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Vitos Beratungshotline

Erste Anlaufstelle für Mitarbeiter/-innen, um sich über psychische Belastungssituation austauschen

Über die Vitos Beratungs-Hotline können sich alle Mitarbeiter/-innen in einem vertraulichen – auf Wunsch auch anonymen – Telefonat mit einem fachlich versierten Supervisor über aktuell bestehende psychische Belastungssituationen austauschen.

Wie kam es zu dem Angebot? Wie wird es genutzt? Und was kann jeder Einzelne tun, wenn er oder sie sich psychisch belastet fühlt?

Personalreferentin Sarah Junghans hat darüber mit Dr. Peter Wehmeier und Dr. Annika Kohl gesprochen.

Herr Dr. Wehmeier, Sie haben die Einführung der Hotline mit initiiert. Wie kam es zu der Idee, das Angebot zu schaffen?

Dr. Peter Wehmeier: Seit vielen Jahren befasse ich mich mit dem Thema Stress im Arbeitskontext. Dieses Thema ist leider immer noch ein Tabuthema, das oft nur mit Familienangehörigen oder Personen aus dem engsten Freundeskreis besprochen wird. Dabei ist Überforderung und Erschöpfung ein leider sehr weit verbreitetes Problem in der heutigen Arbeitswelt. Eine Studie des Robert-Koch-Instituts zur Prävalenz von Burn-out bei Erwachsenen in Deutschland zeigte, das 5,2 Prozent der befragten Frauen und 3,3 Prozent der befragten Männer angaben, unter Burn-out zu leiden. Während der Pandemie sind diese Zahlen vermutlich gewachsen. Mir war es daher ein großes Anliegen, den Betroffenen etwas an die Hand zu geben, das ihnen hoffentlich helfen würde, aus Überlastungs- oder Überforderungssituationen wieder herauszukommen.

Um die Selbstwirksamkeit des Einzelnen zu stärken, habe ich ein Selbstmanagementkonzept entwickelt, bei dem es um fünf wichtige Lebensbereiche geht:

Diese Lebensbereiche gehen uns alle an und haben mit psychischer Stabilität und seelischem Wohlbefinden zu tun. Daher entstand die Idee, eine Beratungshotline für Vitos Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einzurichten, die im Arbeitskontext oder auch im privaten Leben psychischen Belastungen ausgesetzt sind und diese mit einem erfahrenen Berater besprechen möchten.

Frau Dr. Kohl, mit welchen Problemen wenden die Anrufer sich an die Hotline?

Dr. Annika Kohl: Das ist sehr unterschiedlich. Die Probleme reichen von Fragen zur Arbeitsorganisation, über Schwierigkeiten im Umgang mit Patienten und Patientinnen hin zu Teamkonflikten. Aber auch persönliche Probleme der Anrufer werden als Anliegen benannt. Häufig mischen sich die beruflichen und privaten Probleme auch. Beispielsweise kann der Suizid eines Patienten oder einer Patientin auch persönlich belasten und Mitarbeiter/-innen den Schlaf rauben.

Können Sie anhand eines anonymen Beispiels schildern, wie Sie konkret weiterhelfen?

Dr. Annika Kohl: Es gab mal einen Mitarbeiter, der Gewalt durch einen Patienten erfahren hatte und im Anschluss Ängste im Umgang mit dem Patienten entwickelte. Ich habe dem Mitarbeiter in seinem Erleben validiert. Das bedeutet, dass ich nachvollziehen konnte, wie es zu dem emotionalen Erleben kam und dass es sicher vielen Menschen so ergangen wäre. Der Mitarbeiter war erleichtert, dass seine Reaktion auf Verständnis trifft und aus den Ereignissen ableitbar ist. Im nächsten Schritt haben wir überlegt, was ihm konkret helfen könnte, wieder mehr Kontrollerleben herzustellen, um sich sicherer zu fühlen.

Generell glaube ich, dass ein empathisches Zuhören und Verstehen des Gegenübers schon die Belastung reduziert. Ich versuche auch meist eine Verbindung zwischen den Auslösern und dem emotionalen Erleben herzustellen. Häufig schafft das Einordnen der Symptomatik auch ein Gefühl von Kontrolle. Und Sicherheit gehört ja zu den Grundbedürfnissen der meisten Menschen.

Gibt es Tipps, was man selber tun kann, wenn man sich belastet fühlt?

Dr. Annika Kohl: Es kommt natürlich immer auf die Situation an. Dem Anrufer aus dem obigen Beispiel würde ich raten, sich soziale Unterstützung im Team zu suchen oder im QM-Handbuch nach beschriebenen Vorgehensweisen im Krisenfall zu suchen.

Bei Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion wie in Teamkonflikten rate ich gerne auf Botschaften wie „Du machst das immer…!“ zu verzichten und stattdessen davon zu sprechen wie die Reaktion des Gegenübers bei einem selbst ankommt. So ein Satz könnte beginnen mit „Ich fühle mich …, wenn du …“. Gleichzeitig ist es sinnvoll, Wünsche klar zu benennen. Solche Veränderungen vereinfachen die Kommunikation, weil weniger Spielraum für Interpretation bleibt.

Merken Sie bei Ihrer Tätigkeit Auswirkungen der Pandemie und des Ukrainekrieges, die ja für viele Menschen sehr belastend sind?

Dr. Annika Kohl: Es kam schon vor, dass berufstätige Eltern beschrieben haben, dass sich die coronabedingten Einschränkungen in der Kinderbetreuung und -beschulung auf die Arbeitsorganisation und die allgemeine Belastung ungünstig ausgewirkt haben. Das zieht dann natürlich einen Rattenschwanz nach sich, der sich zum Beispiel in einem knapp besetzten Team auch in der Teamatmosphäre widerspiegeln kann.

Anrufer oder Anruferinnen, die sich wegen Belastungen in Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine gemeldet haben, hatten wir noch keine.

Wo liegen die Grenzen des Angebots?

Dr. Peter Wehmeier: Die Beratungshotline ist eine erste Anlaufstelle für Vitos Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die sich in einem vertraulichen – auf Wunsch auch anonymen – Telefonat mit einem fachlich versierten Berater über ihre aktuell bestehende psychische Belastungssituation austauschen möchten. Die Hotline kann und soll eine Psychotherapie nicht ersetzen!

Das Interview führte Sarah Junghans