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Therapeuten auf vier Pfoten

Tiergestützte Therapie in der forensischen Psychiatrie

Hunde begegnen psychisch kranken Rechtsbrecher/-innen wie allen anderen Menschen auch: Zugewandt und vorbehaltlos. Diese positive Eigenschaft machen wir uns in der die Klinik für forensische Psychiatrie Riedstadt zu eigen und bieten die tiergestützte Therapie bereits seit 2017 an. Die drei ausgebildeten Therapiehunde Chance, Taavi und Linus begleiten ihre Besitzer Linda und Axel regelmäßig. Die beiden arbeiten als Ergotherapeut beziehungsweise Ergotherapeutin in unserer Klinik. Wie ihr Arbeitsalltag aussieht und welche positiven Effekte er mit sich bringt, lesen Sie in diesem Blogartikel.

Die Gründung der tiergestützten Therapie

Was können wir für langjährige, psychisch schwerstkranken Patient/-innen tun, die von dem bisherigen vielseitigen Angebot Nichts annehmen wollen oder können? Mit dieser Frage haben sich unsere Therapeut/-innen sowie Ärzte und Ärztinnen der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Riedstadt vor vier Jahren beschäftigt. Sie hatten festgestellt, dass zum Beispiel das Sportangebot oder die Holzarbeiten in der Ergotherapie für einige Betroffene aufgrund ihres Alters oder ihrer körperlichen Verfassung zu anstrengend waren. Andere Patient/-innen waren sehr verschlossen und für kein Angebot zugänglich.

Gerade die Eigenheiten des forensischen Settings, wie unregelmäßiger Kontakt zur Außenwelt oder die seltene Wärme anderer Lebewesen, sei es Mensch oder Tier, sprachen für den Einsatz der tiergestützten Therapie. Diese setzten wir in Riedstadt zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgreich in der Kinder- und Jugendpsychiatrie ein. Mit Therapiebegleithund Chance boten wir sie 2017 erstmals auch im Maßregelvollzug an. Zwei Jahre später kamen Taavi und Linus als Hundewelpen dazu.

Einsatzmöglichkeiten der vierbeinigen Therapeuten

Die tiergestützte Therapie, die an die Ergotherapie angegliedert ist, wird vielseitig eingesetzt: Grundsätzlich ist sie für die Behandlung aller Krankheitsbilder in der forensischen Psychiatrie geeignet. Diese reichen von der Persönlichkeitsstörung bis zum hirnorganische Psychosyndrom. Die beiden Australian Kelpies Chance und Taavi sowie Bearded Collie Linus begleiten unsere Ergotherapeuten zur Einzel- oder Gruppentherapie mit psychisch kranken Menschen. Dabei arbeiten sie sowohl mit Patient/-innen, die teilweise Freigang haben, als auch mit Rechtsbrechern der höchsten Sicherheitsstufe. Unsere Behandler/-innen setzen die Hunde entweder bewusst bei einzelnen Übungen mit den Patienten ein oder sie laufen als Begleiter mit. Außer den Hygienebereichen, wie Waschräume und Küche, nutzen sie dafür alle Räume in der Klinik für forensische Psychiatrie. Das Behandlungsangebot stimmen wir immer individuell ab. Es richtet sich nach der Tagesform von Mensch und Tier.

Positive Effekte

Die drei freundlichen Hunde gehen offen und vorurteilsfrei auf alle Menschen zu. Dabei können sie das Stimmungsbild ihres Gegenübers schlagartig positiv verändern. Wenn zum Beispiel ein Patient niedergeschlagen zu einer Therapiesitzung kommt, registrieren die Vierbeiner das schnell. Die Therapeuten Linda und Axel können häufig beobachten, wie ihre Tiere schwanzwedelnd auf den Betroffen zugehen und ihn herzlich begrüßen. Dieser reagiert, indem er die Hunde streichelt und dabei ein Lächeln auf den Lippen hat. Im anschließenden Therapiegespräch zeigt sich der Patient positiver gestimmt und ist zugänglicher.

Das Hunde-Trio hat nicht nur auf die psychisch kranken Rechtsbrecher/-innen eine positive Wirkung, sondern auch auf die Mitarbeiter/-innen der Klinik. Auch sie freuen sich, wenn sie ihre tierischen Kollegen sehen und streicheln können und sind sich einig: Das Streicheln der Tiere beruhigt, wirkt entspannend und ist nach wie vor etwas Besonders.

Das Wohl der Hunde

Neben den vielen Vorteilen, die die individuellen Einsatzmöglichkeiten der tiergestützten Therapie mit sich bringen, ist nicht zu unterschätzen, dass die Therapiesitzungen für die Hunde auch fordernd sind. So müssen sie zum Beispiel die Emotionen, die sie wahrnehmen, verarbeiten. Daher sind Ruhe- und Auszeiten wichtig. Die Hunde haben feste Termine mit dem Patient/-innen und sind nicht jeden Tag in der Klinik. Wenn sie vor Ort sind, haben sie in der Mittagszeit immer frei. Außerdem steht ihnen ein eigener, separater Raum zur Verfügung, in den sie sich zurückziehen können.

Neues Therapiekonzept ab nächstem Jahr

Ab Januar 2022 wird mit „Hundskerle TGT“ ein standardisiertes und evaluiertes Therapiekonzept an den Start gehen. Dabei wird eine kleinere Patientengruppe über einen Zeitraum von sechs bis acht Monaten mit den Hunden Chance und Taavi arbeiten. Dieses Therapiekonzept fand zunächst ausschließlich in Justizvollzugsanstalten Anwendung und wird ab nächstem Jahr erstmalig im Maßregelvollzug angeboten. Durch die freie Interaktion mit den Hunden im gezielten Wechselspiel zwischen verbaler und nonverbaler Kommunikation schulen Patienten/-innen ihre sozio-emotionalen Kompetenzen. Zudem erfahren sie durch die Rückmeldung, welche ihnen die Hunde in den Übungen geben, mehr über sich selbst.