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„Die Pflege kann viel bewirken“

Ein neues Behandlungsmodell stärkt die Rolle der Pflege in der Psychiatrie

Sie verbringen die meiste Zeit mit den Patientinnen und Patienten, sind oft erste Ansprechpartner und wichtige Vertrauenspersonen: Pflegekräfte. Ein neues Behandlungsmodell, das am Vitos Klinikum Gießen-Marburg entwickelt wird, bezieht die Pflege noch weit stärker als bisher in die Behandlung ein. „Als Pflegekräfte können wir damit für die Patientinnen und Patienten viel bewirken“, sagt Emanuela Macchia, pflegerische Leiterin der Vitos psychiatrischen Tagesklinik Marburg.

Die Marburger Tagesklinik arbeitet seit Mitte vergangenen Jahres mit dem neuen Behandlungsmodell, der modularen, kompetenzorientierten Psychotherapie. Es sieht unter anderem vor, für die Patientinnen und Patienten durchgängig ein therapeutisches Umfeld zu schaffen. Daher arbeitet auch die Berufsgruppe therapeutisch, die besonders viel Zeit mit den Patientinnen und Patienten verbringt: Die Pflege.

Emanuela Macchia

Emanuela Macchia ist pflegerische Leiterin der Vitos psychiatrischen Tagesklinik Marburg.

Therapeutische Ziele gemeinsam entwickeln

Wo liegt für Pflegekräfte der größte Unterschied in der Arbeit mit dem neuen Behandlungsmodell? –„Die Pflege wird stärker in die Behandlung einbezogen“, sagt Emanuela Macchia. Dies fange bereits bei der Behandlungsplanung an, die das Team gemeinsam mit dem Patienten erstellt. Welche Ziele hat der Patient? Wie lassen sie sich erreichen? Welche Kompetenzen braucht er dafür? „Das alles besprechen wir im Team – gemeinsam und auf Augenhöhe“, sagt Macchia und erläutert das an einem Beispiel: Für einen Patienten, der an einer Depression leidet und soziale Ängste entwickelt hat, kann es ein Ziel sein, langsam wieder Kontakt zu Freunden aufzunehmen. Die Pflege begleitet ihn dabei, bereitet zum Beispiel gemeinsam mit ihm Telefonate vor.

In täglichen Team-Besprechungen tauschen sich Pflegekräfte und Therapeut/-innen dazu aus, welche Ziele der Patient erreicht hat und wo er vielleicht noch Unterstützung benötigt. Einmal wöchentlich werden die therapeutischen Ziele noch einmal kritisch überprüft. „Als Pflegekraft bin ich jetzt eher ein Coach für den Patienten.“ Das sei sehr erfüllend. Vor allem, weil von den Patienten häufig positive Rückmeldungen kämen. Zum Beispiel: „Danke, dass Sie mich beim Telefonat mit meinem Arbeitgeber unterstützt haben.“

Teamgedanke wird gestärkt

Ein weiterer positiver Aspekt des neuen Behandlungsmodells: Es stärke den Teamgedanken. Die Arbeit aller Berufsgruppen sei stärker miteinander verzahnt. Die Kolleg/-innen seien untereinander besser auf die Therapie abgestimmt. Von den Patientinnen und Patienten gebe es dazu positive Rückmeldungen. „Ein Patient kann jederzeit jedes Mitglied des Teams ansprechen. Alle sind immer auf dem gleichen Stand und können Auskunft zur Behandlung und den individuellen Behandlungszielen geben“, sagt Macchia. Dies trage dazu bei, die Pflege aus Sicht des Patienten aufzuwerten.

Vitos psychiatrische Tagesklinik Marburg

Die Arbeit mit dem neuen Behandlungsmodell stärkt den Teamgedanken.

Pflege wirkt am Behandlungserfolg mit

Weil Pflegekräfte nun auch therapeutische Gespräche führen, fühlen sie sich stärker für den Behandlungserfolg verantwortlich. „Das ist für mich als Pflegekraft eine enorme Motivation. Denn ich kann für die Patienten sehr viel bewirken“, sagt Macchia, die Kolleginnen und Kollegen aus dem Pflegedienst des Vitos Klinikums Gießen-Marburg auf das neue Behandlungsmodell schult. Ein weiterer Vorteil liege in dem hohen Praxisbezug. „Wir geben den Kollegen in den Schulungen sehr viel Rüstzeug an die Hand. Zum Beispiel für Situationen, in denen Patienten ein herausforderndes Verhalten zeigen.“ Die Schulungen fänden sowohl berufsgruppenspezifisch, als auch -übergreifend statt.

Häufiger Bestandteil der Schulungen seien Rollenspiele oder Gesprächstechniken. Darin geht es unter anderem darum, wie ein therapeutisches Gespräch strukturiert werden kann, wie sich hierfür die richtige Atmosphäre herstellen lässt, wie sich Themen identifizieren und priorisieren lassen. „Das sind Aspekte, die in der Pflege-Ausbildung bisher leider zu wenig berücksichtigt werden.“

Berufsbild wird attraktiver

Anderen helfen wollen: Das ist für junge Menschen vielfach eine Motivation, sich für den Pflegeberuf zu entscheiden. „Den Patienten als Pflegekraft wirksam helfen – genau das schaffen wir mit diesem Behandlungsmodell“, ist Macchia überzeugt. Sie findet deshalb, dass die modulare, kompetenzorientierte Psychotherapie dazu beitragen kann, die Attraktivität des Pflegeberufs zu erhöhen. „Es ist ein schönes Gefühl, wenn wir merken, dass wir therapeutisch erfolgreich sind.“

Hintergrund: Modulare, kompetenzorientierte Psychotherapie

Am Vitos Klinikum Gießen-Marburg entsteht unter Federführung des Ärztlichen Direktors Prof. Dr. med. Michael Franz ein neues psychotherapeutisches Behandlungsmodell. Es ist modular aufgebaut und orientiert sich eng an den Bedürfnissen und Kompetenzen der Patientinnen und Patienten. Hierfür bezieht es die größten Berufsgruppen mit ein: Pflegekräfte und Ärzt/-innen.

Hier erfahren Sie mehr über die Vitos psychiatrische Tagesklinik Marburg [1].