt lernten die jungen Menschen, ihr Erlebtes im Theaterstück miteinzubringen und Gefühle und Stimmungen mit Gesten auszudrücken. Etwas, das sie mit Worten manchmal nicht ausdrücken können oder das ihnen sehr schwerfällt.

Theaterprojekt für Kinder und Jugendliche
Therapie mit Tieren
Einen großen Bereich der Förderprojekte in unseren psychiatrischen Kliniken macht die tiergestützte Therapie aus. Auch wenn die therapeutischen Erfolge inzwischen offiziell anerkannt sind, finanzieren die Krankenkassen sie nicht oder nur in seltenen Ausnahmen. Umso wichtiger ist es dann, über unabhängige finanzielle Mittel zu verfügen. Bei der tiergestützten Therapie hatten wir schon alle möglichen Tiere, wie Hunden, Hühner, Ziegen oder Vögel, Hamster und Hasen. Die finanzielle Unterhaltung der kleineren Tieren läuft meist nebenher und wird über den Sozialetat finanziert. Für unsere Hippo-Therapie, das ist die Reittherapie, die wir schon seit vielen Jahren regelmäßig anbieten, benötigen wir jedoch regelmäßig eine größere Summe an Spendengeldern. Nämlich dann, wenn ein Pferd aus Altersgründen nicht mehr eingesetzt werden darf und wir ein neues Therapiepferd benötigen.
Schon seit mehreren Jahren bieten wir Dank regelmäßiger Spenden auf unseren gerontopsychiatrischen Stationen Hund-gestützte Therapien als Einzel- und Gruppenstunden an. Dafür kommt wöchentlich ein ausgebildeter Therapiehund mit seinem Frauchen auf die Station. Die Freude, die unseren Patientinnen und Patienten bei den Besuchen des Therapiehundes auf dem Gesicht abzulesen ist, spricht für sich.
Wilde Türme
Eine gute Möglichkeit beim Fundraising sind Spendenmailings. Als unsere Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik, damals hieß sie noch Klinik Rehberg, für das Außengelände einer der Stationen einen neuen Kletterturm benötigten, habe ich ein Mailing vorbereitet. Dem Projekt gaben wir den Namen ‚Wilde Türme‘. Einmal, weil der gewünschte Kletterturm mit seinen Seilen nicht starr ist, sondern beim Klettern durchaus ‚wackeln‘ und ‚wild‘ sein kann. Zum anderen prägen sich besondere Projektnamen besser ein und bleiben den Angesprochenen besser im Gedächtnis. Auch wenn man für ein Projekt einen Förderantrag stellt, kommen die Projekte mit einem besonderen Namen viel öfter in die engere Auswahl. Ganz einfach, weil sie eher auffallen. Ich bin überzeugt, dass wir nur die Hälfte an Spenden bekommen hätten, hätten wir das Projekt nur ‚Spielgerät‘ genannt. Wie man auf dem Foto erkennen kann, fördert der Kletterturm das Gleichgewichthalten und Balancieren. Alle diese Informationen und warum die Kinder der Klinik einen neuen Spielturm benötigen, habe ich in einen Flyer gepackt und an hiesige Firmen, Förder-Clubs und Privatpersonen geschickt. Innerhalb kurzer Zeit hatten wir die noch fehlenden 7.200 € zusammen und konnten das Spielgerät kaufen.

Wackelturm
Vom Massagestuhl bis zum Kicker-Tisch
Die Wunschlisten der Kliniken sind ganz vielseitig. Manchmal wünscht sich das Klinikteam für die Patient/-innen auch ganz banale Sachen wie neues Spielzeug, einen Massagestuhl, einen Grillplatz oder einen Kicker-Tisch. Meine Aufgabe ist es dann, zu schauen, ob wir noch über Gelder in unserem Spendentopf verfügen oder ob ich aktiv um Spenden werben muss.
Glücklicherweise bekommen wir seit vielen Jahren jährlich eine größere Summe von der Stiftung eines in der Region bekannten Unternehmens, wovon wir viele regelmäßige Projekte umsetzen können.

Kegelbahn
Vor zwei Jahren bekamen wir einen Nachlass von einem ehemaligen Patienten und konnten davon verschiedene größere Sonder-Projekte finanzieren. Das war wirklich klasse und so etwas freut eine Fundraiserin immer ganz besonders. Man kennt ja die Wünsche der Kliniken, die wir aber dann, aufgrund von fehlenden Geldern, hintenanstellen müssen. Nun war Einiges möglich! Ein großes Projekt war die Renovierung unserer Kegelbahn, die wirklich in die Jahre gekommen war. Jetzt konnten wir sie von Grund auf sanieren und neu einrichten. Das Ergebnis kann sich sehen lassen! Wir freuen uns mit unseren Patient/-innen und Klient/-innen, die nun in diesem schönen und angenehmen Ambiente gemeinsam Zeit verbringen können.
Als die Corona-bedingten Einschränkungen kamen, konnten wir von dem Nachlass auch einige Outdoor-Sportgeräte anschaffen und unseren Patient/-innen so ermöglichen, sich ohne Ansteckungsgefahr an der frischen Luft zu bewegen. Als die Sportangebote auch wieder innen stattfinden konnten, haben wir von dem Nachlass noch den Bewegungsraum der Vitos Klinik für Psychosomatik Herborn mit einem übergroßen Wandspiegel bestückt. Dort soll künftig wieder die zwischenzeitig ausgesetzte Tanztherapie stattfinden.
Beim Fundraising finde ich es spannend und auch bewegend zu sehen, wie großzügig viele Menschen oder Firmen spenden. Bei großen Spendenmarathons oder –shows kann man das immer sehr gut beobachten. Wenn Menschen davon erfahren, dass etwas benötigt wird, was wirklich wichtig und notwendig ist, möchten sie gerne helfen und unterstützen. Ein Grund, warum es mir leichtfällt, um Spenden zu werben. Weil ich weiß, dass Leute gerne geben, wenn sie wissen, um was es geht. Eine tolle Sache.