Therapeutisches Boxen bei Vitos Weil-Lahn
Boxen ist mehr als einfaches Draufhauen. Boxen hat viel mit Koordination und Körpergefühl zu tun und damit, die eigene Kraft richtig einzuschätzen.
Boxen kann auch Therapie sein. Innere Anspannung abbauen, die Körperwahrnehmung verbessern, Zugang zu Emotionen finden und angestaute Wut rauslassen – all das kann das therapeutische Boxen leisten.
Mein Name ist Sahar Koob. Ich bin Bewegungstherapeutin und Leiterin des Vitos Therapiezentrums Weilmünster. Gemeinsam mit meinen Kolleginnen habe ich Boxen als begleitendes Therapieangebot bei Vitos Weil-Lahn eingeführt.
Boxen als therapiebegleitendes Angebot
Als ich vom Konzept des therapeutischen Boxes erfuhr, war ich gleich begeistert. Ich konnte mir direkt vorstellen, dass das auch etwas für unsere Patienten wäre.
Ich sammelte also Informationen zu dem Thema und besuchte Fortbildungen.
So kam es, dass ich anschließend auch meine Kollegen Karsten Döring und Korinna Konhäuser auf eine Fortbildung zum therapeutischen Boxen schickte. Anschließend begannen wir, ein Kurskonzept für unsere Patienten zu entwickeln.
2016 starteten wir das therapeutische Boxen in der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Weilmünster. Der Kurs wurde so gut angenommen und die Nachfrage war so groß, dass wir das Angebot bereits 2017 erweiterten. Seitdem können auch unsere Schmerzpatienten aus der Vitos Klinik für Neurologie Weilmünster die Boxhandschuhe überstreifen. Im September haben wir mit dem Kurs in der Vitos Klinik für Psychosomatik Weilmünster gestartet. Das therapeutische Boxen bieten wir als Gruppen- oder Einzeltherapie an.
Bei welchen Krankheitsbildern kann Boxen therapieunterstützend wirken?
Erst nach einer gestellten Diagnose dürfen Patienten am Boxtraining teilnehmen. Denn nicht für jeden Patienten ist das therapiebegleitende Angebot gleichermaßen geeignet. Therapeutisches Boxen kann unter anderem die Therapie folgender Krankheitsbilder und Beschwerden unterstützen:
- Bulimie
- Burn-out
- Borderline Persönlichkeitsstörung
- Depression
- Süchte
- Posttraumatische Belastungsstörung
- Antriebslosigkeit
- Unsicherheit
- Innere Anspannung
- Ängste
- Wut
Patienten, die an Herzkreislauferkrankungen leiden, Verletzungen der Schulter, des Ellenbogens, der Hand, der Finger oder in diesen Bereichen offene Wunden haben, dürfen nicht am therapeutischen Boxen teilnehmen. Ebenso eignet sich dieses Therapieangebot nicht für Patienten mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, einer Psychose oder denjenigen, die wegen unkontrollierten Wutausbrüchen in unseren Kliniken behandelt werden.
Eine gute Grundkondition ist hingegen nicht zwingend erforderlich. Jeder absolviert das Training in seinem individuellen Tempo und mit der Intensität, die er sich zutraut.
Die innere Anspannung abbauen
Therapeutisches Boxen hilft vielen Patienten dabei, ihre innere Anspannung abzubauen. Sie verbessern dadurch Körpergefühl und -wahrnehmung. Durch das Boxen finden einige Patienten leichter Zugang zu ihren Emotionen und können angestaute Wut rauslassen. Depressive Patienten erleben häufig eine Antriebssteigerung. Auch für jugendliche Patienten eignet sich das Angebot, beispielsweise als Anti-Aggressionstraining.
Gute Koordination ist das A und O
Bevor unsere Patienten loslegen dürfen, ziehen sie ihre Boxhandschuhe über und wir vermitteln ihnen die Grundtechniken, zum Beispiel einen festen Stand. Dann wärmen wir uns auf. Es wird nicht am Boxsack geboxt, sondern an einem Doppelendball. Einige werden diesen aus den Rocky-Filmen kennen: Ein kleiner, fester Ball, der zwischen zwei elastischen Seilen gespannt ist und nach jedem Schlag zurückgeschnellt kommt. Diese Bälle gibt es in verschiedenen Stärken, sodass jeder Patient selbst über die Intensität seines Boxtrainings entscheiden kann. Zudem muss man sich auf jeden Ball neu einstellen, was die Körperwahrnehmung positiv beeinflusst. An solch einem Ball kann man auch gemeinsam mit einem Partner boxen. Dann ist besonders viel Koordination gefragt. Beim gemeinsamen Boxen mit einem Partner kommen auch Handpratzen (Schlagpolster, welche im Kampfsport und in der Kampfkunst verwendet werden, um Schläge und Tritte zu trainieren) zum Einsatz. In beiden Fällen ist es wichtig, stets Augenkontakt mit dem Gegenüber zu halten und sich aufeinander einzustellen.
Unsere Patienten profitieren sehr von diesem Angebot, das zeigen uns die zahlreichen Anmeldungen und das positive Feedback unserer Teilnehmer. Auch meinen Kollegen und mir macht das therapeutische Boxen großen Spaß. Deshalb möchte ich zukünftig gern Forschungen in diesem Bereich anstellen. Vielleicht weckt dieser Blogbeitrag ja auch in anderen Vitos Einrichtungen das Interesse, sich intensiver mit diesem schlagkräftigen therapiebegleitenden Angebot zu befassen 🙂
Bildquelle: Paavo Blåfield
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