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Noch nicht erwachsen, aber auch kein Kind mehr

Adoleszentenstation ist ein klinikübergreifendes Kooperationsprojekt der Kinder- und Jugendpsychiatrie und der Erwachsenenpsychiatrie

Die Adoleszentenstation des Vitos Klinikums Riedstadt richtet sich an Heranwachsende im Alter zwischen 16 und 25 Jahren, die psychisch erkrankt sind. Sie ist ein klinikübergreifendes Kooperationsprojekt der Kinder- und Jugendpsychiatrie und der Erwachsenenpsychiatrie. Und die erste ihrer Art in Hessen. Im September 2020 feierte die Station ihr einjähriges Bestehen.

Martina Schüttler-Hansper hat mit Klinikdirektorin Dr. Annette Duve, Vitos Klinik Hofheim, und Klinikdirektor Dr. Harald Scherk, Vitos Philippshospital Riedstadt gesprochen.

An welche Patienten richtet sich das Angebot der Adoleszentenstation?

Scherk: Grob gesagt einerseits an junge Erwachsene, die nicht ausgereift sind, und andererseits an Jugendliche, die schon zu reif sind.

Duve: Das Altersspektrum ist 16 bis 25 Jahre.  Wir haben mit einer Klientel zu tun, die oft durch die Maschen fällt. Sie sind der Kinderpsychiatrie entwachsen. Aber noch zu jung, um in das Regelkonzept der Erwachsenenpsychiatrie zu passen. Die Heranwachsenden hängen teilweise über einen längeren Zeitraum in der Luft und finden keine passende Behandlung.

Welche Krankheitsbilder werden auf der Station behandelt?

Scherk: Grundsätzlich behandeln wir alle Krankheitsbilder der Psychiatrie bis auf Suchterkrankungen. Überwiegend sind es Anpassungsstörungen, bei denen manchmal etwas Depressives, manchmal etwas Ängstliches dabei ist. Auch Schwierigkeiten in der Persönlichkeitsentwicklung oder beginnenden Borderline-Störungen.

Duve: Oft sind es Patienten mit starken sozialen Ängsten. Manche kommen noch relativ gut durch die Schulzeit, weil das ein geschütztes und unterstützendes System ist. Wenn der Rahmen oder die Ansprüche offener werden, wie beispielsweise in Universitäten oder einer Ausbildung, geraten sie in die Krise.
Das Angebot soll einen niederschwelligen Zugang bieten und so ein schnelles Eingreifen und Behandeln ermöglichen, damit wir dem Prozess der Chronifizierung vorbeugen.
Unser Ziel ist es, Patienten früh in ein soziales System zurückzubringen. Zum Beispiel in eine geschützte Ausbildungsmaßnahme mit Wohnmöglichkeit. Dort bekommen sie noch Unterstützung im Alltag oder in der Bewältigung ihrer Ängste und gleichzeitig die Möglichkeit auf eine Berufsausbildung.

Haben die Patienten bereits Erfahrungen mit Angeboten der Kinderpsychiatrie gemacht?

Duve: Wir wundern uns ein bisschen, dass wir so wenige Patienten haben, die wir schon kennen. Wir haben einen ganz geringen Anteil von Patienten, die überhaupt schon in irgendeiner Form von Behandlung waren.

Scherk: Dass der Großteil der Patienten sich bisher meist um sich selbst gekümmert hat, hat uns erstaunt. Das zeigt uns aber auch, wie groß der Bedarf ist.

Die Adoleszentenstation besteht nun schon über ein Jahr – welche Erfahrungen konnten Sie in dieser Zeit machen?

Duve: Ich finde, die Station ist ein grandioser Erfolg. Ich freue mich, dass es dieses spezifische Angebot für dieses Klientel gibt. Gleichzeitig sind wir ein bisschen erschrocken darüber, wie hoch die Nachfrage ist und wie wenig Angebote diese Patienten davor hatten. Wir schließen da eine ganz wichtige Versorgungslücke. Wir haben sehr wenige Behandlungsabbrüche und es läuft erstaunlich rund, dafür dass das Angebot erst ein gutes Jahr am Start ist.

Scherk: Ich denke auch, der Start der Station ist sehr gut gelungen. Er war gut vorbereitet und wir haben uns am Anfang ausreichend Zeit gegeben, um Konzepte anzupassen. Deshalb konnte schon mit den ersten Patienten gut gearbeitet werden. Und das hat sich durchgesetzt.

 

Autorin: Martina Schüttler-Hansper

Bildquelle: Salome Roessler