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Psychiatrie hautnah: Meine Erfahrungen während der Famulatur

Warum eine Famulatur in der Psychiatrie mehr ist als nur ein Praktikum

Für Studierende im Fach Humanmedizin bietet Vitos die Möglichkeit, eine vierwöchige Famulatur an einem gewünschten Einsatzort zu absolvieren. Im März 2023 war Marie-Therese Pusch als Famulantin bei uns. Sie studiert Medizin in Greifswald. Sie berichtet von ihren Eindrücken, Aufgaben und den Vorteilen, die eine Famulatur bei Vitos Haina bietet. Außerdem lässt uns die Famulantin teilhaben, wie die Eindrücke bei Vitos Haina ihre Sichtweise auf die Psychiatrie bereichert haben.

Kindheitswunsch trifft Realität: Der Weg zur Erfüllung meines Traums, Ärztin zu werden

Während meine Klassenkamerad/-innen in der Grundschule davon träumten, Tierärzt/-innen, Friseur/-innen oder Polizist/-innen zu werden, stand für mich bereits damals fest, dass ich eines Tages Ärztin werden möchte. Die Faszination für den menschlichen Körper und die Medizin trat schon in meinen damaligen Zeichnungen hervor. Ich habe versucht, die Anatomie, wie sie mit den Augen einer Sechsjährigen gesehen wird, möglichst korrekt wiederzugeben. Die Erwachsenen fanden das erst mal recht seltsam. Doch spätestens, als ich die letzte Zeile des Kinderliedes „Weiß, weiß, weiß sind alle meine Kleider“ von „Weil mein Schatz ein Müller ist“ in „Weil ich Ärztin werden will“ umdichtete, war mein zukünftiger Traumberuf wohl meinem gesamten Umfeld klar.

Ich habe mich nach erfolgreich bestandenem Abitur für das Studium der Humanmedizin an der Universität Greifswald eingeschrieben. Ich bin jeden Tag glücklich darüber, meinen Kindheitstraum verwirklichen zu können. Dank eines Stipendiums von Vitos kann ich nun den Druck, Ausbildung und Nebenjob unter einen Hut zu bringen, reduzieren und mich voll und ganz auf das Studium und mein Interessengebiet Psychiatrie konzentrieren. Vitos Haina gab mir die Möglichkeit, durch eine Famulatur, erste praktische Erfahrungen in der Psychiatrie zu sammeln.

Neue Interessen, alte Wurzeln: Mein Weg nach Haina

Während des Medizinstudiums habe ich mich im ersten Semester dazu entschieden, in der Augenklinik der Universitätsmedizin Greifswald zu arbeiten. Ich tat das, um praktische Erfahrungen zu sammeln und mein Studentenbudget etwas aufzubessern. Insgesamt vier Jahre habe ich neben dem Studium mit Begeisterung in der Ambulanz, dem OP und auf der Station gearbeitet. Doch als im vergangenen Semester die Vorlesungen für den Schwerpunkt der Psychiatrie stattgefunden haben, entwickelte sich der Wunsch, eine psychiatrische Klinik und die Arbeit dort näher kennenzulernen. Während meiner Recherche im Internet stieß ich auf Vitos und den Standort Haina. Für mich war Vitos Haina bereits ein Begriff, da meine Mutter in der Umgebung aufwuchs. Nach einer Bewerbung für das Stipendienprogramm und einigen Gesprächen mit dem ärztlichen Direktor Prof. Dr. med. Florian Metzger war der Weg für eine Famulatur in der Klinik in Haina geebnet.

Die verborgenen Schätze einer Famulatur in der Psychiatrie: Warum es die beste Entscheidung für Medizinstudent/-innen ist

Schon früh im Studium habe ich den psychischen Leidensdruck von Patient/-innen mit somatischen Erkrankungen wahrgenommen. Ich habe es mir zum Ziel gemacht, die Menschen als Ganzes zu sehen und sie nicht auf körperliche Diagnosen zu reduzieren. Für mich war klar, dass ich für die Verwirklichung dieses Ziels mehr Kenntnisse in der Psychiatrie und der Psychosomatik benötige. Deshalb entschied ich mich, eine Famulatur in diesem Bereich zu absolvieren.

Ich kann allen Medizinstudent/-innen sehr ans Herz legen, eine Famulatur in der Psychiatrie zu absolvieren. Meiner Ansicht nach dreht sich die Medizin nicht nur um Wissen, sondern vor allem um Menschen. Unter den Bergen von Lehrbüchern geht das oftmals unter.

Famulatur in der Psychiatrie: Wie ich die Zeit für Menschen wiederentdeckt habe

Bereits während des Studiums ist der Zeitdruck, der in den Kliniken und den Praxen herrscht, für mich deutlich spürbar. Innerhalb weniger Minuten hechtet man von der Anamnese zur Diagnose, was in Notfällen auch absolut berechtigt ist. Das psychische Befinden der Menschen bleibt jedoch in vielen Fällen hinter der körperlichen Diagnose und der Behandlung ungesehen stehen.

Anders stellt sich für mich die Arbeit mit psychischen Erkrankungen dar: Es wird menschenorientiert gearbeitet und die Krankheitsbilder sind sehr individuell. Ich konnte mir im Kontakt mit Patient/-innen Zeit nehmen und eine Vertrauens- und Beziehungsbasis aufbauen. Während des gesamten klinischen Aufenthalts beziehungsweise der ambulanten Betreuung gibt es zahlreiche Gespräche mit Patient/-innen. Sie sind essenziell für die Psychiatrie.

Station 10 und mehr: Ein tiefer Einblick in die Welt der Psychiatrie

Während der Famulatur war ich sehr frei mit der Auswahl der Klinikbereiche, die ich gerne näher kennenlernen wollte. Zu Beginn hatte Prof. Dr. med. Florian Metzger eine zweiwöchige Tätigkeit auf der Station 10, der geschlossenen Station für akute Psychiatrie, für mich vorgesehen. Neben Depressionen, Ängsten und Zwängen werden dort auch Patient/-innen mit psychiatrisch behandlungsbedürftigen Lebenskrisen aufgenommen. Der Kontakt zu Patient/-innen mit unterschiedlichsten Krankheitsbildern und Ausprägungen hat mir sehr tiefe Einblicke in die Arbeit einer psychiatrischen Klinik gegeben. Die Multiprofessionalität im Team und die Zusammenarbeit der verschiedenen Berufsgruppen machte das Tätigkeitsfeld für mich besonders faszinierend.

Prof. Dr. med. Florian Metzger organisierte für mich einen zweitägigen Einblick in die stationsäquivalente psychiatrische Behandlung. Ich durfte das mobile Team der Psychiater/-innen, Psychotherapeut/-innen und Krankenpfleger/-innen bei Hausbesuchen begleiten. Es war für mich eine beeindruckende Erfahrung, die Patient/-innen in vollstationärer Behandlung in ihrem häuslichen Umfeld zu erleben, nachdem ich den Großteil der bisherigen Praktika des Studiums in einem Universitätsklinikum verbracht habe.

Aufgrund der Offenheit aller Fachkräfte konnte ich in den vier Wochen, die ich in Haina verbracht habe, alle Bereiche der Klinik und der Ambulanz kennenlernen.

Famulatur in der Psychiatrie: Vertrauen aufbauen, Verantwortung übernehmen

Meine Tätigkeit auf der Station 10 hat mir die Möglichkeit gegeben, mein Fachwissen zu erweitern und mehr über psychische Gesundheit und Krankheit zu erfahren. Auch der Transfer von Theorie zur Praxis sowie die Kombination von somatischen und psychischen Erkrankungen haben die Arbeitstage sehr abwechslungsreich gestaltet. So verging die Zeit bei Vitos viel zu schnell.

Im Laufe der Famulatur habe ich eine Vielzahl von Aufgaben anvertraut bekommen. Ich durfte den Stationsarzt im stationären Alltag begleiten und tatkräftig unterstützen. Zu meinen Tätigkeiten gehörten unter anderem die Durchführung von Anamnesegesprächen mit Patient/-innen, die Erstellung von Behandlungsplänen sowie die Begleitung und Unterstützung bei verschiedenen Therapiemaßnahmen. Die Dokumentation und das Verfassen von Entlassungsbriefen sind aus dem Berufsleben ärztlicher Fachkräfte nicht mehr wegzudenken. Deshalb habe ich mir während der Gespräche mit den Patient/-innen Notizen zu aktuellen Anliegen, Befinden und möglichen Behandlungsmaßnahmen gemacht. Diese habe ich anschließend mit dem Stationsarzt besprochen und ausgearbeitet.

Während ich zu Beginn „das neue Gesicht“ auf der Station war und die Patient/-innen sehr an mir interessiert waren, wandelte sich diese Wahrnehmung innerhalb weniger Tage und ich wurde als fester Bestandteil des ärztlichen Teams angenommen. Die Patient/-innen sprachen mich häufiger an und baten mich um Unterstützung im Rahmen von Gesprächen.

Ich habe ein empathisches und wertschätzendes Team kennengelernt, das den Patient/-innen mit Verständnis und Zuwendung begegnet und mich aktiv in die klinischen Abläufe der Station eingebunden hat.

Famulatur in der Psychiatrie: Eine Erfahrung, die mich verändert hat

Ich habe bereits mehrere Monate Famulaturen in unterschiedlichen Bereichen absolviert. Von der Famulatur in Haina kann ich berichten, dass ich hier nicht nur als Studentin, sondern als Kollegin und als Mensch wahrgenommen wurde. Ich bin begeistert vom kollegialen Miteinander der unterschiedlichen Professionalitäten und dem Vertrauen, das man mir entgegenbrachte. In Haina konnte ich nicht nur mein Wissen aus dem Studium festigen, sondern auch persönlich wachsen.

Die Wertschätzung, die ich einerseits durch die Kolleg/-innen und andererseits durch die Organisation rund um meine Famulatur erfahren habe, ist mit keiner meiner bisherigen Erfahrungen im Studium zu vergleichen. Neben der Unterkunft, die mir kostenlos zur Verfügung gestellt wurde, durfte ich auch täglich das leckere Essen in der Personalkantine genießen und bekam für meine Tätigkeit im Tagdienst eine monatliche Vergütung von 400 Euro brutto.

Die Famulatur bei Vitos Haina war für mich eine besondere und äußerst wertvolle Erfahrung. Sie hat mich dem Fachbereich nähergebracht und mir eröffnet, wie abwechslungsreich und vielfältig die Psychiatrie sein kann.

Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei allen bedanken, die aus meiner Famulatur dieses unvergleichliche Erlebnis gemacht haben und ich hoffe, dass sich unsere Wege spätestens nach meinem Studium wieder kreuzen.