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„Was ist Dein Herzenswunsch?“

Mehr Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderung: Wie das gelingt, schildert Teilhabeplanerin Petra Guckelsberger.

Mehr Teilhabe und Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderung – das will das Bundesteilhabegesetz (BTHG) ermöglichen. „Der Gedanke hinter diesem Gesetz ist ein wirklich guter“, findet Petra Guckelsberger. Sie arbeitet als Teilhabeplanerin der Vitos Behindertenhilfe, Region Weilmünster. Gemeinsam mit ihren Kolleg/-innen setzt sie das BTHG in der Praxis um. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben: Herausfinden, welche Wünsche und Bedürfnisse die Klientinnen und Klienten haben.

Das Bundesteilhabegesetz bringt für die Arbeit in der Behindertenhilfe viele Veränderungen mit sich. Eine der größten Änderungen: Leistungen orientieren sich nun an dem individuellen Bedarf des Menschen mit Behinderung – und nicht mehr an dem, was eine Einrichtung anbieten kann. Diesen individuellen Bedarf zu ermitteln, gehört zu den Aufgaben von Petra Guckelsberger.

Es ist ein Herantasten an die Bedürfnisse

Welche Ziele hast Du im Leben? Was ist Dein Herzenswunsch? – Es sind keine Fragen, die sich leicht beantworten lassen. „Antworten zu finden für jemanden, der kognitiv stark eingeschränkt ist oder nicht sprechen kann, ist schon eine große Herausforderung“, sagt Guckelsberger. Dass ein Bewohner oder eine Bewohnerin klar äußere „Ich möchte selbst kochen“ oder „Ich möchte in einer Partnerschaft leben“, sei selten. In der Praxis sei es oftmals ein Herantasten an die Wünsche und Bedürfnisse. Mit kleinen Veränderungen im Alltag gelte es herauszufinden, womit sich eine Bewohnerin oder ein Bewohner wohlfühlt. „Im Kern geht es darum, den Klientinnen und Klienten nichts überzustülpen, nur, weil wir glauben, dass es gut für sie ist.“

Teilhabe für Menschen mit Behinderung

Mehr Selbstbestimmung im Alltag: Klient bei der Gartenarbeit in einer Wohnstätte der Vitos Behindertenhilfe Weilmünster.

Für Petra Guckelsberger ist es hilfreich, dass sie viele Jahre mit Menschen mit Behinderung gearbeitet hat und die Praxis gut kennt. Die gelernte Erzieherin arbeitet seit 1999 bei der Behindertenhilfe von Vitos Teilhabe in Weilmünster, erst in einer Wohngruppe, dann als kommissarische Gruppenleiterin, später als Teamleiterin zweier Wohnstätten. Als eine Teilhabeplanerin für die Region Weilmünster gesucht wurde, wechselte sie 2021 in die Verwaltung. „Das war für mich eine große Umstellung. Aber ich muss sagen: Das ist ein toller Job, der mir wirklich viel Spaß macht.“

Begleitung bei der Aufnahme

Zu den Aufgaben der Teilhabeplanerin gehört es, die Aufnahme neuer Bewohnerinnen und Bewohner zu begleiten. Schon die Anfrage nach einem Platz landet bei Guckelsberger. Sie schaut dann, welche Wohnstätte für den Menschen mit Behinderung passend sein könnte, ihm den richtigen Rahmen bietet. Um sich ein möglichst gutes Bild machen zu können, lässt sie sich alle Unterlagen schicken und sucht auch den persönlichen Kontakt. Dazu besucht sie die Menschen dort, wo sie bislang leben. Das kann das Elternhaus sein oder auch eine andere Einrichtung. Dadurch kann sie einen Eindruck gewinnen, welche Kompetenzen die Menschen mitbringen, welchen Unterstützungsbedarf sie haben und welche Rahmenbedingungen benötigt werden. Auch mit Angehörigen, Betreuer/-innen oder Mitarbeitenden spricht sie. „Diese Besuche und Gespräche empfinde ich als sehr bereichernd. Ich lerne dadurch viele tolle Menschen kennen.“

Wie eigenständig kann der künftige Bewohner bzw. die künftige Bewohnerin leben? Passt der Grad der Eigenständigkeit zu dem der anderen Bewohner/-innen in einer Wohnstätte? Welche Tagesstruktur wäre geeignet? Wo gibt es hier freie Plätze? – Mit all diesen Fragen befasst sich Guckelsberger vorab. Wenn die Rahmenbedingungen passen und ein Platz frei ist, begleitet die Teilhabeplanerin die neuen Bewohnerinnen und Bewohner auch bei der Aufnahme und kümmert sich um alles Formale.

Petra Guckelsberger

Gehört auch zum Aufgabengebiet: Petra Guckelsberger berät und schult ihre Kolleginnen und Kollegen.

Ein weiterer Aufgabenbereich ist die fachliche Beratung der Kolleginnen und Kollegen. Guckelsberger nennt ein Beispiel: Als ein Klient in einer Wohnstätte herausforderndes Verhalten zeigte, war sie früh eingebunden. „Wir haben gemeinsam einen Kriseninterventionsplan erstellt. Daraus konnten wir Maßnahmen ableiten. Dazu gehörte beispielsweise, dass wir die Umgebung für den Klienten reizärmer gestaltet haben.“

Fachleistungen neu bewerten

Ein großer Aufgabenbereich ist für Guckelsberger aber natürlich die Bedarfsermittlung und die Teilhabeplanung für die Bewohnerinnen und Bewohner. Eine komplexe Aufgabe: Mit der Umsetzung der neuesten gesetzlichen Bestimmungen ändert sich die Abrechnung von Fachleistungen. Unterschieden wird nun zwischen qualifizierenden und kompensatorischen Assistenzleistungen. Also einerseits Leistungen, die die Fähigkeiten der Bewohner/-innen erhalten und erweitern sollen. Und andererseits Leistungen, die eine dauerhafte Unterstützung im Alltag darstellen. Auch zwischen Gruppen- und Einzelleistungen wird unterschieden. „Das ist mit einem hohen Aufwand verbunden. Wir müssen nun bei jeder Leistung, die wir für einen Bewohner oder eine Bewohnerin erbringen, erstmal wieder genau prüfen, was es eigentlich für eine Leistung ist“, sagt Guckelsberger. Die Umsetzung des BTHG sei ein herausfordernder Prozess, in den fast alle Kolleginnen und Kollegen bei Vitos Teilhabe eingebunden seien.

Trotzdem findet Guckelsberger, dass es richtig ist, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Womit wir wieder bei den Herzenswünschen der Klientinnen und Klienten wären. Und die sind sehr vielfältig. Und manchmal schlicht unerfüllbar: „Ich möchte mal ein Einhorn sehen“, sagte eine Klientin. Da kann auch Petra Guckelsberger nicht weiterhelfen.