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Weilburg hat eine psychiatrische Tagesklinik

Am 13. Februar 2015 haben wir in Weilburg eine neue psychiatrische Tagesklinik eröffnet. Damit wollen wir das gemeindepsychiatrische Versorgungsspektrum im Landkreis Limburg-Weilburg komplettieren. Die Tagesklinik bietet 15 Behandlungsplätze.

Der Bedarf an tagesklinischen Angeboten ist hoch. Das zeigt der Blick auf die psychiatrische Tagesklinik in Limburg. Sie ist die bisher einzige psychiatrische Tagesklinik für Erwachsene im Landkreis Limburg-Weilburg. Deren Auslastung ist durchgehend hoch. Parallel gibt es eine Warteliste mit durchschnittlich 30 Patienten. Ähnliches trifft für die psychiatrische Tagesklinik in Wetzlar, einer Außenstelle der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Herborn zu. Diese liegt im benachbarten Lahn-Dill-Kreis, 26 km von Weilburg. Die neue Tagesklinik in Weilburg schließt also eine Versorgungslücke.

Für wen kommt eine tagesklinische Behandlung in Frage?

Psychiatrische Tageskliniken sind eine Alternative oder Ergänzung zur vollstationären Therapie, wenn ambulante Hilfe nicht mehr ausreicht und intensivere Therapieangebote notwendig werden, aber der Kontakt des Patienten zu seinen Angehörigen und seinem sozialen Umfeld erhalten bleiben soll. Das ist in einer Tagesklinik in einem höheren Maße möglich, als es eine vollstationäre Behandlung erlaubt.

Was unterscheidet die tagesklinische Behandlung von einer vollstationären psychiatrischen Behandlung?

Im Unterschied zu vollstationären psychiatrischen Kliniken halten sich die Patienten in der Tagesklinik nur tagsüber auf, daher der Name. Den Abend, die Nacht und das Wochenende verbringen sie zu Hause in ihrem vertrauten Umfeld.

Die Tagesklinik Weilburg öffnet an den Werktagen um 7.45 Uhr. Über Tag finden dann die Therapien statt, unterbrochen von dem gemeinsamen Mittagessen aller Patienten und einer kurzen Mittagspause. Von Montag bis Donnerstag endet der Tag mit einer Abschlussrunde um 16.15 Uhr, freitags bereits um 14.30 Uhr.

Viele Erkrankungen können tagesklinisch behandelt werden

Wir bieten als Tagesklinik das gleiche Angebot an Diagnostik und Therapie, wie eine psychiatrische Klinik und decken so ein großes Spektrum an psychischen Erkrankungen ab, z. B. Depressionen, Angsterkrankungen, schizophrenen Psychosen, Persönlichkeitsstörungen etc.

Ein Behandlungsschwerpunkt, der die Tagesklinik Weilburg derzeit von den Angeboten anderer Tageskliniken in der Region abhebt, bilden psychische Erkrankungen des Alters ab dem 60.-65. Lebensjahr und älter, sogenannte gerontopsychiatrische Störungen.

Hier richtet sich das Behandlungsangebot vornehmlich an Menschen mit Altersdepressionen oder Angsterkrankungen im Alter, aber auch leichten kognitiven Beeinträchtigungen. Auch differentialdiagnostische Fragen, das meint z. B.  die Abgrenzung einer Depression im Alter gegen eine beginnende Demenz, gehören zu unseren Aufgaben.

Inhaltlich geht es in den Therapien unter anderem darum, sich mit den Herausforderungen des Alterns auseinander zu setzten.

Bezüglich tagesklinischer gerontopsychiatrischer Angebote besteht eine Unterversorgung. Dieses mag in Teilen dem demografischen Wandel geschuldet sein. Ich denke aber darüber hinaus, dass sich die Gerontopsychiatrie und insbesondere auch die Alterspsychotherapie erst in den letzten ca. 20 Jahren wirklich als eigenständiges Fachgebiet innerhalb des psychiatrischen Arbeitens etabliert haben und die angemessene Aufmerksamkeit erfahren.

Typischerweise entsteht eine Latenzzeit, bis sich neue Sichtweisen in der Breite auch in den konkreten Behandlungsangeboten widerspiegeln. Diese Durchdringung lässt in den letzten Jahren auch immer mehr gerontopsychiatrische tagesklinische Angebote entstehen.

Voraussetzung für die Aufnahme sind Volljährigkeit, das Bestehen eines seelischen Leidens, die Suche nach Veränderung/Hilfe und das eigenständige Aufsuchen der Tagesklinik, z. B. mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder privatem PKW, sowie Absprachefähigkeit.

Für wen kommt eine Behandlung in der Tagesklinik Weilburg weniger in Frage?

Begrenzungen hinsichtlich einer Aufnahme sind weniger diagnosespezifisch begründet. Es werden also nicht grundsätzlich Menschen mit einer bestimmten seelischen Erkrankung von der Aufnahme ausgeschlossen, sondern aufgrund der Akuität und Schwere der bestehenden Erkrankung. So ist es für uns sicherlich schwierig, Menschen mit akuten Abhängigkeitsproblematiken oder einer akuten Selbst- oder Fremdgefährdung bei fehlender Steuerungs- und Bündnisfähigkeit tagesklinisch zu begleiten. Auch Menschen mit einer hochgradigen Demenz, die z. B. sehr anpassungs- und umstellungserschwert sind und aufgrund von Orientierungsstörungen mit Weglauftendenz in hohem Maße einer Einzelbetreuung bedürfen, können wir keine angemessene Unterstützung anbieten.

Wie kommen die Patienten zu uns in die Tagesklinik?

Der Kontakt zu den Patienten wird in der Regel durch Hausärzte oder niedergelassene Psychiater/Psychotherapeuten vermittelt. Interessenten können aber auch gerne direkt Kontakt mit uns aufnehmen.

Darüber hinaus erwarten wir Zuweisungen aus den psychiatrischen Ambulanzen und den psychiatrischen Kliniken in der Region, letzteres im Sinne einer Nachsorge oder besser Stabilisierungsphase. Die Tagesklinik ist aber auch gut geeignet, um einer vollstationären Behandlung vorzubeugen. Man spricht dann von einer tagesklinischen Krisenintervention.

Wir bitten Interessenten an einer tagesklinischen Behandlung in der Regel, mit uns vor einer Aufnahme einen Termin für ein sogenanntes ambulantes Vorgespräch zu vereinbaren. Dieses bietet einen Rahmen, sich über die Erwartung Betroffener an die Behandlung, aber auch deren Möglichkeiten und Grenzen aus Sicht der Mitarbeiter auszutauschen. Dieses Vorgehen soll dazu beitragen, Missverständnissen, Momenten der Kränkung, der Enttäuschung und damit letztendlich Behandlungsabbrüchen vorzubeugen.

Unsere Aufgabe beginnt

Mit der Eröffnung der Tagesklinik beginnt auch unsere Arbeit als multiprofessionelles Behandlungsteam hier an diesem Standort.

Die größte Berufsgruppe unseres tagesklinischen Teams bilden die pflegerischen Mitarbeiter. Sie bringen durchweg eine umfassende Berufserfahrung ein. Der pflegerische Stationsleiter ist Fachpfleger für Psychiatrie. Weiter arbeiten im Team eine Ergotherapeutin, eine Physiotherapeutin (Schwerpunkt Bewegungstherapie, Entspannung), eine Tanz- und Theatertherapeutin sowie ein Psychologe im Praktikum, eine Psychologin und eine Sozialarbeiterin. Im ärztlichen Dienst sind eine Assistenzärztin und ich als Facharzt beschäftig.

Eine gute Zusammenarbeit im Team ist mir ausgesprochen wichtig.

Meine Aufgabenschwerpunkte liegen in der Diagnostik und der Therapie. Ich bin Bezugstherapeut für circa die Hälfte unserer Patienten, führe Gespräche mit diesen, sofern möglich gemeinsam mit den pflegerischen Bezugspersonen. Gemeinsam mit Kollegen anderer Berufsgruppen leite ich auch Gruppen, zum Beispiel Gesprächsgruppen oder Psychoedukationsgruppen. Ich versuche, insbesondere mit Blick auf unsere therapeutische Haltung im Team meine Erfahrungen einzubringen.

Blick in die Zukunft

Psychiatrische Versorgungsangebote unterliegen einem immer rascheren und komplexeren Wandel. Sie sind insofern gleichermaßen Spiegel und Abbild des gesellschaftlichen Wandels allgemein.

Wie gelingt es Behandlungsangebote zu schaffen, die es auch in Zukunft ermöglichen, eine hohe Behandlungsqualität in der psychiatrischen Arbeit sicherzustellen und sich an den Bedürfnissen der Patienten zu orientieren?

Ich halte den Ausbau differenzierter ambulanter Angebote für besonders vordringlich, gerade in der aufsuchenden Behandlung auch von psychisch akut erkrankten Menschen (z .B. Home Treatment).

Neue psychiatrische Tageskliniken, wie jetzt in Weilburg, könnten die Entwicklung hin zu einer stärker durch ambulante Behandlungsangebote bestimmten und somit auch „offeneren Psychiatrie“ unterstützen. Vielleicht gelingt es uns, dort in den kommenden Jahren einen Beitrag in diese Richtung zu leisten. Dafür ist auch der Aufbau einer angegliederten psychiatrischen Ambulanz geplant. Ich wünsche es mir.