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Medizinische Hilfe am Bildschirm

Pilotprojekt in der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Bad Emstal

Ob aus dem tiefsten Bayern oder dem hohen Norden: Ärztinnen und Ärzte aus ganz Deutschland arbeiten regelmäßig in der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Bad Emstal – zugeschaltet über ein Telemedizin-System. Damit keine Versorgungslücken entstehen, kümmern sie sich um erkrankte Patienten, wenn der hauseigene Internist im Urlaub oder krank ist. Mittlerweile hat das System Schule gemacht und wird jetzt in mehreren Vitos Kliniken für forensische Psychiatrie eingesetzt.

Heute ist Dr. Hans-Otto Wagner im Dienst. Er ist bereits über den Bildschirm zugeschaltet, als der Patient noch gar nicht da ist. Zunächst spricht er an diesem Morgen mit Tina Klüh, Leitung der Station 5.2, und ihrer Kollegin Bettina Wunsch, Stationsleitung der forensischen Ambulanz und des offenen Therapiebereichs. Wie alt ist der Patient? Welche Beschwerden hat er? Und nimmt er bereits Medikamente ein? Über eine datenschutzkonforme Cloud werden dem Mediziner alle wichtigen Infos zur Verfügung gestellt. Auch wenn die Cloud gut gesichert ist: Der volle Name des Patienten findet sich darin nicht, lediglich die Initialen und die Aufnahmenummer.

Mitarbeitende sind “verlängerter Arm” des Mediziners

Digitales Stethoskop

Bei der Behandlung stellt der Mediziner dann genaue Fragen. Als sein „verlängerter Arm“ fungieren an diesem Tag Tina Klüh und Bettina Wunsch: Die beiden bedienen die Instrumente, die an die „Videoclinic“ angeschlossen sind. Unter andere stehen ein digitales Stethoskop, ein Ohrenspiegel oder auch ein Dermatoskop, um die Haut zu untersuchen, zur Verfügung. „Das funktioniert sehr gut“, sagt der Arzt am Monitor. Nur sehr wenige Erkrankungen kann man nicht über das Telemedizin-System abklären. Am Anfang ist er auch skeptisch gewesen, erzählt Hans-Otto Wagner. Nach gut 20 Jahren als Landarzt und als Oberarzt an der Uniklinik Hamburg-Eppendorf fand er „man muss doch den Patienten spüren, richtig hören und sehen können. Aber nach drei Jahren „Videoclinic“ bin ich begeistert“, betont er.

Angeboten wird eine Videosprechstunde nach Bedarf. Soll heißen: Wenn der hauseigene Internist ausfällt. Ist der Arzt längere Zeit nicht verfügbar, können regelmäßige Sprechstunden auch über mehrere Wochen angeboten werden. Möglich ist es aber auch, kurzfristige Notfall-Sprechstunden zu organisieren. Dann ist innerhalb von Minuten ein Arzt über den Monitor zugeschaltet.

Die Betreuung rund um die Videosprechstunde übernehmen die Mitarbeitenden des Pflege- und Erziehungsdienstes. Sie wurden vom Anbieter entsprechend geschult. Wird ein Patient krank, sagt er einem Mitarbeitenden des Pflege- und Erziehungsdienstes Bescheid, beschreibt Tina Klüh. Geklärt wird dann zunächst, ob es warten kann, bis der Internist zurück ist oder ob es sich bei dem Anliegen um einen Fall für die Videosprechstunde handelt. Ist eine Sprechstunde bereits fest gebucht, wird das bei den Patienten angekündigt.

Entlastung für Ärzte und Ärztinnen

An diesem Tag haben sich nur zwei Patienten zur Sprechstunde gemeldet. Nach dem Vorgespräch mit dem Arzt, holen Tina Klüh und Bettina Wunsch den Patienten dazu. Er schildert seine Beschwerden, dann kann er wieder zurück in seine WG. Werden medizinische Maßnahmen vom Arzt empfohlen, bespricht er dies mit den Mitarbeitenden vom Pflege- und Erziehungsdienst.

Für die Ärztliche Direktorin Birgit von Hecker und ihre Stellvertreterin Dr. Eva-Maria Knobloch-Lütke bedeutet die „Videoclinic“ eine Entlastung. Die beiden studierten Ärztinnen hatten in den vergangenen Jahren stets die Behandlungen übernommen, wenn der Internist nicht vor Ort war. „Allerdings kommen dabei auch immer andere Themen zur Sprache, beispielsweise Lockerungen“, sagt Birgit von Hecker. Das koste Zeit, in der andere wichtige Dinge liegenbleiben. „Und wenn es nötig ist, zu einem Arzt in der Umgebung zu fahren, eröffnet man sozusagen eine neue Station,“ sagt Christoph Ziegler, Pflegedirektor der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie. „Einer fährt, zwei andere Mitarbeitende müssen den Patienten begleiten. Das bindet Personal.“ Die „Videoclinic“, die seit vergangenem Sommer als hessenweites Pilotprojekt in der Bad Emstaler Klinik lief, hat sich gut bewährt, sagt von Hecker. Sie wurde mittlerweile dauerhaft eingeführt – auch von anderen Vitos Kliniken für forensische Psychiatrie.

„Für solche Einrichtungen ist die „Videoclinic“ ein Glücksfall“, findet auch Dr. Hans-Otto Wagner. Allerdings auch für ihn selbst. Eigentlich ist der erfahrene Mediziner im Ruhestand, doch die Arbeit macht ihm Freude. Ein bis zwei Mal pro Woche ist er im „Einsatz“. „Im Winter mache ich das etwas häufiger“, sagt der Arzt. „Aber manchmal sogar auch im Sommerurlaub aus dem Wohnmobil heraus.“