11 Dez. Selbsthilfe will gelernt sein
Psychoedukation auf der Adoleszentenstation durch DBT-A
Die Adoleszentenstation ist ein Ort voller Herausforderungen und Chancen. Jugendliche mit emotionaler Instabilität und psychiatrischen Erkrankungen benötigen besondere Unterstützung – hier kommt die Dialektisch-Behaviorale Therapie für Adoleszenten (DBT-A) ins Spiel. Unsere Kollegin Milena Lortz berichtet über das Arbeiten als DBT-A-Therapeutin.
Was hat Dich für das Arbeiten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie bewegt?
Milena Lortz: „Schon während meines Freiwilligen Sozialen Jahres wurde mir klar, dass ich beruflich mit Kindern und Jugendlichen arbeiten möchte. 2010 hatte ich meinen ersten Berührungspunkt mit Vitos – während meines FSJs bei Vitos Teilhabe. Im Anschluss entschied ich mich für eine Pflegeausbildung an der Vitos Schule für Gesundheitsberufe Riedstadt. Die ersten Erfahrungen im Pflegeberuf und im Einsatz auf der Kinder- und Jugendpsychiatrie entfachten bei mir die Leidenschaft für den Beruf“
Warum fasziniert Dich das Arbeiten mit Adoleszenten?
Milena Lortz: „Nach der abgeschlossenen Ausbildung arbeitete ich erstmal auf einer Station in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und sammelte dort immer mehr Praxiserfahrung. Aus persönlichen Erlebnissen resultierte mein Wunsch, den Fokus auf die sensible Phase der Heranwachsenden und damit auf die Adoleszenten zu setzen. Kein Kind mehr, aber auch noch keine erwachsene Person – in dieser Phase möchte ich Patient/-innen unterstützen. Als die Adoleszentenstation 2019 ins Leben gerufen wurde, habe ich mich direkt als Teil des Stationsteams beworben.“
Wieso hast Du Dich für die Weiterbildung als Therapeutin für Sozial- und Pflegeberufe in Dialektisch-Behavioraler Therapie mit Adoleszenten entschieden?
Milena Lortz: „Ich will einen Unterschied im Leben junger Menschen machen! DBT-A bietet mir die Möglichkeit, tiefgreifende Unterstützung und Veränderung bei den mir anvertrauten Patient/-innen zu bewirken. Die Dialektisch-Behaviorale Therapie mit Adoleszenten (DBT-A) ist ein psychotherapeutisches Angebot für heranwachsende Patient/-innen – wir arbeiten psychoedukativ. Das bedeutet, dass wir unsere Patientinnen und Patienten umfassend über ihre Erkrankung aufklären und sie dabei unterstützen, sie besser zu verstehen. Ich kann Patient/-innen individuelle Skills an die Hand geben, die ihnen im Alltag helfen, sich in Hochspannungsphasen zu regulieren. Ich hatte das Bedürfnis meine Arbeitsmethoden zu erweitern und meinem Handeln eine wissenschaftliche Basis zugrunde zu legen. Deshalb habe ich die Weiterbildung als Therapeutin für Sozial- und Pflegeberufe in Dialektisch-Behavioraler Therapie mit Adoleszenten absolviert.“
Was ist die Besonderheit von DBT-A?
Milena Lortz: „Im Zentrum der DBT-A stehen Achtsamkeit, Skillstraining und individuelle Krisenbewältigung, ergänzt durch Familienarbeit. Heranwachsende lernen, ihre Gefühle besser zu regulieren, impulsives Verhalten zu steuern und zwischenmenschliche Beziehungen zu stärken. Gleichzeitig werden auch die Eltern einbezogen, um Verständnis und Unterstützung zu fördern. Durch die klare Struktur und praxisnahe Methodik der DBT-A erleben die Patient/-innen nicht nur eine Verbesserung ihres Alltags, sondern gewinnen auch Perspektiven für die Zukunft. Die Therapie schafft einen sicheren Raum, in dem die jungen Menschen Schritt für Schritt Stabilität und Selbstwirksamkeit entwickeln können – ein entscheidender Meilenstein auf ihrem Weg zu einem selbstbestimmten Leben.“
Kannst Du ein Beispiel für einen Skill geben?
Milena Lortz: „Jeder Patient und jede Patientin nutzen ganz individuelle Skills. Oft probieren die Jugendlichen sich gemeinsam mit uns an unserem Skills-Schrank aus, um den für sie passenden Skill zu finden. Zu Beginn der Skills-Erkundung gebe ich den Patient/-innen gerne einen Igelball oder auch einen Akupressur-Chip in die Hand. Bei den zwei Skills handelt es sich um funktionale Schmerzreize – kleine, bewusst gesetzte Impulse auf der Haut oder den Fingern. Der Reiz kann als hilfreiche Ablenkung in Momenten von Stress und Anspannung dienen. Der temporäre Reiz lenkt ab, ist wie eine Art „Reset-Button“ in Hochspannungsphasen und gibt Zeit Gedanken neu zu ordnen. Durch diese Unterbrechung wird ein kurzer Moment der Achtsamkeit geschaffen. Eine kurzfristige Hilfe und vor allem langfristig ohne schädliche Auswirkungen. Zudem sind die Skills recht dezent und könne im Alltag oder der Schule unauffällig zum Einsatz kommen.“
WISSENSWERT
Vitos eröffnete am Standort Riedstadt die Adoleszentenstation als deutschlandweites Leuchtturmprojekt 2019
Die Adoleszentenstation ist ein klinikübergreifendes Kooperationsprojekt der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie der Erwachsenenpsychiatrie. Die Station behandelt junge Erwachsene im Alter von 16 bis 25 Jahren unter besonderer Berücksichtigung der spezifischen Entwicklungsaufgaben in der Adoleszenz.
Die Pionier-Station eröffnete neue Möglichkeiten für Mitarbeiter/-innen, sich themenschwerpunktbasiert weiterzubilden. Ein Themenschwerpunkt ist die Dialektisch-Behaviorale Therapie mit Adoleszenten.
DBT-A ist gezielte Unterstützung für Jugendliche mit Impulskontrollstörungen oder chronischer Suizidalität
Die Therapie umfasst spezielle Fähigkeiten, Skills und Module, um mit den emotionalen und verhaltensbezogenen Herausforderungen umzugehen, die Adoleszenten haben. Die Therapie hilft den Jugendlichen psychoedukativ dabei, in Stresssituationen unter Hochspannung ihre Frühwarnzeichen zu erkennen und mit den Skills ihre Gefühle und Emotionen zu kontrollieren und den Druck zu lindern. Diese Form der Therapie erfordert von den jungen Patient/-innen viel Mitarbeit. Chili-Bonbons, CenterShocks, Igelbälle, Tigerbalsam, Sport, Skills-Karten und Riechstäbchen sind nur eine Handvoll Skills, die im Rahmen der Behandlung durch die DBT-A ihren Einsatz auf der Adoleszentenstation finden.
Auf der Adoleszentenstation wird DBT-A nicht nur als Therapie, sondern auch als Haltung gelebt.
Das Ziel: Jugendliche dabei zu unterstützen, Selbstwirksamkeit zu erfahren, emotionale Stabilität zu gewinnen und Zukunftsperspektiven zu entwickeln – Schritt für Schritt, gemeinsam mit einem engagierten Team.