Nadeln gegen den Schmerz

Nadeln gegen den Schmerz

Akupunktur als Behandlungsmethode im Schmerzzentrum der Vitos Orthopädischen Klinik Kassel

Chronische Schmerzen können zermürbend sein. Egal, ob es sich um Kopf-, Rücken- oder Nervenschmerzen handelt – oft stecken nicht nur körperliche Ursachen hinter den Leiden. Deshalb hat sich das Schmerzzentrum der Vitos Orthopädischen Klinik Kassel auf die multimodale Schmerztherapie spezialisiert.

In der Fachabteilung für Schmerzmedizin, Manuelle Therapie und Naturheilverfahren sorgt unser Team aus Neurologen, Anästhesisten, Orthopäden, Psychologen, Physiotherapeuten und Osteopathen dafür, dass alle Patientinnen und Patienten mit langandauernden Schmerzen eine optimale Therapie erhalten. Ein Baustein der Behandlung ist die Akupunktur, eine Behandlungsmethode der traditionellen chinesischen Medizin (TCM). Wie genau Akupunktur wirkt und bei welchen Beschwerden sie hilft, erklärt Dr. Andreas Böger, Leiter des Schmerzzentrums, im Interview.

Welche Patient/-innen werden in der Schmerzklinik behandelt?

Dr. Böger: Wir behandeln in unserer Schmerzklinik fast ausschließlich Patient/-innen, die an chronischen Schmerzen leiden. Von chronischen Schmerzen spricht man, wenn der Schmerz mindestens drei bis sechs Monate anhält, beziehungsweise, die meiste Zeit über besteht. Bestimmte Krankheitsbilder, wie das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS) werden jedoch fast immer chronisch, weshalb man hier auch bei kürzeren Zeiträumen von einer Chronifizierung spricht. Ungefähr die Hälfte unserer Patienten leiden an chronischen Rücken- und Gelenkschmerzen. Ein Viertel an Kopf- und ein weiteres Viertel an Nervenschmerzen.

Leiden immer mehr Menschen an chronischen Schmerzen?

Dr. Böger: Die Zahl derjenigen Menschen, die an chronischen Schmerzen leiden, nimmt zu. Das liegt an mehreren Faktoren. Zum einen ist die demografische Entwicklung zu nennen. Die Menschen werden immer älter und ihre Knochen und Gelenke nutzen so auch immer stärker ab. Zum anderen beobachten wir eine immer stärkere Arbeitsverdichtung, die mit einem erhöhten Stresslevel einhergeht. Zusätzlich spielen psychosoziale Faktoren, Begleiterkrankungen oder Belastungen im Alltag eine Rolle bei der Frage, ob ein Schmerz chronisch wird oder nicht. Das können depressive Erkrankungen sein, aber auch Mobbing auf der Arbeit oder existenzielle Sorgen, beispielsweise, wenn man nicht weiß, wie man seinen Lebensunterhalt bestreiten soll. Das psychosoziale Faktoren einen so großen Einfluss auf die Chronifizierung von Schmerzen haben, liegt daran, dass die Schmerz- und die Gefühlsverarbeitung im limbischen System unseres Gehirns ähnlich verschaltet sind.

Wie funktioniert Akupunktur?
Die Akupunktur funktioniert auf verschiedenen Ebenen

Die Akupunktur funktioniert auf verschiedenen Ebenen

Dr. Böger: Grundsätzlich kann man sagen, das Akupunktur bei allen Arten von Schmerzen effektiv helfen kann. Die Akupunktur funktioniert auf verschiedenen Ebenen. Bei der sogenannten Reflextherapie leiten die Nervenbahnen nach Setzen der Nadel andere Signale als den ursprünglichen Schmerz. Gerade bei akuten, also frischen, Schmerzen kann Akupunktur so eine sofortige Linderung oder sogar Schmerzfreiheit herbeiführen. Von Segmenteffekten spricht man, wenn man Schmerzen in der Tiefe über die Haut behandelt. Wer schon mal eine Bilddarmentzündung hatte, weiß, dass der Schmerz auch über die Haut ausstrahlen kann. Umgedreht funktioniert das genauso. Die in der Haut gesetzte Nadel kann die Schmerzen in der Tiefe beeinflussen. Die dritte Ebene sind die Meridiane, wie sie in der traditionellen chinesischen Medizin beschrieben werden. Das sind Leitbahnen im Körper, durch die das Chi fließt. Deshalb funktioniert es zum Beispiel, eine Nadel am Fuß zu setzen, die sich dann positiv auf das Schmerzempfinden in der Schulter auswirkt.

Für wen eignet sich Akupunktur?

Dr. Böger: Akupunktur eignet sich für jeden. Jemanden, der seit drei Wochen an einem Hexenschuss leidet, kann man im besten Fall mit wenigen Behandlungen von seinen Schmerzen befreien. Hat eine Person schon einen sehr langen Leidensweg hinter sich und sind die Schmerzen komplex und chronisch, muss die Akupunktur meist mit anderen Verfahren, wie Osteopathie oder auch Medikamenten, kombiniert werden, um einen Effekt zu erzielen. Deshalb ist es entscheidend, dass wir im Schmerzzentrum bei der multimodalen Schmerztherapie mit einem multiprofessionellen Team, bestehend aus Neurologen, Anästhesisten, Orthopäden, Psychologen, Physiotherapeuten und Osteopathen, zusammenarbeiten.

Wie läuft eine Behandlung ab?
Das Setzen der Nadeln tut in der Regel nicht weh

Das Setzen der Nadeln tut in der Regel nicht weh

Dr. Böger: Zu Beginn steht immer die Diagnose. Dafür untersuchen wir den Patienten gründlich und klären die möglichen Ursachen, die hinter dem Schmerz stecken können.

Bei der Akupunktur werden dann mehrere Nadeln gesetzt. Das tut in der Regel nicht weh, da diese Nadeln hauchdünn sind. Anschließend ruhen sich die Patient/-innen in einem warmen und abgedunkelten Raum 20 Minuten aus, bevor wir die Nadeln wieder entfernen. Meisten werden zehn Behandlungen mit einem Abstand von jeweils einer Woche zwischen den einzelnen Terminen empfohlen.

Kann Akupunktur Schmerzmittel ersetzen?

Dr. Böger: Im besten Fall kann die Akupunktur die Einnahme von Schmerzmitteln ersetzen. Das gilt vor allem bei akuten Schmerzen, und auch bei der Migräne. Bei komplexen und chronifizierten Schmerzen wirkt meist eine Kombination aus verschiedenen Therapieverfahren und Medikamenten.

Benötigt man eine Überweisung, um in der Schmerzklinik behandelt zu werden?

Dr. Böger: Man benötigt eine Überweisung vom Haus- oder Facharzt, um in unserem MVZ einen Termin zu bekommen. Dort wird dann geschaut, welche Form der Behandlung infrage kommt, also beispielsweise ambulant oder stationär. Die Wartezeiten auf einen Behandlungsplatz in unserem Schmerzzentrum betragen aktuell drei bis vier Monate.

Was können Betroffene zusätzlich noch tun, um ihr Wohlbefinden zu verbessern?

Dr. Böger: Um in unserer immer schneller und komplexer werdenden Welt körperlich und psychisch gesund zu bleiben, ist eine gute Selbstfürsorge entscheidend. Sich gesund zu ernähren und genügend zu bewegen ist genauso wichtig, wie sich ausreichend Pausen und Auszeiten zu gönnen. Niemand kann dauerhaft über seine Belastungsgrenze hinaus Leistung erbringen. Es ist wichtig, dass man sich und seine Grenzen kennt und liebevoll mit sich selbst umgeht. Auch oder vielleicht gerade dann, wenn man das Gefühl hat, den Anforderungen von außen nicht gerecht werden zu können.

Hier geht´s zur Webseite der Vitos Orthopädischen Klinik Kassel.

Und hier zum Schmerzzentrum.

Autor/-in
Anna Pfläging, Social Media Managerin