Welche Krankheiten Zecken übertragen können und wie man sie behandelt
Nun ja, es muss nicht immer Speck sein, aber ein Warmblüter ist dem Zeck immer recht. Von den 900 verschiedenen Zeckenarten, die übrigens zu den Milben gezählt werden und damit Spinnentiere sind, sind für uns in Europa – Gott sei Dank- nur wenige Arten von Interesse. Vor allem der gemeine Holzbock (Ixodes rizinus) liegt in unseren Breitengraden auf der Lauer und nimmt eine Blutspende – ganz ungefragt – während wir sorglos durch Feld und Wald streifen. Das wäre im Grunde ja nicht schlimm, denn das kleine Tierchen braucht nicht viel von unserem kostbaren Saft, wenn es nicht auch heimlich Krankheiten übertragen würde. Und da hört das Verständnis des Spenders auf. Niemand will eine Lyme-Borreliose oder eine Frühsommer Meningoencephalitis (FSME) geschenkt.
Prophylaxe
Wenn Sie also aus Wald und Flur zurückkommen, dann suchen Sie sich und ihre Kleidung und bei Kindern auch den Kopf gründlich nach Zecken ab. Je besser Sie ihre Haut bedecken, desto besser sind Sie geschützt. Je nackiger, desto besser für die Zecken. Merke: zwischen Knie und Sockenrand ist der Zecke Lieblingsland.
Haben Sie jedoch ein Spinnentier entdeckt, das sich bei Ihnen eingenistet hat, dann entfernen Sie es zügig mit einer Zeckenpinzette oder Zeckenkarte. Man muss von einem Zeckenstich nicht unbedingt krank werden. Nur 0,3 – 1,4 Prozent der gestochenen Personen werden krank. Daher ist eine direkte Gabe von Antibiotika, nur, weil die Zecke zugestochen hat, nicht erforderlich. Entscheidend ist, ob die Zecke mit Krankheitserregern beladen war und ob sie diese an den Wirt weitergibt. Sollte sich binnen sechs Wochen eine Rötung an der Einstichstelle zeigen, dann muss man etwas unternehmen.
Lyme-Borreliose
Die Lyme-Borreliose wird durch die Übertragung von der Spirochäte Borrelia burgdorferi hervorgerufen und ist die häufigste von Zecken übertragene Erkrankung in Europa. Sie ist eine Multisystemerkrankung und kann viele Organsysteme befallen. Besonders häufig sieht man Früh-Manifestation an der Haut (Erythema migrans) und am Nervensystem (Neuroborreliose). Hier können Erkrankungen wie Meningitis (Gehirnhautentzündung), Radikulitis (Nervenwurzelentzündung) oder Encephalomyelitis (Gehirn- und Rückenmarkentzündung) auftreten. Bei den Spätmanifestationen ist die Lyme-Arthritis besonders häufig.
Symptome der Neuroborreliose
Die Beschwerden treten meistens wenige Wochen nach einem Zeckenstich auf. Oft ist dem Infizierten kein Kontakt mit einem Holzbock erinnerlich, da sich diese gerne an schwer einsehbaren Orten festsetzen. Eine Radikulitis äußert sich in heftigen Schmerzen, die nachts betont sind und in ihrer Ausbreitung meistens dem Ausbreitungsgebiet eines Nervs entsprechen. Eine Meningitis würde sich in starken Kopfschmerzen äußern. Gelegentlich sind auch so genannte Hirnnerven betroffen, v.a. die der mimischen Muskulatur. Bei einer Encephalomyelitis, die allerdings sehr selten ist, treten durch Schädigung des zentralen Nervensystems eine spezielle Gangstörung und oft auch Lähmungen auf. Weitere extrem seltene Erscheinungsformen sollen hier jetzt nicht erwähnt werden. Alle diese Symptome können natürlich auch andere Ursachen haben und sind nicht spezifisch für eine Borreliose. Da es aber schmerzt oder sonstige auffällige Symptome hervorruft, werden Sie uns Ärztinnen und Ärzte aufsuchen. Und wir klären das dann für Sie.
Unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Depression und Antriebsarmut können begleitend auftreten und sind natürlich noch unspezifischer, als die oben genannten Beschwerden.
Diagnostik
Wenn Sie mit diesen schmerzhaften und unangenehmen Symptomen zu uns kommen, dann untersuchen wir Sie zunächst wie immer gründlich. Meistens erfolgt eine Bildgebung der betroffenen Region, um andere Ursachen auszuschließen. Dann würden wir eine Nervenwasserentnahme durchführen, denn dies ist die einzige Möglichkeit eine Neuroborreliose zu beweisen oder auszuschließen. Sie sollten davor keine Angst haben, die Technik ist einfach und Komplikationen extrem selten. Wenn sich dort die entsprechenden Veränderungen zeigen, dann beginnen wir unverzüglich mit der Therapie. Der alleinige Nachweis von Borrelien-Antikörpern im Blut sichert keine Borreliose, denn bis zu 20% der gesunden Bevölkerung (und bis zu 50% der Forstarbeiter) weist Borrelien-Antikörper im Blut auf.
Therapie
Die Therapie besteht aus der Gabe von Antibiotika. Hier kommen vor allem zwei Substanzen in Frage, die beide eine gute Wirksamkeit zeigen. Für welches man sich entscheidet, hängt vom jeweiligen Nebenwirkungsprofil und den Vorerkrankungen des Patienten ab. Wir verwenden gerne Ceftriaxon, was allerdings intravenös einmal täglich verabreicht werden muss. Doxycyclin ist ebenfalls gut geeignet, kann als Tablette gegeben werden, wird allerdings nicht von jedem gut vertragen. Weitere Antibiotika, die wirksam sind, wären Penicillin G und Cefotaxim. Die Gabe des Antibiotikums beträgt 14 Tage, bei verzögerter Diagnosestellung oder Spätform der Neuroborreliose auch bis zu 21 Tage. Weitere Antibiotikagaben über diesen Zeitrahmen hinaus hat in den Studien zu keiner Verbesserung geführt.
Ob die Therapie erfolgreich ist, sieh man an der Besserung der Symptome. Verlaufsbeurteilungen von Antikörpern bringen nichts. Wenn sich die Symptome gar nicht bessern wollen, dann sollte man eine erneute gründliche Diagnostik beginnen, denn dann gibt es vielleicht doch noch etwas Anderes als Borrelien als Krankheitsursache.
Impfung
Auf eine Impfung hoffen Sie leider vergeblich. Einen für den Menschen zugelassenen Impfstoff gibt es nicht.
Frühsommer-Meningoencephalitis (FSME)
Von der fehlenden Impfung gegen die Borreliose springen wir direkt zu einer weiteren Erkrankung, die durch Zecken übertragen werden kann. Gegen die FSME, die durch das gleichnamige Virus übertragen wird, kann man nämlich impfen und das sollte man auch tun, wenn man sich gerne in der Natur bewegt. Die Krankheitserreger sind in der gesamten Schweiz, in Österreich und in Süddeutschland stark verbreitet und bleiben leider nicht auf diese Regionen begrenzt. Auch Krankheitserreger haben mittlerweile die Globalisierung verstanden und breiten sich im Rausch der Klimaerwärmung weiter aus. Die FSME kann sehr schwer verlaufen, hinterlässt dann meistens neurologische Schäden und es gibt kein Virostatikum, was die Erkrankung stoppen kann. Also: ab dem 1. Lebensjahr sollten Sie sich gegen FSME impfen lassen.
Auch für die FSME gilt: nicht jeder Zeck trägt Krankheitserreger und nicht jede Infektion muss schwer verlaufen. Von den an FSME Erkrankten entwickeln jedoch 10 Prozent eine Meningoencephalomyelitis (Entzündung der Hirnhäute, des Gehirns und des Rückenmarks) und das ist eine schwerwiegende Erkrankung.
Wirtstiere für FSME-Viren sind übrigens nicht nur Menschen, sondern neben den im Wald heimischen Mäusen auch Ziegen, Schafe und Rinder. Der Zeck sticht auch anderen gerne in den Speck. Da auch Nutztiere befallen werden, sollten in Endemiegebieten keine unpasteurisierten und nicht gegarten tierischen Produkte verzehrt werden. Achten Sie hier v.a. auf Milchprodukte!
Symptome
Die Symptome sind zunächst wie bei starker Grippe oder Covid: Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Fieber und Kopfschmerzen. In dieser ersten Woche ist im Serum und Nervenwasser in der Regel noch nichts nachzuweisen. Nach einer Phase der Besserung tritt das Fieber erneut auf und die 2. Phase der Erkrankung beginnt. Die meisten Erkrankten haben nur starkes Fieber und die üblichen Allgemeinsymptome, aber je älter der Mensch und je schlechter die Immunabwehr ist, desto eher entwickeln sich neurologische Symptome. Hier sind v.a. die Symptome einer Meningitis mit heftigen Kopfschmerzen zu nennen, die sich nicht von anderen viralen Meningitiden unterscheiden. Werden auch das Gehirn (Encephalitis) und das Rückenmark (Myelitis) infiziert, dann treten in der Regel Bewusstseinsstörungen, Lähmungen, Schluckstörungen, Hirnnervenlähmungen, epileptische Anfälle und viele weitere schlimme Symptome auf.
Diagnostik
Wir werden natürlich wie immer unsere Patienten gründlich untersuchen und auch erfragen, ob sie sich in einem Endemiegebiet aufgehalten und/oder ob Sie vielleicht dort auch Rohmilchkäse verzehrt haben. Die Symptome müssen zu dem Krankheitsbild passen und wie bei der Neuroborreliose versuchen wir konkurrierende Erkrankungen auszuschließen. Auch bei Verdacht auf FSME werden wir zur Nadel greifen und eine Nervenwasserentnahme durchführen und nach spezifischen Antikörpern zu fahnden. Da viele virale Infektionen ähnliche Symptome machen, ist die serologische Suche immer breit gefächert.
Therapie
Eine gezielte Therapie gibt es wie bei den meisten viralen Infektionen nicht. Damit ist eigentlich alles gesagt. Man kann Symptome lindern, aber zerstörtes Nervengewebe wird sich nicht erholen.
Fazit
Nacktheit am Strand ist günstiger als im Wald und im Feld. Tragen sie lange Hosen beim Wandern und suchen Sie sich hinterher auch gut nach den Winzlingen ab. Zecken können sich mit einer Geschwindigkeit von 5,4 m/Stunde fortbewegen und sind daher nicht nur an den Beinen zu suchen. Lassen Sie sich gegen FSME impfen, wenn Sie gerne wandern oder zu einer Risikogruppe gehören und verlassen Sie sich nicht darauf, dass die infizierten Zecken in ihrem Endemiegebiet bleiben.
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