Silvia Menzel arbeitet als Genesungsbegleiterin bei Vitos Haina
Der Weg zur Genesung kann weit sein. Silvia Menzel weiß das. Sie litt an einer Depression, die über Jahre hinweg immer wiederkehrte und ihre Berufstätigkeit erschwerte. Die Erfahrung mit ihrer psychischen Erkrankung, dem Behandlungs- und Genesungsprozess teilt sie nun mit anderen Betroffenen: Silvia Menzel arbeitet als Genesungsbegleiterin in der Vitos psychiatrischen Tagesklinik Korbach.
Einmal die Woche, immer donnerstags, ist Silvia Menzel in der Tagesklinik vor Ort. Dort leitet sie eine Recovery-Gruppe (recovery, englisch für Genesung). Die Gruppe bietet den Patientinnen und Patienten einen Austausch auf Augenhöhe, ähnlich wie eine Selbsthilfegruppe. Die Themen sind nicht vorgegeben, sondern ergeben sich aus dem Gesprächsbedarf der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. „Wir stellen eigentlich immer fest: Die Stunde ist viel zu kurz“, berichtet Silvia Menzel, die in der Gruppe offen ihre Erfahrungen teilt. Ihre Rolle ist dabei auch die eines Vorbildes. „Die Patienten sehen: Hier spricht jemand, der selbst einige akute Krisen durchlebt und überwunden hat“, sagt Menzel. Das vermittele Zuversicht.
Ein besonderes Anliegen: Die Nachsorge
Die Genesungsbegleiterin steht auch für Einzelgespräche zur Verfügung, auf Wunsch auch nach der Entlassung der Patient/-innen aus der tagesklinischen Behandlung. Denn Silvia Menzel weiß aus eigenem Erleben, wie schwer die Rückkehr in den Alltag mit seinen beruflichen und familiären Anforderungen sein kann. „Auf einmal fehlt wieder die Zeit, sich um sich selbst zu kümmern“, sagt Menzel. Es ist ihr ein besonderes Anliegen, gerade in dieser Phase des Genesungsprozesses für die Patientinnen und Patienten da zu sein. Zum Beispiel, indem sie Tipps gibt, wie sie das in der Therapie Erlernte im Alltag anwenden können. „Da gibt es eine Lücke, die ich mit meiner Arbeit schließen kann“, sagt Menzel.
Silvia Menzel hat mit der ärztlichen Leiterin Petra Sonnauer (re.) und ihrem Team Fürsprecher für ihre Arbeit als Genesungsbegleiterin gefunden.
Die Patient/-innen schätzen es, dass ihnen die Genesungsbegleiterin als eine weitere Ansprechpartnerin zur Seite steht. Sie fühlen sich von ihr schnell verstanden, müssen nicht so viel erklären. So schildert es auch Petra Sonnauer, ärztliche Leiterin der Tagesklinik: „Sie hat einen anderen Zugang. Die Patientinnen und Patienten fühlen sich von ihr verstanden und abgeholt.“ Auch für das Team der Tagesklinik sei die Genesungsbegleiterin eine Bereicherung. Denn sie bringe die Perspektive der Patienten stärker ein. Petra Sonnauer nennt ein Beispiel: „Wir hatten hier eine junge Patientin, in deren Behandlung sich nur sehr langsam Fortschritte zeigten.“ Die Genesungsbegleiterin warb im Behandler-Team um Verständnis: Die Patientin sei einfach noch nicht so weit. Damit half sie dem Team, wieder mehr Geduld zu haben und zuversichtlicher auf das Entwicklungspotenzial der Patientin zu vertrauen.
Die eigene Krankheitsgeschichte auf positive Weise nutzen
Zur Genesungsbegleiterin wurde Silvia Menzel eher zufällig: Durch ein Plakat des Vereins EX-IN Deutschland wurde sie auf die einjährige Qualifizierung aufmerksam, die für diese Tätigkeit erforderlich ist. Sie absolvierte den Kurs, zu dem auch zwei mehrwöchige Praktika gehören. Schon die Praktika absolvierte sie in der Vitos psychiatrischen Tagesklinik Korbach, wo sie mit Petra Sonnauer und einem aufgeschlossenen Behandler-Team Fürsprecher für ihre Tätigkeit als Genesungsbegleiterin fand.
„In der Therapie habe ich gelernt, auf mich zu achten. Dazu gehört, dass ich nicht jede Art von Arbeit machen kann. Das ist auf dem Arbeitsmarkt natürlich häufig ein Problem“, sagt Silvia Menzel. Sie ist deshalb froh, dass sie nun eine berufliche Tätigkeit ausübt, für die sie ihre eigene Krankheitsgeschichte auf positive Weise nutzen kann. „Das Modell der Genesungsbegleiter zeigt, dass eine psychische Erkrankung kein Makel sein muss. Sondern dass man diese Erfahrung auch positiv nutzen kann“, findet auch Petra Sonnauer.
Vitos Haina möchte den Einsatz der Genesungsbegleiterin nun ausweiten: Vitos Behandlung Zuhause Korbach, dessen Behandler-Team aufsuchend arbeitet, möchte die Genesungsbegleiterin ebenfalls einbinden.
Silvia Menzel sagt, sie habe gelernt, einen hilfreichen Umgang mit sich, ihrer Erkrankung und den Gefühlsschwankungen zu finden. Diese Erfahrung hilft ihr, zwischen Patient/-innen und Behandler/-innen zu vermitteln. Sie sitze zwischen den Stühlen, sagt sie. „Aber vielleicht ein klein wenig mehr auf Seiten der Patienten.“
Vitos psychiatrische Tagesklinik Korbach
Die Vitos psychiatrische Tagesklinik Korbach bietet psychisch kranken Menschen den Rahmen, eine intensive psychiatrische/psychotherapeutische Behandlung mit der Selbstständigkeit im privaten Alltag zu verbinden. Die Tagesklinik mit ihren 16 Behandlungsplätzen ist an die Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Haina angeschlossen. Mehr Infos zur Tagesklinik erhalten Sie hier [1].