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Wir möchten Menschen helfen, egal woher sie kommen

Behandlungsangebote für Patient/innen mit Migrationshintergrund bei Vitos

In ein fremdes Land zu kommen und weder die Sprache zu sprechen, noch die Kultur zu kennen, ist für sich genommen schon eine große Herausforderung. Wenn man zum Beispiel aufgrund traumatischer Ereignisse in seinem Heimatland oder auf der Flucht zusätzlich psychisch erkrankt, wird es ungleich schwerer.

Etwa jeder fünfte Patient in der Erwachsenenpsychiatrie hat einen Migrationshintergrund. Doch wie finden diese Menschen überhaupt ihren Weg zu uns? Schließlich kennen sich einige mit dem deutschen Gesundheitssystem nicht aus und wissen nicht, an wen sie sich wenden können. Auch das Verständnis für die eigene Erkrankung ist manchmal nicht gegeben.

Wir möchten Menschen helfen, egal woher sie kommen. Seit sieben Jahren gibt es bei Vitos deshalb nun schon den Arbeitskreis Migration. In dieser Zeit haben wir viele spannende Projekte angestoßen. Sie haben alle das Ziel, unsere Behandlungsangebote für Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund weiterzuentwickeln.

Warum überhaupt ein Arbeitskreis Migration?

Wir haben bei Vitos viele Patienten, die kein oder nur wenig Deutsch sprechen. Nicht zuletzt aufgrund der zeitweise gestiegenen Zahl an Geflüchteten, die nach Deutschland kommen. Oft haben diese Menschen mit den traumatischen Folgen des Krieges und der Flucht zu kämpfen. Auf ihrer Flucht sind sie nicht selten schutzlos, leiden unter Hunger, Durst, körperlicher wie sexueller Gewalt und fehlender sozialer Unterstützung. Diese Traumata können die Entwicklung einer psychischen Erkrankung begünstigen.

Sprachliche Verständigung ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung. Genauso wichtig ist das Wissen um kulturelle Unterschiede in Bezug auf psychische Erkrankungen. Deshalb haben wir 2013 den Arbeitskreis Migration ins Leben gerufen. Die seitdem angestoßenen Projekte möchten wir hier kurz vorstellen.

Migrationsbeauftragte vor Ort

Migrationsbeauftragte bei Vitos Gießen-Marburg: Ayse Kaya

In jeder Vitos Gesellschaft gibt es eine Migrationsbeauftragte beziehungsweise einen Migrationsbeauftragten. Eine Aufgabe der Migrationsbeauftragten ist es, die Mitarbeiter/-innen für die kulturellen Hintergründe der Patient/-innen und die unterschiedlichen Vorstellungen von Krankheiten zu sensibilisieren. Viele Patienten müssen erst einmal die kulturellen Unterschiede verstehen, Vertrauen fassen und vielleicht auch die Scham überwinden, mit der die Erkrankung im eigenen Kulturkreis behaftet ist.

Videodolmetschen zu jeder Tages- und Nachtzeit

Um Patient/-innen, die nicht oder nicht ausreichend deutsch sprechen, bestmöglich behandeln zu können, pflegen wir zum einen Kontakte zu lokalen Dolmetscherdiensten im jeweiligen Landkreis. Innerhalb unseres hausinternen Dolmetscherdienstes erleichtern außerdem diejenigen Vitos Mitarbeiter/-innen die Verständigung, die mehrere Sprachen sprechen. Sie können sich freiwillig für den hausinternen Dolmetscherdienst melden. Anschließend werden sie in der der Vitos Akademie optimal auf ihre Aufgaben vorbereitet. Darüber hinaus setzen wir auf Videodolmetscher. So stellen wir sicher, dass jede Fremdsprache abgedeckt ist und Verständigung zu jeder Tages- und Nachtzeit gelingt. Den Einsatz von Familienangehörigen als Dolmetscher sehen wir insbesondere im psychiatrisch-psychotherapeutischen Setting kritisch. Da sie persönlich involviert sind, können sie häufig keine neutrale und objektive Rolle beim Übersetzen einnehmen.

Interkulturelle Psychoedukation

Vitos möchte Patient/-innen mit Migrationshintergrund gezielter über psychische Erkrankungen und deren Behandlung aufklären. Die Sprachbarriere ist dabei nur ein Hindernis. Auch die kulturelle Prägung kann sich auf die Behandlung sowie die Beziehung zwischen Behandler und Patient auswirken. Manche Patienten mit Migrationshintergrund wissen nicht, was Psychiatrie bedeutet, weil es in ihren Herkunftsländern keine nennenswerte psychiatrische Versorgung gibt. Auch die Vorstellungen von Behandlung und der Arzt-Patienten-Beziehung können in den Herkunftsländern andere sein. In manchen Ländern ist der Arzt eine Autoritätsperson. Der Patient erwartet dann, dass der Arzt konkrete Anweisungen gibt. Bei uns begegnen sich Patient/-innen und Behandler/-innen auf Augenhöhe. Sie stimmen die Therapie gemeinsam ab, um Eigenständigkeit und Selbstverantwortung des Patienten zu stärken. Hierzulande ist es zudem üblich, dass Patient/-innen bei einer Erkrankung selbst den Weg zu Arzt oder Ärztin suchen. Für Migranten kann das ein schwieriger Schritt sein. Nicht zuletzt, weil sie sich mit den psychiatrischen Versorgungsangeboten nicht auskennen.

Um kulturell bedingte Hürden abzubauen und bei den Patient/-innen das Wissen um ihre Erkrankungen und Behandlungsmöglichkeiten zu verbessern, hat Vitos in einem Pilotprojekt das Handbuch „Interkulturelle Psychoedukation für Menschen mit Migrationshintergrund“ eingesetzt und damit gute Erfahrungen gesammelt. Themen sind unter anderem Migration und Integration, das deutsche Gesundheitssystem und die häufigsten psychischen Erkrankungen. In Gruppensitzungen besprechen die Therapeuten die Inhalte mit den Patienten. Bei Bedarf unterstützt ein Dolmetscher oder eine Dolmetscherin. Die Ergebnisse fließen in eine Studie ein. Ihr Ziel ist die Evaluation und Weiterentwicklung der Handbuchinhalte. Vitos möchte dieses Angebot dauerhaft etablieren.

Migrationsflyer – Alle Infos auf einen Blick

Ein konzernweiter Migrationsflyer soll dazu dienen, Vertrauen zu schaffen und die Patient/innen abzuholen. Er weist darauf hin, dass es an allen Standorten Migrationsbeauftragte und Dolmetscher gibt. Ziel ist es, Patienten, Klienten und deren Angehörige Vitos vorzustellen und über die Behandlungsmöglichkeiten aufzuklären. Der Migrationsflyer wurde in Sprachen Arabisch, Englisch, Farsi, Französisch, Russisch, Spanisch und Türkisch übersetzt. Dort sind außerdem die Nummern der jeweiligen Telefonzentralen sowie Notfallnummern (Rettungsdienst, Feuerwehr, Polizei, …) aufgeführt. Aktuell sind wir dabei, den Migrations-Flyer fertigzustellen.

Fazit: In den letzten sieben Jahren haben wir viele verschiedene Projekte angestoßen und dadurch wertvolle Erkenntnisse gesammelt. Es gibt noch viel zu tun und wir freuen uns darauf, unsere Behandlungsangebote stetig weiterzuentwickeln.