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„Körpersprache ist eindeutig“

Trainerin des Deeskalationsprogramms PART berichtet über Fortbildung mit Samy Molcho

Worte können in die Irre führen, die Sprache des Körpers nicht. „Körpersprache ist immer eindeutig. Und sie lügt nicht“, sagt Fachkrankenpflegerin Dorothea Happel. Als Trainerin des Deeskalationsprogramms PART vermittelt sie ihren Kolleginnen und Kollegen, wie sie im Klinikalltag mit herausfordernden Situationen umgehen können. Körpersprache spielt dabei eine große Rolle. Bei einer Fortbildung mit Schauspieler und Buchautor Samy Molcho gab es für sie und ihre beiden Kolleginnen Sandra Trusheim und Christina Bitter von Vitos Herborn nun einen vertiefenden Einblick in das Thema. Darüber berichtet Dorothea Happel hier.

Herausfordernde Situationen können sich im klinischen Alltag einer Psychiatrie immer wieder ergeben. Als PART-Trainerin ist es meine Aufgabe, meine Kolleginnen und Kollegen gut darauf vorzubereiten. Sie sollen gefährliches Verhalten frühzeitig erkennen und entsprechend handeln können. Ziel ist eine gewaltfreie Behandlung und der Schutz aller Beteiligten. Bei Vitos Herborn durchlaufen alle Kolleg/-innen dieses Deeskalationstraining, auch die Mitarbeiter/-innen aus patientenfernen Bereichen.

25 Jahre PART in Deutschland – Tagung mit Gastredner Samy Molcho

Im Gespräch mit Samy Molcho

Inzwischen gibt es PART seit 25 Jahren in Deutschland. Aus diesem Anlass fand eine Tagung statt, zu der Samy Molcho als Gastredner eingeladen war. Er ist Schauspieler, Regisseur und Pantomime. Bekannt ist er vor allem als Buchautor von Fachbüchern über Körpersprache und nonverbale Kommunikation. Er hat uns vor Augen geführt, wie leicht wir körpersprachliche Signale übersehen können. Dabei sind sie sehr eindeutig: Die Gefühle werden durch den Körper preisgegeben. Jeder Mensch sendet diese Signale aus, oftmals unbewusst. Sie übertragen sich auf das Gegenüber. Gerade deshalb ist es für uns in der Behandlung und Pflege wichtig, diese Signale zu kennen und uns auch darüber im Klaren zu sein, wie unsere eigene Körpersprache auf andere wirkt.

Es gibt zum Beispiel Signale, die zeigen, dass jemand angespannt ist. Ein fokussierter, konzentrierter Gesichtsausdruck gehört dazu. Auch ein Anzeichen: Die Person steht auf den Zehenspitzen oder dem Vorderfuß. Das ist eine Körperhaltung, die Angriff oder Verteidigung signalisiert. Mir fällt sofort ein Klient ein, der häufig auf Zehenspitzen unterwegs ist. Sein Oberkörper ist dadurch automatisch nach vorne gebeugt – das sind alles Signale der Anspannung. Sie früh zu erkennen, ist im Stationsalltag sehr wertvoll.

Wie setze ich Körpersprache bewusst ein?

Als Fachkräfte müssen wir uns immer wieder selbst klarmachen, welche Signale wir gerade mit unserem Körper aussenden. Die eigene Körperhaltung zu überprüfen, gehört dazu. Oder sich zu fragen, weshalb man gerade die Stirn in Falten legt. Denn damit senden wir Signale aus, die etwas mit unserem Gegenüber machen.

Ebenfalls wichtig: Wie setze ich Körpersprache bewusst ein? – Jemandem die Hand auf den Arm zu legen, kann in beruhigender Absicht geschehen. Es ist aber auch eine Geste, die das Gegenüber niederdrücken kann. Die Aussage dahinter: „Jetzt beruhig Dich mal. Komm mal runter.“ Damit erziele ich gerade nicht den gewünschten Effekt.

Samy Molcho auf der Bühne

Samy Molcho hat uns sehr eindrücklich vorgeführt, wie sich Situationen durch gezielt eingesetzte Körpersprache positiv verändern lassen. Es hat einen enormen Effekt, den Kopf nicht ganz gerade zu halten, sondern leicht zur Seite zu neigen. Das verändert schon viel, wir werden im Ausdruck viel weicher. Wir entblößen bei dieser Kopfhaltung unseren Hals, unsere Schlagader und signalisieren damit: „Ich bin nicht gefährlich und habe auch keine Angst, dass Du mir gefährlich wirst.“ Dabei die Augenbrauen etwas nach oben zu ziehen, signalisiert zusätzlich Aufmerksamkeit. Das kann eine Situation sofort verändern.

Wer aufgewühlt ist, ist mit Worten schwer zu erreichen

Gerade, wenn Patient/-innen sehr aufgewühlt sind, dringen Worte nicht mehr gut zu ihnen durch. Dann ist Körpersprache ein wirksames Mittel, beruhigend und deeskalierend auf sie einzuwirken.

Wichtig finde ich auch, sich bewusst zu machen, dass wir trotz des oftmals sehr vertrauensvollen Umgangs mit unseren Patientinnen und Patienten auf deren territoriale Grenzen achten müssen. Das Territorium ist der Raum, den jeder Mensch zum eigenen Wohlbefinden um sich herum benötigt. Die imaginäre Linie, die das Territorium begrenzt, sollten wir nicht überschreiten. Die Menschen, die wir behandeln, haben während eines Klinikaufenthaltes nur einen sehr begrenzten Raum für sich. Gerade dann reagieren manche auf territoriale Grenzverletzungen besonders sensibel. Und das kann schnell passieren, zum Beispiel wenn wir bei der Aufnahme vor einem Patienten oder einer Patientin Papiere zur Unterschrift ausbreiten und dabei an einem gemeinsam genutzten Tisch den gesamten Platz beanspruchen.

Der Vortrag mit Samy Molcho dauerte insgesamt acht oder neun Stunden. Er hat nicht nur alle Fragen der Teilnehmer/-innen beantwortet, sondern uns auch viele Beispiele an die Hand gegeben, die wir gut für unsere PART-Schulungen übernehmen können.

Meine beiden Kollegen Sandra Trusheim, Christina Bitter und ich fanden die Tagung sehr bereichernd und eindrucksvoll. Es ist wirklich klasse, dass wir daran teilnehmen konnten!