
12 Mai Mein Job: Pflege!
Über die Vielfalt des Pflegeberufs
Heute am 12. Mai, dem Geburtstag von Florence Nightingale, feiern wir den internationalen Tag der Pflege. Pflege ist vielfältig – und mit Blick auf die geplanten gesetzlichen Veränderungen wird sie künftig noch vielfältiger. Sie hat sich enorm ausdifferenziert, arbeitet wissenschaftlich fundiert und spezialisiert.
Wie facettenreich der Pflegeberuf sein kann, berichten eine Bachelor-Absolventin des Studiengangs Psychiatric Nursing, ein Mitarbeiter im Team der stationsäquivalenten Behandlung sowie ein hauptamtlicher Praxisanleiter im Interview.
Wie ist Euer Werdegang und warum habt Ihr Euch für eine Ausbildung in der Pflege entschieden?
Jasmin Dellinger: Nach meinem Abitur habe ich ein Freiwilliges Soziales Jahr bei Vitos Südhessen, am Standort Heppenheim, absolviert. Da es mir Freude bereitete und ich viel Erfahrung sammeln konnte, hatte ich mich sogar dazu entschieden, das FSJ auf insgesamt 1,5 Jahre zu verlängern. Ich arbeitete gerne mit den Patient/-innen und den Kolleginnen und Kollegen zusammen. Bewundernswert fand ich, wie die pflegerische Arbeit zu der Genesung der Patienten erkennbar beitrug. Die Dankbarkeit der Patienten und die Möglichkeit zukünftig ein Pflegestudium zu machen, ermutigten mich dazu, anschließend die Ausbildung in der Pflege zu starten.
Gunnar Lemos: Die Pflege als Beruf wurde mir quasi in die Wiege gelegt, da meine Eltern ein Altenheim betrieben und in den frühen 90er Jahren bereits einen anteiligen gerontopsychiatrischen Schwerpunkt hatten. Außerdem hatte ich in meiner Pubertät im Rahmen der Clique die Rolle des Laienpsychologen inne, interessierte mich für die Probleme der anderen und war gern genutzter Berater. Ich musste nach der Schule also nicht lange überlegen und entschied mich für eine Ausbildung in der Pflege. Nach meinem Abschluss arbeitete ich erst mal in der Vitos Klinik für forensische Psychiatrier Bad Emstal. Aufgrund von damals schlecht reflektierten Persönlichkeitseigenschaften meinerseits, geriet ich im Maßregelvollzug und der hochstrukturierten Arbeit im Bereich von „Besserung und Sicherung“ zunehmend ins Abseits und entschied mich schlussendlich für einen Wechsel in die Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Haina. Das war für mich damals ein Teil der Psychiatrie, der sich statt mit Tätern und deren Störungen, mit der Opferseite beschäftigte.
Peter Lorfei: Das ist eine längere Geschichte. Ursprünglich habe ich mal einen handwerklichen Beruf gelernt und anschließend zusätzlich eine Ausbildung als Einzelhandelskaufmann gemacht. In beiden Berufen konnte ich mir aus unterschiedlichen Gründen aber nicht vorstellen, dauerhaft zu arbeiten. Über meine ehrenamtliche Tätigkeit lernte ich jemanden kennen, der bei Vitos in der Pflege tätig ist. Er wies mich auf die Möglichkeit hin, in einer der Vitos Schulen für Gesundheitsberufe eine Ausbildung als Pflegekraft zu machen. Ich war neugierig und bewarb mich. Das Bewerbungsgespräch hat mich damals sehr beeindruckt und für mich war klar, dass ich diesen Weg gehen will. 2014 habe ich im Anschluss an ein Praktikum die Ausbildung bei Vitos begonnen und 2017 erfolgreich abgeschlossen.
Inwiefern habt Ihr Euch anschließend beruflich weiterentwickelt und was war Eure Motivation für diesen Schritt?
Peter Lorfei: Von 2020 bis 2021 habe ich die Weiterbildung als Praxisanleiter bei der Vitos Akademie absolviert. Damals steckten wir mitten in der Pandemie und die Weiterbildung fand ausschließlich online statt. Spannend war auch, dass wir der erste Praxisanleiterkurs waren, der nach dem neuem Pflegeberufegesetz ausgebildet wurde. Im deutschen Pflegeberufegesetz wurden die drei bisherigen Ausbildungen in der Altenpflege, der Gesundheits- und Krankenpflege sowie der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zu einem einheitlichen Ausbildungsberuf zusammengeführt.
Nachdem ich eineinhalb Jahre als Praxisanleiter auf Station im Einsatz war, bekam ich die Möglichkeit, als hauptamtlicher Praxisanleiter zu arbeiten. Das mache ich bis heute.
Als hauptamtlicher Praxisanleiter beschäftigt man sich viel mit Konzeptarbeit, wie zum Beispiel die Lern- und Aufgabenerstellung für die Auszubildenden zu entwickeln. Das hat mich direkt angesprochen. Durch das Pflegeberufegesetz ist die Praxis zudem vielseitiger geworden, da viel praktischer Unterricht in die jeweiligen Fachbereiche fällt.
Jasmin Dellinger: Mein Ansporn war es, mich persönlich weiterzuentwickeln, neue Denkweisen kennenzulernen, mein Wissen zu erweitern und dazu beizutragen, dass nachhaltig eine bestmögliche Versorgung der erkrankten Menschen erreicht wird. Aufgrund dessen begann ich nach der abgeschlossenen Ausbildung und einer zweijährigen Berufserfahrung das von Vitos angebotene Stipendium für das berufsbegleitende Pflegestudium Bachelor of Arts in Social Management Healthcare Services mit dem Schwerpunkt Psychiatric Nursing an der Steinbeis-Hochschule in Marburg.

Bachelor-Absolventin Jasmin Dellinger
Gunnar Lemos: Als ich das erste Mal vom Konzept der interdisziplinären Arbeit hörte, war ich direkt neugierig. Es hieß, dass die Grenzen zwischen den einzelnen Berufsgruppen verschwimmen würden und dass neben der Berufsausbildung die eigentlichen Kompetenzen der Mitarbeiter im Vordergrund stünden. Das klang großartig! Genau diese Art der interdisziplinären Zusammenarbeit erhoffte ich mir von meinem Wechsel ins damals ersten Vitos-weiten Team für stationsäquivalente Behandlung in Korbach. An diesem neuen Behandlungssektor mitzuwirken, war für mich zusätzlich eine willkommene Möglichkeit, den mittlerweile leid gewordenen Auswirkungen des drei Schichtmodells im vollstationären Arbeitsbereich zu entfliehen, bei weiterhin bestehender Möglichkeit, durch Wochenendarbeit und Rufbereitschaft, freie Tage unter der Woche und einen Ausgleich bei der Entlohnung der Arbeit zu behalten. Quasi das Beste aus beiden Welten: Unabhängigkeit und Freiheit im Arbeiten, sowie kein klassisches Montag-Freitag-9-5-Arbeitsmodell. Heute möchte ich es nicht mehr eintauschen.
Haben sich Eure Aufgaben und Euer Arbeitsalltag dadurch verändert?
Jasmin Dellinger: Bei dem Studium handelt es sich um ein Projekt-Kompetenz-Studium, wobei die in der Theorie erworbenen wissenschaftlichen Erkenntnisse anschließend in der Praxis angewandt werden. Außerdem bekam ich während des Studiums die Funktion der stellvertretenden Stationsleitung auf der Station, auf welcher ich auch zuvor als Gesundheits-und Krankenpflegerin tätig war. Insofern konnte ich seitdem die gewonnenen Erkenntnisse, dank kritischen Hinterfragens und dem Einnehmen verschiedener Perspektiven, oftmals im Arbeitsalltag einbringen.
Gunnar Lemos: Was soll ich sagen? Meine Erwartungen wurden erfüllt. Die Liebe zum StäB als Herzensangelegenheit, als absolut von mir favorisierten Behandlungssektor, entwickelte sich im Laufe der Arbeit dort. Ich durfte zwischendurch auch Einblicke in tagesklinisches (teilstationäres) Arbeiten bekommen. Ich kann jedoch sagen, dass mir die absolute Freiheit im StäB, völlig gewöhnliche Tätigkeiten, gemeinsam mit den Patienten im therapeutischen Kontext nutzbar zu machen, als kreatives Handlungsfeld und als Herausforderung an mich, sehr gefällt. Ferner liebe ich die Möglichkeit in der Natur zu arbeiten. Da wir nach der Corona-Pandemie nie wieder aufgehört haben, den Großteil unserer Arbeit im Rahmen von Naturspaziergängen und bei Aktivitäten im Freien zu verrichten, erlebe ich den Beruf heute völlig anders. Wo andere sich Gedanken über Milieuwirkfaktoren und natürliche Raumgestaltung machen, fahre ich mit Patientinnen und Patieten auf einen nahegelegenen Berg, sitze auf einer Bank und betrachte während des Gesprächs das sonnenbeschienene Panorama Waldeck-Frankenbergs. Ich friere gemeinsam mit Patienten unter dem Regenschirm bei Novemberspaziergängen durch den Wald und erkläre, dass zu mancher Jahreszeit, die Heimkehr mit anschließendem Teeritual, das Schönste an den oft zwingend nötigen Außenaktivitäten der Erkrankten ist. Oder ich sitze im Sommer mit Patient/-innen an einem Tretbecken und denke über Kneipp nach. Da fühlt man echt eine Menge.

Gunnar Lemos, Mitarbeiter im StäB-Team
Peter Lorfei: Als hauptamtlicher Praxisanleiter beschäftige ich mich eher mit den großen Themen. Ich führe beispielsweise die Erst- und Abschlussgespräche mit unseren Auszubildenden. Auch das intensive Besprechen von Patientenfällen oder die Einsatzbewertungen fallen in meinen Verantwortungsbereich, genauso die Bewertung der praktischen Lernleistungsprüfung. Wir sind zudem elementarer Teil der jeweiligen Prüfungskommission und für die Abnahme der praktischen Examina verantwortlich. Das ist immer besonders spannend, aber auch herausfordernd. Man bildet jemanden über drei Jahre aus. Das ist eine sehr erfüllende Arbeit. Und die allermeisten Auszubildenden bestehen das Examen. Wenn doch mal jemand durch die Prüfung fällt, fühle ich aber natürlich mit und dann macht mir mein Job auch mal weniger Spaß.
Was mir in meiner aktuellen Rolle tatsächlich fehlt, ist der Schichtdienst. Ich habe immer unglaublich gerne im Nachtdienst und am Wochenende gearbeitet. Das liegt vielleicht auch an meiner christlichen Erziehung. An Feiertagen oder Wochenenden für Menschen da zu sein, war für mich immer ein Ansporn.
Hat sich auch Euer Blick auf den Pflegeberuf geändert? Wenn ja, inwiefern?
Gunnar Lemos: Mit der Zeit verstand ich zunehmend, wie sehr sich die Arbeit im stationsäquivalenten Behandlungssektor von den anderen Sektoren unterscheidet, was wohl in der Tatsache begründet liegt, dass sich die Menschen nicht in einer mehrwöchigen Beherbergungssituation in einer Klinik befinden. Jeder, der die Leichtigkeit eines Hotelzimmers im Urlaub erlebte, kann sich hier anteilig einfühlen. Selbst die Teilnahme am ganztägigen Programm einer Tagesklinik verändert den Alltag der Patient/-innen signifikant und schafft eine vorrübergehend veränderte Lebenssituation. Am ehesten ist der Grundzustand der StäB-Patienten mit jenen vergleichbar, die sich in der niedergelassenen Psychotherapie befinden. Also viel mehr Alltag, die gewohnten Trigger und Problembewältigungsstrategien, der normale Einfluss durch soziale Faktoren und alle Möglichkeiten, auf verschüttete Ressourcen zurückzugreifen. Nur, dass das Behandlungsintervall in der StäB täglich ist und nicht, wie in der niedergelassenen Psychotherapie, wöchentlich oder zweiwöchentlich, wenn es gut läuft. Dies ermöglicht es uns u.a., in wesentlich kürzerer Zeit, mehr Lösungsansätze behandlerseits zu erproben bzw. anzupassen und führt deswegen schneller zu tragbaren Behandlungsergebnissen.
Peter Lorfei: Ja, ich blicke sehr besorgt auf die Zukunft der Pflege. Zum einen bin ich sehr nah dran an den jungen Menschen. Viele haben noch keinerlei Erfahrungen mit Erwerbsarbeit und es gibt oft Probleme, etwa wegen Unzuverlässigkeit. Ich beobachte, dass sich das Pflichtbewusstsein geändert hat. Heutige Azubis haben höhere Ansprüche zum Beispiel an die Work-Life-Balance. In der Pflege arbeiten wir im Dreischichtsystem, da ist es manchmal schwierig, der gesteigerten Erwartungshaltung junger Nachwuchskräfte zu entsprechen. Hinzu kommt der Fachkräftemangel in Kombination mit dem Anstieg psychischer Krankheiten. Wir brauchen junge Pflegekräfte. Doch ich beobachte, dass das Interesse an diesem Beruf eher kleiner wird. Diese Entwicklungen finde ich sehr bedenklich.
Inwiefern erlebt Ihr den Pflegeberuf als vielfältig?
Jasmin Dellinger: Der Pflegeberuf bietet ein breites Spektrum an Aufgaben, Fachrichtungen, Einsatzorten und Entwicklungschancen. Somit ist der Beruf nicht nur anspruchsvoll, sondern auch attraktiv für Menschen mit ganz unterschiedlichen Interessen und Stärken.
Peter Lorfei: Wir sind unglaublich bunt bei Vitos. Hier arbeiten Menschen ganz unterschiedlicher Nationalitäten und verschiedener Generationen zusammen. Auch viele unserer Patientinnen und Patienten kommen ursprünglich aus ganz unterschiedlichen Teilen der Welt.
Wir vernetzten und professionalisieren uns. Wir sind weltoffen und kommunikativ. Kommunikationsstärke ist eine Kernkompetenz in der Pflege, genau wie Toleranz. Diese Eigenschaften müssen wir mitbringen, um in unserem Beruf erfolgreich zu sein. Wir arbeiten nicht an Menschen, sondern mit Menschen. Für Menschen da zu sein, ist eine sehr ehrenhafte Aufgabe, die man mit Ehrfurcht wahrnehmen sollte. Denn psychisch erkranken, kann jeder von uns, zu jeder Zeit.

Hauptamtlicher Praxisanleiter Peter Lorfei
Habt Ihr bestimmte Wünsche für Eure weitere berufliche Zukunft?
Gunnar Lemos: Für die Zukunft wünsche ich mir mehreres: Zum einen eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem, was „Assistenz in der Psychotherapie“, die hohe pflegerische Zeit am „Krankenbett“ und interdisziplinäres Arbeiten in der StäB bewirken kann und von welchen Wirkfaktoren es abhängt. Zum anderen, eine verstärkte abteilungsübergreifende Komponente der Arbeit, sprich ein besseres Zusammenspiel mit den Mitarbeitenden der psychiatrischen Ambulanzen und der Tageskliniken. Ein weiteres Herzensprojekt ist die digitale Patientenplattform Curamenta. Hierauf freue ich mich, da Curamenta die StäB wirklich auf das nächste Level heben kann, samt neuen, noch unbekannten Challenges für alle.
Peter Lorfei: Sich weiterzubilden, ist immer gut. Der Pflegeberuf ermöglicht da viele Chancen. In der Zukunft könnte ich mir zum Beispiel ein Pflegepädagogikstudium vorstellen. Aktuell bin ich zufrieden, da wo ich bin. Die Zusammenarbeit im multiprofessionellen Team und mit den Vitos Schulen für Gesundheitsberufe findet auf Augenhöhe statt. Das ist etwas, was Vitos als Arbeitgeber meiner Meinung nach besonders auszeichnet. Hierarchisches Arbeiten, wie man es in vielen Kliniken findet, erlebe ich hier nicht.
Jasmin Dellinger: Ich bin offen für Neues, möchte mir stetig mehr Wissen aneignen und meinen Horizont erweitern. Ich möchte neue Sichtweisen ergründen und Herausforderungen annehmen, weshalb ich zurzeit auch den Master of Arts in Pflege-und Gesundheitswissenschaften mit dem Schwerpunkt Pflegemanagement absolviere.