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„Bogenschießen bewirkt viel Positives“

Bogenschießen trainiert die Muskeln und den Geist. Beim therapeutischen Bogenschießen geht es außerdem um Körpergefühl, körperliche Aktivität, Kraft, Konzentration, Selbstakzeptanz, Reflexion – das Treffen der Zielscheibe ist dabei also längst nicht so wichtig. Das Vitos Klinikum Hochtaunus bietet seit Mai 2019 therapeutisches Bogenschießen als weiteren Bestandteil in der Behandlung der Patientinnen und Patienten an. Karin Krüger leitet die Ergotherapie des Klinikums. Im Interview schildert sie, welche Erfahrungen sie mit dem therapeutischen Bogenschießen gemacht hat.

Warum haben Sie das therapeutische Bogenschießen eingeführt?

Karin Krüger: Weil wir damit unseren Patientinnen und Patienten ein sehr gutes und auch modernes Zusatzangebot machen können, ergänzend zu den regulären Gruppen- und Einzeltherapieangeboten. Hinzu kommt, dass das Bogenschießen gerade diese Therapien effektiv und effizient unterstützen kann. Denn es fördert die Kontaktaufnahme, stärkt die Vertrauensbildung und trägt dazu bei, eine „Arbeitsebene“ zwischen Therapeut und Patient zu schaffen.

Was war für die Einführung des therapeutischen Bogenschießens notwendig?

Krüger: Unsere Therapeuten haben sich sehr gründlich auf die Einführung dieses Angebots vorbereitet. Sie haben zum Beispiel gründlich recherchiert, welches Equipment sich für unsere Zwecke eignet. Außerdem gab es eine offizielle Sicherheitsbegehung auf dem Gelände, das wir für das therapeutische Bogenschießen nutzen wollten. Erst dann konnten wir eine Anlage aufbauen mit Fangnetz, Zielscheibenständern, Standplattform und Sicherheitsabständen. Um die praktischen Kenntnisse zu erwerben, haben unsere Therapeuten eine Fortbildung bei einem Schützenverein absolviert. Nun können sie unsere Patientinnen und Patienten sicher und wirkungsvoll anleiten.

Worauf kommt es beim Bogenschießen an?

Krüger: Es gibt zwei Arten des Bogenschießens: zum einen das Schießen mit einer Zielvorrichtung (Bogenvisier) zum anderen das intuitive Bogenschießen. Hier im Haus bieten wir das intuitive Bogenschießen an. Denn es geht uns nicht um sportliche Höchstleistungen oder gar um Perfektion. Es geht um Selbsterfahrung, persönliches Erleben sowie das Aktivieren von Ressourcen wie beispielsweise Selbstbewusstsein, Entscheidungskraft, Wahrnehmung und Konzentration. Die Patientinnen und Patienten stehen nicht unter Druck, das Ziel treffen zu müssen. Grundsätzlich ist zu sagen, dass sich diese Therapieform für alle unsere Patientinnen und Patienten eignet. Voraussetzung ist allerdings, dass ein geeignetes Mindestmaß an Therapiefähigkeit vorhanden ist.

Wie sieht eine Therapiestunde mit Pfeil und Bogen aus?

Krüger: Unsere Klinikleitung hat es uns ermöglicht, eine sehr gute Ausstattung anzuschaffen. Uns stehen zwei Links- und zwei Rechtshänderbögen zur Verfügung. Man nennt sie Recurvebögen (sprich: „Rikörf“). Sie haben jeweils eine unterschiedliche Spannungsstärke. So können die Patienten je nach aktueller körperlicher Konstitution den Bogen wählen, der sich in der Therapieeinheit am besten eignet.

Therapeutisches Bogenschießen

Das Ziel zu treffen, steht beim therapeutischen Bogenschießen nicht im Vordergrund.

Gearbeitet wird stets im Freien, in kleinen Gruppen von maximal drei bis vier Personen. Bei kleinen Gruppen ist der Therapieerfolg größer, denn der vertrauensvolle, direkte 1:1-Kontakt zwischen Therapeut und Patient ist immens wichtig. Beim Erklären, Anleiten und dem Ablauf gelingt es sichtbar, Problematiken beim Patienten zu erkennen und aufzugreifen.

Eine Therapieeinheit dauert 90 Minuten, einschließlich kleiner Verschnaufpausen. Zur Therapieeinheit gehört nicht nur das Bogenschießen selbst, sondern auch der Aufbau der Zielscheibe, des Fangnetzes und der Bogen- und Pfeilablage sowie das Anlegen des Armschutzes. Auch beim Abbau beziehen wir die Patienten ein.

In den kälteren Monaten stellen wir unseren Patienten einen nahe gelegenen Therapieraum zur Verfügung, so können sie sich zwischendurch kurz aufwärmen. Bevor es mit dem Bogenschießen losgeht, fragen die Therapeuten erst einmal, wie es den Patienten an diesem Tag geht, wie sie sich fühlen. Anschließend gehen sie mit den Patienten einzeln zum Abschussplatz, erläutern den Ablauf des Bogenschießens, erklären, worauf geachtet werden muss und korrigieren gegebenenfalls. Zum Abschluss gibt es eine Feedback-Runde.

Unsere Patientinnen und Patienten nehmen das Bogenschießen sehr gut an. Es macht ihnen viel Spaß.

Welche Wirkung hat das Bogenschießen auf die Patientinnen und Patienten?

Krüger: Das Bogenschießen ist eine ganz besondere Therapieform in der erfahrungstherapeutischen Arbeit. Es geht um direktes Erleben, Erfahren und auch um Entspannung. Vorhandene Kompetenzen der Patienten können gefördert und Defizite aufgedeckt werden.

Das intuitive Bogenschießen fördert und fordert sowohl körperliche als auch seelisch-geistige Fähigkeiten. Die Patienten lernen möglichst ohne Kognition, also ohne bewusste Steuerung, ein Handeln aus „dem Gefühl heraus“ zu bewirken.

Menschen mit gestörten Körpergefühlen trainieren und verbessern beim Bogenschießen ihre Körperwahrnehmung. Ein weiterer Mehrwert des Trainings: Am Anfang fühlen sich die Patienten noch unsicher. Im Laufe der therapeutischen Einheiten trauen sie sich mehr zu, sie wollen ihr Ziel erreichen.

Was bewirkt das Bogenschießen sonst noch?

Krüger: Die Therapie stärkt die Achtsamkeits- und Wahrnehmungsfähigkeit, senkt innere Unruhe, begünstigt Entspannung und Gelassenheit, verringert „Gedankenkreisen“ und fördert Konzentration und Zielorientierung. Die Patientinnen und Patienten lernen, sich einer aktuellen Situation bewusst zu sein, ihre Gefühle zu regulieren, körperlich aktiv zu sein und Spaß zu haben. Das gezielte Einsetzten des intuitiven Bogenschießens stellt einen effektiven therapeutischen Baustein im Behandlungsprozess unserer Patienten dar.

Welche Rückmeldungen haben Sie von den Patientinnen und Patienten erhalten?

Krüger: Viele positive! Jüngst hatten wir auch wieder eine schöne Rückmeldung an unserem „Entlassbaum“. Dort können Patientinnen und Patienten „Entlassnachrichten“ zu hinterlassen. Das sind positive Rückmeldung zum Ende ihrer Behandlung, die sie in Form eines Blattes an besagten „Entlassbaum“ anheften. Ich bin froh, dass wir das therapeutische Bogenschießen eingeführt haben. Es bewirkt viel Positives für unsere Patientinnen und Patienten.

Positive Rückmeldungen der Patienten auf das ergotherapeutische Angebot.

Die Patient/innen geben positive Rückmeldungen auf das Angebot des therapeutischen Bogenschießens.

 

Zur Person: Karin Krüger arbeitet seit 20 Jahren bei Vitos Hochtaunus. Sie leitet die Ergotherapie des Vitos Klinikums Hochtaunus und ist damit verantwortlich für das ergotherapeutische Angebot des Vitos Waldkrankenhauses Köppern, der Vitos Klinik Hasselborn sowie der Vitos psychiatrischen Tageskliniken in Bad Homburg.

Weitere Informationen über Vitos Hochtaunus Erfahren Sie hier [1] auf unserer Website.