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Im Zentrum steht immer die Prävention

Deeskalationsprogramm PART schult Mitarbeiter im Umgang mit Gewalt

Mein Name ist Dorothea Happel. Ich bin Fachpflegerin für psychiatrische Pflege und Stationsleiterin in der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Herborn. Außerdem bin ich Trainerin des Deeskalationsprogramms PART.

Für Vitos Mitarbeiter ist der Umgang mit gewalttätigen Übergriffen von Patienten oder Klienten ein wichtiges Thema. Inzwischen gibt es in jeder Vitos Gesellschaft Deeskalationstrainer, die ihre Kollegen im Umgang mit Gewalt schulen und Maßnahmen vermitteln, wie Gewalt vorgebeugt werden kann.

Hier möchte ich von meiner Arbeit berichten.

Gewaltfreie Atmosphäre schaffen

Wie lasse ich Gewalt erst gar nicht entstehen? Die Prävention ist der wichtigste Bestandteil unseres Deeskalationsprogramms.

PART, Kurzform für „Professional Assault Response Training“, soll uns Mitarbeiter befähigen, Prinzipien im Umgang mit gefährlichen Situationen zu verstehen. Dabei geht es vor allem darum, herausfordernde oder gefährliche Situationen rechtzeitig zu erkennen und die geeigneten Maßnahmen abzuleiten.

Die Beobachtung der eigenen Arbeitsumgebung ist ein grundlegender Bestandteil der Prävention. Gibt es gefährliche Gegenstände im Raum, die ein aggressiver Patient oder Klient als Waffe nutzen könnte? Beispielsweise eine Bastelschere in der Ergotherapie. Welche Möglichkeiten habe ich, die Gegebenheiten meiner Umgebung einzusetzen, um mich selbst zu schützen? Ein einfaches Beispiel: Eine Servicekraft kann ihren Hauswirtschaftswagen nutzen, um im Ernstfall Distanz zwischen sich und ein aggressives Gegenüber zu bringen. Das setzt voraus, dass ich als Mitarbeiter meine Umgebung stets aufmerksam wahrnehme und, dass ich erkenne, in welcher Verfassung sich ein Patient befindet.

Wer selbst gereizt ist, kann nicht beruhigend auf sein Gegenüber einwirken

Die eigene Einstellung spielt eine wichtige Rolle bei der Prävention von Gewalt. Sowohl die Einstellung Patienten und Klienten gegenüber als auch gegenüber unserer Einrichtung. Wer unzufrieden mit seinem Arbeitsumfeld ist, kann keine positive Einstellung vermitteln. Ebenso wichtig ist es, die eigene Motivation stets zu hinterfragen: „Stehe ich hinter dem, was ich gerade tue?“. Deshalb motiviere ich meine Kollegen im Training, sich ihrer inneren Haltung stets bewusst zu sein.

Deeskalierend wirkt auch das eigene Auftreten. Welche Botschaft sende ich mit meiner Körperhaltung? Welche Kleidung trage ich? Provoziere ich vielleicht mit meiner Kleidung und Haltung? Zu den vorausschauenden Maßnahmen gehört zudem, genügend Informationen über die Patienten und Klienten zu haben. Also beispielsweise zu wissen, in welchen Situationen jemand schnell gereizt oder aggressiv reagiert.

Individueller Selbstkontrollplan

Der individuelle Selbstkontrollplan ist ein zentraler Bestandteil des PART-Programms. Jeder Mensch hat seine eigenen Strategien, wie er in herausfordernden Situationen die Beherrschung behält. Entscheidend ist, sich selbst gut zu kennen und Methoden parat zu haben, um Stress und Anspannung abzubauen. Für viele meiner Kollegen sind Atemtechniken sehr hilfreich, um ruhig zu bleiben. Tiefes Durchatmen nimmt die Anspannung und hilft somit dabei, angemessen auf herausfordernde Patienten zu reagieren.

Ich rufe meinen Kollegen regelmäßig in Erinnerung, wie wichtig es ist, dass sie ihr eigenes Wohlbefinden im Blick haben. Nur, wer selbst auf sich Acht gibt, hat auch die Energie, sich um andere zu sorgen.

Im Zentrum steht immer die Prävention von Gewalt

Die Basiskurse dauern insgesamt drei Tage. Sie bestehen aus einem theoretischen Teil und anschließenden praktischen Übungen, um Gelerntes ausprobieren zu können. Körpertechniken zum Selbstschutz sind dabei bewusst ein kleiner Teil des Programms. Im Zentrum steht immer die Prävention von Gewalt. In der Gruppe üben wir beispielsweise Krisenkommunikation in Gestik und Mimik. Als Mitarbeiter dürfen wir uns von unseren Patienten und Klienten nicht in Machtkämpfe verwickeln lassen.

Wenn ein Patient sehr angespannt ist und sich aggressiv verhält, ist es oft nicht möglich, ihn durch einfache Aufforderung dazu zu bringen, sich zu beruhigen. Er muss die körperliche Anspannung abbauen, etwa durch geeignete Techniken. Wenn wir in so einer Situation selbst laut werden oder ein Verbot auszusprechen, hilft das wenig, es verschlimmert die Lage eher. Besser ist es, den aufgebrachten Patienten zu bestärken, eine beruhigende Maßnahme anzuwenden und gemeinsam eine Lösung zu finden.

Am letzten Tag üben wir Körpertechniken ein. Vor allem solche, die dem Selbstschutz dienen und die den Mitarbeitern dabei helfen, sich aus gefährlichen Situationen zu befreien. Das sind immer Techniken, die den Patienten nicht verletzen und ihm keine Schmerzen zufügen.

Nicht zuletzt weise ich Teilnehmer darauf hin, dass auch die Dokumentation und die Nachsorge wichtig sind. Das bedeutet zum Beispiel, im Anschluss an Vorfälle stets den Erfassungsbogen auszufüllen. Auch eine Gefährdungsbeurteilung der Patienten sollte erfolgen.

Bildquelle: Vitos