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Wenn die Nacht zum Fürchten wird

Schlafstudie des Vitos Waldkrankenhauses Köppern beschäftigt sich mit Albträumen

Albträume sind ein universelles Phänomen. Obwohl fast jeder von uns im Laufe seines Lebens selbst mindestens einen Albtraum erlebt hat, wissen Forscher noch immer nicht genau, was einen Albtraum auslöst oder was während eines Albtraums im Gehirn passiert. In der Abteilung für psychiatrische Neurophysiologie im Vitos Waldkrankenhaus Köppern versuchen wir, genau das zu erforschen.

Albträume sind weit verbreitet

Albträume sind definiert als belastende und angsterfüllte Träume, die zu einem Erwachen führen. Sie sind ein bekanntes und auch weit verbreitetes Phänomen, insbesondere bei Kindern. Bei Erwachsenen, die nicht gerade unter besonderen Belastungen, wie zum Beispiel einer psychischen oder körperlichen Erkrankung leiden, treten Albträume nur selten auf. Manche Menschen jedoch leiden sehr häufig unter Angstträumen. Es kommt auch vor, dass ein und derselbe Albtraum scheinbar immer wiederkehrt. Das wird oftmals als zusätzliche Belastung empfunden.

Es gibt viele verschiedene Dinge, die einen Traum zum Albtraum werden lassen: in eine tiefe Schlucht zu fallen oder verfolgt zu werden; sich nicht bewegen zu können oder von seltsamen Kreaturen angegriffen zu werde; wehrlos zu sein. So fantasievoll und unterschiedlich normale Träume sein können, so fantasievoll und unterschiedlich können auch Albträume sein. Doch es gibt große Unterschiede: Albträume lösen Gefühle von Angst und Unbehagen aus und wir wachen von ihnen auf. Oft haben wir danach Probleme, wieder einzuschlafen. Meist, weil der Albtraum so verstörend war und wir uns sorgen, ob der Traum ein Omen für das darstellt, was in der Zukunft auf uns warten könnte.

Kinder haben besonders viele Albträume

Kinder haben besonders viele Albträume. Fast alle Eltern können von Versuchen berichten, ihr weinendes Kind zu trösten. Ihm glaubhaft zu versichern, dass der Traum eben nur ein Traum war, nicht die Wirklichkeit. Mit zunehmendem Alter werden die Albträume seltener. Zumindest berichten die meisten Menschen, dass sie höchstens einmal im Jahr einen Albtraum haben. Häufig tun sie diesen als eher lästiges Vorkommnis ab.

Doch es gibt Menschen, die mehrmals die Woche oder sogar mehrmals pro Nacht aufschrecken, weil sie schlecht geträumt haben. Manchmal kann das so weit führen, dass die Träumer Angst haben, einzuschlafen. Die Folgen können gravierend sein. Die Qualität des Schlafs wird herabgesetzt. Tagesmüdigkeit und Erschöpfung setzen ein. Manchmal, wenn der Albtraum in der Nacht sehr verstörend war, lässt er uns auch tagsüber nicht los. Er beeinträchtigt uns stark in unseren Gefühlen. Dann tun wir uns schwer damit, uns auf unseren normalen Tages- und Arbeitsablauf zu konzentrieren.

Was passiert bei einem Albtraum?

Häufig treten Albträume in der REM-Schlafphase auf. Das ist nicht überraschend, wenn man bedenkt, dass auch „normale“ Träume zum größten Teil in dieser Phase stattfinden. Die REM-Schlafphase hat ihren Namen von den sehr markanten Augenbewegungen. Man kann sie im Schlaflabor durch Elektroden um die Augen herum messen. REM steht für Rapid Eye Movement. Es wird vermutet, dass die Augenbewegungen anzeigen, wo die Person gerade hinschaut, beziehungsweise, dass sie im Traum gerade etwas erlebt. Bewiesen ist das aber noch nicht.

Während wir schlafen, verarbeiten wir Erlebtes

Eine gesicherte Erkenntnis ist, dass wir im Schlaf Erlebtes abspeichern und verarbeiten. Insbesondere emotional bedeutsame Ereignisse erfordern eine intensive Verarbeitung. Im Traumschlaf ist deshalb vermutlich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Dinge, die uns emotional berühren und die noch nicht abschließend verarbeitet sind, in irgendeiner Form wieder auftauchen. Wenn dies im REM-Schlaf geschieht, sind die Trauminhalte allerdings meistens verworren und bizarr.

Wir stellen uns das vereinfacht so vor: Dinge, die man erlebt hat, werden nachts wie in einem Mixer zusammengeworfen und dabei in Einzelteile zerlegt. Dann finden sogenannte Konsolidierungsprozesse im Gehirn statt. Teile von Vergangenem werden mit dem gerade Erlebten und mit Dingen, die wir erfinden, die wir uns wünschen und/oder befürchten, verbunden beziehungsweise vernetzt. Zusätzlich wird alles in Bild-Form übertragen. Diese bewegten Bilder erleben wir dann als visuellen Traum. Durch das Wiedererleben im Traum einerseits und das Vermengen von zum Beispiel emotional bedrohlichen Erlebnissen mit fantasierten oder unwichtigen Inhalten andererseits, „verzerrt“ die ursprüngliche Erinnerung. Sie wird weniger realitätsnah und damit weniger beängstigend. Der Traum kann also dabei helfen, unangenehme oder sogar bedrohliche Erlebnisse zu bewältigen und die Erinnerung daran verblassen zu lassen.

Bei Albträumen scheint dieser Prozess der emotionalen Vernetzung nicht zu funktionieren, beziehungsweise er wird nicht zu Ende geführt. Wir wachen mit Schrecken und Angst auf, sind benommen, eventuell schweißgebadet und in der Regel noch gedanklich im Traum verhaftet. Es braucht etwas Zeit, bis wir uns sicher sind, dass das Geträumte nicht real war. Im Albtraum wird also das Ziel des Träumens – wenn es ein solches gibt – nicht erreicht.

Albtraum als Nebenwirkung einer psychischen Erkrankung

Hier im Vitos Waldkrankenhaus Köppern begegnen uns viele Patienten, die aufgrund ihrer psychischen Erkrankung neben Schlafstörungen auch unter Albträumen leiden. Besonders Patienten, die von einer posttraumatischen Belastungsstörung betroffen sind, berichten sehr häufig von Albträumen. Diese Patienten haben Dinge mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß erlebt, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würden. Durch die Schwere des Erlebten und natürlich auch durch biografische und Persönlichkeitsmerkmale schaffen diese Patienten es nicht, das Trauma zu verarbeiten. Gerade für solche Patienten bietet der REM-Traum eine exzellente Chance, die Erinnerung an das Trauma zu entkräften. Oftmals gelingt jedoch dieser Versuch nicht, nämlich dann, wenn das Trauma zu „schwer“ ist. Wenn die Bilder, die „gemixt“ werden sollen, zu stark oder zu kompakt, sozusagen unzerbrechlich sind. In solchen Fällen funktioniert die Abschwächung des emotionalen Traumas nicht. Häufig folgt daraufhin ein Erwachen mit dem unveränderten Bild des Schreckens vor Augen und dem Erinnern an das Erlebte – eine qualvolle Erfahrung.

Wie lassen sich Albträume behandeln?

Der erste Schritt in der Behandlung von Albträumen sollte immer die Aufklärung sein. Warum träumen wir? Was passiert im normalen Traum? Welche Arten von Träumen gibt es? Was passiert in MEINEM Traum?

Anschließend wird der Therapeut mit dem Patienten besprechen, welche Form der Annäherung an das nächtliche Wiedererleben er wählen möchte. Im Wesentlichen wird zwischen drei wichtigen Therapie-Ansätzen unterschieden:

Bei der Bearbeitung der Albträume im Wachen bieten Therapeuten Hilfe bei der Auseinandersetzung mit dem Albtraum an. Was habe ich eigentlich genau geträumt? Was löst der Albtraum in mir aus? Wovor habe ich Angst? Diese Vorgehensweise erfordert das Führen eines Traumtagebuchs, um den Traum so genau wie möglich zu analysieren und verstehen zu können. Häufig hilft das Verstehen bereits, die Angst zu nehmen und die Albträume in ihrer Stärke und Häufigkeit zu reduzieren.

Eine weitere Möglichkeit ist das Umgestalten des Albtraums. Dabei handelt es sich um eine Technik, die sich aus dem Imagery Rescripting, einer Methode der kognitiven Verhaltenstherapie, ableitet. Auch hier wird der Albtraum zunächst protokolliert. Anschließend werden mit dem Therapeut Möglichkeiten besprochen, den Traum zu verändern, und zwar nach dem Erwachen. Dabei wird der Albtraum so umgestaltet, dass er am Ende nicht mehr negativ und bedrohlich ist, sondern positiv und hilfreich. So kann aus einem Verfolgungstraum, in dem sich der Träumer wehrlos und ausgeliefert fühlt, ein positiver und selbstwertstärkender Traum werden. Der Träumer ruft zum Beispiel die Polizei, rennt davon oder geht zum Gegenangriff über. Diese Positivierung des Traums, also das nachträgliche Löschen der im Traum erlebten Angst und die ausführliche Beschäftigung mit dem Trauminhalt, führen häufig dazu, dass der Traum der nächsten Nacht als weniger bedrohlich erlebt wird. Auch die Häufigkeit der Albträume lässt nach.

Die dritte Möglichkeit betrifft das sogenannte Klarträumen. Bei dieser Methode lernt der Träumer, den Traum, während er ihn träumt, zu beeinflussen. Die Methode ist dem Imagery Rescripting sehr ähnlich. Der Traum wird jedoch während des Traums selbst und nicht erst nach dem Erwachen vom Träumenden bewusst verändert und damit sehr viel direkter beeinflusst. Dies führt zu einem intensiveren Erleben als das Imagery Rescripting im Wachzustand und somit vermutlich zu einer erheblich schnelleren Verarbeitung des dem Traum zugrunde liegenden emotionalen Problems.

Können wir von außen in den Traum eingreifen?

Neben den oben erwähnten Möglichkeiten untersuchen wir im Vitos Waldkrankenhaus Köppern gerade eine weitere Option. Wir erforschen, ob wir Albträume im Schlaf von außen erkennen können. In einem weiteren Schritt versuchen wir den Traum zu stoppen oder zu verändern, bevor der Patient erwacht. Die Idee dahinter: Würde der Patient gar nicht bemerken, dass er einen Albtraum hatte, würde der Nachtschlaf nicht unterbrochen. Der Patient würde also durchschlafen. Eventuell würde er sogar einen weiteren Versuch unternehmen, das angstbesetzte Thema in einem REM-Traum zu bearbeiten.

Um diese Möglichkeit der Albtraumbehandlung zu testen, laden wir Patienten in unser Schlaflabor ein, die häufig unter Albträumen leiden. Mittels Elektroden messen wir während des Schlafes ihre Gehirnaktivität sowie andere physiologische Empfindungen wie den Herzschlag und die Atmung. Durch diese Messungen erhoffen wir uns direkt zu erkennen, ob der Träumer gerade einen Albtraum hat.

Gelingt es uns mit dieser Methode, die Albträume von den anderen Träumen zu unterscheiden, dann versuchen wir in einem nächsten Schritt den REM-Schlaf kurzzeitig zu unterbrechen ohne den Schläfer zu wecken. Das funktioniert zum Beispiel durch sehr niedrig dosierte Elektrostimulation. Zunächst einmal möchten wir jedoch Albträume, aufgrund der Hirnaktivität des Schläfers, voraussagen, bevor sie tatsächlich einsetzen.

Falls Sie selbst häufig unter Albträumen leiden, können Sie sich gerne mit uns in Verbindung setzen. Für die Studie suchen wir noch immer Probanden, die bereit sind, mehrere Nächte in unserem Schlaflabor zu verbringen. Anschließend haben Sie die Möglichkeit, gemeinsam mit unserem Therapeutenteam zu versuchen, Ihre Albträume zu reduzieren.

Anfragen richten Sie bitte an: mitja.seibold@vitos-hochtaunus.de [1]

Bildquelle: Pixabay