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Kreativität kennt keine Grenzen

Malprojekt der Vitos Behindertenhilfe Idstein in Kooperation mit der Hochschule Fresenius

„Morgen gehen wir in die Schule“. „Wir haben Aram Sam Sam gesungen“

„Ich freue mich schon Frau Reitz – gehst du mit?“

Mit diesen und anderen Sätzen begrüßten mich unsere Beschäftigten und Bewohner bereits einen Tag vor Projektbeginn am Montagmorgen. Ich kam gerade aus längerer Urlaubszeit und wusste, dass ich an den beiden Folgetagen das Malprojekt mit der Hochschule Fresenius begleiten sollte. Ein bisschen Bammel hatte ich schon. So viele Studierende die da auf unsere Beschäftigten und Bewohner treffen. So viele neue Eindrücke, die sie verarbeiten müssen. Wird alles gut gehen? Werden sich alle wohlfühlen? Wird das Projekt ein Erfolg?

Unkompliziertes und fröhliches Kennenlernen

Herzliche Kennenlernrunde

Am Vormittag besprachen Marianne Priebe, die Werkstattleiterin der Vitos Behindertenhilfe Idstein und ich die letzten organisatorischen Dinge rund um das Malprojekt. Sie berichtete mir von der außergewöhnlichen Kennenlernrunde zwischen den Ergotherapie-Studierenden der Hochschule Fresenius, die das Projekt begleiten sollten, und den Teilnehmern, unseren Werkstattbeschäftigten und Bewohnern. In dieser großen Runde waren alle zunächst noch gehemmt. Doch sehr schnell brach das Eis und alle sangen fröhlich „Aram Sam Sam“ miteinander. Ein guter Start!

Eine persönliche Herausforderung

Dennoch war ich anfangs etwas skeptisch, ob es nicht zu viele Studierende sein würden, die unsere Beschäftigten und mich am Eingang der Handmontage auf dem Kalmenhof Gelände abholen. Außerdem war ich noch nie zuvor mit einer solch großen Gruppe von unseren Werkstattbeschäftigten in Idstein allein unterwegs gewesen. Auch meine Ortskenntnisse sind noch immer nicht die besten. Ein Aufbruch ins Ungewisse sozusagen.

Als ich die Liste mit den Namen der Teilnehmer sah, hatte ich immer noch einige Bedenken, ob alles reibungslos verlaufen würde. Denn es waren Teilnehmer dabei, die im normalen Arbeitsalltag schon gerne einmal für Unruhe sorgen.

Zum Glück waren meine Bedenken völlig unbegründet. Die Gruppe ließ sich sehr gut führen. Ich hatte fast den Eindruck, dass alle aufeinander Acht gaben und nachsichtig waren.

Positiver erster Eindruck

Einer unserer Projektteilnehmer hatte die besondere Aufgabe, eine ältere Bewohnerin im Rollstuhl zum Workshop zu fahren. Man hätte ihm den Rollstuhl wohl nur mit Gewalt entreißen können – er war so sehr bemüht und fürsorglich, dass er sie nicht aus den Augen ließ. Er schien an den Griffen des Rollstuhls „festzukleben“. Außerdem trug er den zweiten Rucksack mit der Frühstücksverpflegung der Teilnehmerin.

Sehr beeindruckt hat mich auch, dass sich eine Autistin von einer Studierenden an der Hand zum Projektort hat führen lassen. Sie ist an beiden Tagen fast wie selbstverständlich mitgegangen. Das ist ganz untypisch für sie, sich so schnell auf Unbekanntes einzulassen. Es gab keinerlei Berührungsängste – weder bei den Teilnehmern, noch bei den Studierenden. Der Umgang miteinander war die ganze Zeit sehr herzlich.

Der Fußweg zur Hochschule war ausreichend lang. So konnten Anspannungen über die körperliche Bewegung abgebaut werden. Schließlich waren all unsere Werkstattbeschäftigten schon sehr aufgeregt, was sie erwarten würde. Es gab auch genügend Zeit, um miteinander über Ängste und dieses „Aufgeregtsein“ zu sprechen. Die Freude überwog bei allen Teilnehmern.

Am Projektort angekommen, empfingen uns die Projektleiterin und Dozentin Nina Klemann und die Referentin für PR & Marketing, Mareike Hochschild herzlich.

 Die Spannung steigt…

Als wir die Werkräume der Hochschule betraten, kamen bei mir tatsächlich Erinnerungen an den Werkunterricht in der Schule auf. Die Teilnehmer hatten also Recht mit dem Satz – „Wir gehen in die Schule“. Die Zugänge zur Werkstatt waren leider nicht barrierefrei  – dies sollte aber kein unüberwindbares Hindernis sein. Gemeinsam schafften wir es alle, in die Werkräume zu kommen.

Die große Gruppe teilten wir kurzerhand auf drei Räume auf. Die „Teilnehmerkonstellation“ dabei war, bis auf wenige Zuteilungen, rein zufällig. Doch das war für alle scheinbar in Ordnung. Eine Teilnehmerin musste ich jedoch trösten, weil sie nicht neben ihrer Freundin sitzen durfte – es gab erste Tränen. Dieses Problem löste ich schnell. Tränen sollten das Projekt nämlich nicht begleiten!

Malen, Pinseln, Zeichnen

Der Kreativität freien Lauf lassen

In den Räumen standen große aneinander gestellte und mit Folie abgedeckte Tische bereit. Leinwände, Pinsel und Farben standen auch schon in Startposition! Es konnte also losgehen.

In den drei Gruppen hatten die Studierenden in Eigenverantwortung den Ablauf des Projektes gestaltet. Sie hielten dabei immer wieder Rücksprache mit Nina Klemann.

Ich wechselte zwischen den einzelnen Gruppen, um nachzuschauen, ob alles in Ordnung war. In der einen Gruppe spielte die Lieblingsmusik der Teilnehmer, in einer anderen gab es kleinere Vorstellungsrunden und Erklärungen zum Ablauf. In allen Gruppen herrschte eine fröhliche Stimmung. Alle ließen sich auf das ein, was noch kommen sollte.

Dann ging es los: Jeder zog seinen Malkittel an und fand einen Platz am großen Tisch seiner „Malgruppe“. Die Studierenden malten teils eifrig mit und waren zu jeder Zeit Ansprechpartner für unsere Teilnehmer. Sie halfen beim Anziehen des Malkittels, Auswaschen der Pinsel, beim Anreichen der Farbe, kündigten die Musiktitel an und vieles mehr.

Es waren für jeden Teilnehmer zwei Keilrahmen vorhanden – ein kleiner und ein großer. Ein Keilrahmen pro Tag – so war der Plan! Aber Pläne sind ja bekanntlich dazu da, um sie wieder zu verwerfen. Wenn einige der Künstler so schnell mit ihrem Kunstwerk fertig sind, muss improvisiert werden. So auch hier!

Gemeinsam Kunstwerke schaffen

Also malten die Teilnehmer nicht nur auf Flipchartpapier und DIN A4 Papier weiter, sondern  sie riefen auch Gemeinschaftswerke ins Leben. So entstand beispielsweise in einer Gruppe ein großes Gesamtkunstwerk aus aneinandergeheftetem Flipchartpapier, bemalt mit Pastellkreiden – ein wunderschönes farbiges Objekt!

Alle arbeiteten eifrig in entspannter und fröhlicher Atmosphäre. Alles in allem war es ein Projekt, das nach Wiederholung geradezu schreit und eine tolle Zusammenarbeit!

Die Teilnehmer waren so begeistert, dass sie anschließend gerne täglich Ergotherapie oder auch ein wöchentliches Malprojekt wie dieses gehabt hätten.

Es war eine herzliche Begegnung – das haben auch die Studierenden der Hochschule Fresenius erfahren können. Es bleibt bei allen wohl sicher noch lange in guter Erinnerung!