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Das Prinzip Hoffnung in der Medizin

Hat Hoffnung eine therapeutische Wirksamkeit?

Das 3. Freiburger Symposium zu Grundfragen des Menschseins in der Medizin befasste sich mit dem Thema „Die Kunst des Hoffens. Kranksein zwischen Erschütterung und Neuorientierung“.

Daraus ergab sich für mich die Frage, wie es uns im Gespräch mit unseren Patienten und Klienten gelingen kann, nachhaltig Zuversicht und Hoffnung zu „hinterlassen“.

Was ist Hoffnung?

Was nun genau ist die Hoffnung beziehungsweise das Hoffen? Ist das Hoffen eine zutiefst menschliche Fähigkeit, ohne die wir nicht existieren könnten? Oder bedeutet Hoffnung, nicht zu wissen und doch zu vertrauen, zu vertrauen gegen alle Wahrscheinlichkeit? Ist sie ein Bestandteil menschlichen Lebens, mit Ausrichtung auf die Zukunft? Oder kalkulieren und planen wir besser, anstatt zu hoffen, nach der Devise: „Wer heute noch hofft, hat sich mit den Fakten zu wenig auseinandergesetzt?“ Ist das das Credo unserer Zeit? Oder haben wir verlernt zu hoffen, um uns stattdessen an eine vermeintliche Sicherheit zu klammern?

Hoffen ist ein menschliches Phänomen. Hoffnung ermöglicht ein Offenbleiben. Sie verschließt sich nicht dem, was kommt, weil sie nicht von vornherein genau festlegt, was sein soll. Hoffnung ist das Vertrauen darauf, dass es sich lohnt, am Guten festzuhalten. Im Gegensatz dazu steht die Erwartung. Die Erwartung ist mit einem konkreten Ziel verbunden. Wer schon heute zu wissen glaubt, was morgen ist, lebt dann nicht mehr im Modus des Hoffens, sondern im Modus der Erwartung.

Hoffen auf etwas Gutes

In meinem beruflichen Alltag nehme ich sehr häufig wahr, dass die Menschen, die wir in ihrer Krise und ihrer Krankheit begleiten oder behandeln in Gesprächen besorgt oder auch zuversichtlich eine Hoffnung formulieren. In jedem Fall ist das ein „Hoffen auf etwas Gutes“.

Wenn wir etwas genauer hinhören, dann sind es Aussagen wie: „Hoffentlich werde ich wieder gesund.“ „Hoffentlich ist es nichts Ernstes.“ „Hoffentlich ist die Diagnose falsch.“ „Hoffentlich bekomme ich heute Besuch.“ „Hoffentlich finde ich eine neue Wohnung.“ „Hoffentlich schlägt die Therapie an.“ „Hoffentlich finde ich wieder den Weg in mein bisheriges Leben.“ „Hoffentlich verliere ich nicht meine Arbeit.“ „Hoffentlich muss ich nicht so lange hier bleiben.“ „Hoffentlich wird alles gut“ …

Was kann Hoffnung bewirken?

Was bedeutet Hoffnung für kranke, speziell für chronisch kranke Menschen oder Sterbende? Was kann Hoffnung bewirken? Und wie können Ärzte, Pflegende und Angehörige Hoffnung schenken, trotz ungünstigster Diagnose oder Prognose? Zumal wir wissen, dass kranke und schwerstkranke Menschen in einem Aufklärungsgespräch nach Wahrheit und Klarheit verlangen. Sie suchen darum einen aufrichtigen Gesprächspartner, in erster Linie eine Ärztin oder einen Arzt, da nur sie rechtskräftig aufklären dürfen. Die Kunst des Gesprächs liegt darin, ehrlich aufzuklären, das Leid nicht zu trivialisieren und dennoch Hoffnung zu wecken oder zu erhalten. Der aktuelle Zustand – auch bei „schlechter“ Prognose – sollte jeweils so gedeutet werden, dass eine Hoffnung offenbleiben kann. Nur so kann auch eine Vertrauensbasis zwischen Arzt und Patient entstehen. Gleichwohl kann jede andere Person des Vertrauens, eine bestimmte Schwester, ein Pfleger oder Seelsorger ebenso Raum für Hoffnung lassen.

Hoffnung hat eine therapeutische Wirksamkeit

Allen helfend Tätigen sollte klar sein: Hoffnung hat eine therapeutische Wirksamkeit. Sie ist ein zentrales und effektives Behandlungsinstrument. Dem Patienten gibt die Hoffnung auf Wiederherstellung des bisher Selbstverständlichen Halt. Das Vorhandensein von Hoffnung kann zwar Leid und Krankheit nicht beseitigen, verhindert aber das Versinken in Schmerz und Aussichtslosigkeit und lässt damit zumindest die Tür zu innerer Freiheit offen.

Hoffnung als ethisches Prinzip ist eine Grundvoraussetzung medizinischen und pflegerischen Handelns; sie sollte in der therapeutischen Beziehung ein zentrales Element sein.