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DGPPN-Kongress 2019

Eindrücke vom größten europäischen Psychiatriekongress

Welche Chancen bieten digitale Behandlungsangebote? Und welchen sozialen, politischen und kulturellen Einflüssen unterliegt die psychiatrische Versorgung? Antworten auf diese und weitere Fragen versprach der diesjährige Expertengipfel in Berlin. Von meinen Eindrücken des diesjährigen DGPPN-Kongresses möchte ich hier berichten.

Alle Facetten der Psychiatrie und Psychotherapie

Wie in den Jahren zuvor lud die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, kurz DGPPN, auch in diesem Jahr wieder zum europaweit größten Fachkongress der psychischen Gesundheit nach Berlin ein. Vom 27. bis 30. November 2019 trafen sich Ärzte, Pflegekräfte, Therapeuten, Wissenschaftler, Psychiatrie-Erfahrene, Angehörige, Politik und Gesellschaft, um aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet der psychischen Gesundheit zu diskutieren. Insbesondere der Austausch praktischer Erfahrungswerte zwischen unterschiedlichen Trägern und Institutionen sowie viele spannende gesundheitspolitische, gesellschaftliche und kulturelle Themen machen aus meiner Sicht den Reiz dieser Veranstaltung aus.

Bereits am Vorabend fiel mir das gedruckte Programmheft – oder besser gesagt das ausgewachsene Veranstaltungstagebuch – in die Hände. Wie im letzten Jahr rechnete die DGPPN auch 2019 wieder mit über 9.000 Teilnehmern, etwa 650 Einzelveranstaltungen und insgesamt 1.500 Referenten. Glücklicherweise hatte ich mir bereits im Vorfeld die wesentlich rückenschonendere digitale Variante in Form der DGPPN-App auf mein Smartphone geladen.

Versorgungsmodelle am Puls der Zeit

In den letzten Jahren hat sich nicht nur die Veranstaltungsorganisation rund um den DGPPN-Kongress stark „digitalisiert“ – auch die Fokusthemen der letzten Kongresse kreisten verstärkt um das Thema „Digitalisierung“. Das ist vor dem Hintergrund der aktuellen gesundheitspolitischen Entwicklungen auch nicht weiter verwunderlich. So beschloss der Bundestag nur wenige Wochen vor dem diesjährigen DGPPN-Kongress das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG). Durch dieses Digitalisierungsgesetz für das Gesundheitswesen sollen gesetzlich Versicherte zukünftig Gesundheits-Apps auf Rezept beziehungsweise Verordnung erhalten. Natürlich nur solche, die das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zuvor auf Funktion, Qualität, und Datensicherheit geprüft hat. Fest steht, dass sich die psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung in den kommenden Jahren durch digitale Anwendungen stark verändern wird.

Durch die Lockerung des Fernbehandlungsverbotes entstehen neue Behandlungsmöglichkeiten, wie beispielsweise Videosprechstunden. Blended-Care-Ansätze, durch die digitale Angebote eng mit der therapeutischen Behandlung verzahnt werden, gewinnen bereits heute an praktischer Relevanz. Die „App auf Rezept“ ist somit eine logische Konsequenz.

Interkulturelle Öffnung in der Psychiatrie

Bereits am ersten Veranstaltungstag stellte ich ein Thema vor, das ich seit meinem Einstieg bei Vitos, vor mehr als fünf Jahren, strategisch begleite: den Einsatz von Dolmetschern in unseren psychiatrischen Kliniken.

Um die psychiatrische Versorgung von Menschen mit Migrationshintergrund zu verbessern, setzen wir bei Vitos verschiedenste Maßnahmen um. Dazu gehört nicht nur die Übersetzung wichtiger Formulare und Patienteninformationen in gängige Fremdsprachen, sondern auch der Aufbau eines funktionierenden Dolmetschersystems. Neben dem Einsatz von externen Dolmetscherdiensten, bilden wir Vitos Mitarbeiter zu hausinternen Dolmetschern aus und haben zudem seit Oktober 2019 die Möglichkeit, Videodolmetscher anzufordern. Alle Maßnahmen bauen auf einem grundlegenden Konzept zur interkulturellen Öffnung auf, welches 2013 erarbeitet wurde und von den Migrationsbeauftragten an verschiedenen Vitos Standorten Schritt für Schritt umgesetzt wird. Eine weitere wichtige Voraussetzung ist die Sensibilisierung aller Mitarbeiter. Daher ist die interkulturelle Öffnung auch in unserem Vitos Leitbild verankert. Über die Vitos Akademie werden regelmäßig interkulturelle Weiterbildungen angeboten.

Die entsprechende Veranstaltung mit dem Titel: „State of the Art des Dolmetschereinsatzes im psychiatrisch-psychotherapeutischen Versorgungssystem“ wurde von Prof. Dr. Iris Tatjana Graef-Calliess und Prof. Meryam Schouler-Ocak moderiert. Beide beschäftigen sich seit vielen Jahren als ausgewiesene Expertinnen mit interkultureller Psychiatrie und Psychotherapie sowie Migrations- und Versorgungsforschung.

Interdisziplinärer und praxisorientierter Austausch

Gemeinsam mit meinen Co-Referentinnen Prof. Dr. Ulrike Kluge und Johanna Winkler von der Charité sowie Dr. Sebnem Bahadir von der Universität Mainz entstand während der Plenumsdiskussion ein wertvoller Austausch, den wir anschließend fortsetzten. Die bislang bei Vitos im Zuge der interkulturellen Öffnung umgesetzten Maßnahmen stießen auf großes Interesse und Anerkennung. Dass Vitos sich damit auf dem richtigen Weg befindet, zeigen entsprechende Aktivitäten anderer Träger und Institutionen.

Stark diskutiert wurden in diesem Zusammenhang auch die möglichen Auswirkungen der neuen Richtlinie zur Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik (kurz PPP-RL). Die Richtlinie verpflichtet zu einem kleinteiligen Nachweis der Einhaltung personeller Mindestvorgaben. Hierdurch wird es zukünftig nicht einfacher werden, funktionierende hausinterne Dolmetschersysteme aufzubauen. Gleichzeitig möchten wir Menschen, die nicht ausreichend Deutsch sprechen und unsere Hilfe benötigen, bestmöglich aufklären und behandeln. Die Herausforderungen werden demnach in den kommenden Jahren nochmals wachsen.

Networking an Bord

Nicht nur ich hatte die Möglichkeit mich mit anderen Experten zu Fachthemen auszutauschen. Weitere Vitos Kollegen hatten sich auf den Weg in die Hauptstadt gemacht. Ob Poster-Präsentation, Symposium oder Workshop – in allen Bereichen leisteten Vitos Kollegen auch in diesem Jahr aktive Beiträge zur wissenschaftlichen Diskussion oder waren einfach „nur“ Kongressteilnehmer.

Über das Programm des DGPPN-Kongresses hinaus, organisierte Vitos wieder eine Bootsfahrt auf der Spree. Wie in den Jahren zuvor war die Prämisse: Wer an Bord geht, bringt einen Nicht-Vitos-Kollegen aus der psychiatrischen Fachwelt mit. Der besondere Rahmen lud nicht nur zum Networking und Fachsimpeln ein. Wir haben die Fahrt über die Wasserstraßen Berlins auch einfach sehr genossen.

Bildquelle: Vitos