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Post-Covid: Die Krankheit nach der Krankheit

Eine Sprechstunde des Vitos Klinikums Hochtaunus bietet Hilfe für Patient/-innen, die nach einer Covid-19-Erkrankung an psychischen oder kognitiven Symptomen leiden

Wer eine Covid-19-Erkrankung überstanden hat, zeigt manchmal auch nach Wochen oder Monaten noch Symptome. Die Betroffenen leiden oft unter schneller Erschöpfung, können sich schlecht konzentrieren oder sind vergesslich. Für Patient/-innen, die an kognitiven oder psychischen Post-Covid-Symptomen leiden, hat das Vitos Klinikum Hochtaunus eine Sprechstunde eingerichtet. Prof. Dr. Ursula Voss, die die Abteilung für Psychiatrische Neurophysiologie des Klinikums leitet, schildert, wie das neue Angebot dazu beiträgt, den Patient/-innen zu helfen.

Mit welchen Symptomen kommen die Betroffenen zu Ihnen in die Sprechstunde?

Prof. Dr. Ursula Voss: Das reicht von psychischen Symptomen wie Angst und Panikattacken über kognitive Einschränkungen bis hin zu körperlichen Beschwerden. Fast alle Patientinnen und Patienten beklagen, dass sie in Händen und Füßen ein dauerhaftes Kribbeln spüren. Viele haben Probleme mit der Blutgerinnung, sogar bis hin zu einer tiefen Venenthrombose. Erschöpfung und Müdigkeit sind ebenfalls typische Symptome. Fast alle berichten, dass sie bereits völlig erschöpft sind, wenn sie die Treppe zu unserer Ambulanz im ersten Stock hochgestiegen sind.

Warum kann eine Covid-19-Erkrankung auch psychische Folgen haben?

Prof. Dr. Ursula Voss

Prof. Dr. Ursula Voss leitet die Abteilung für Psychiatrische Neurophysiologie des Vitos Klinikums Hochtaunus.

Prof. Voss: Ängste oder auch Depressionen können eine Folge der körperlichen Beschwerden sein, unter denen die Betroffenen leiden. Manchmal ist das aber auch auf eine tiefe Verunsicherung zurückzuführen. Covid-19 ist eine noch neue Erkrankung: Die Patientinnen und Patienten fragen sich, was mit ihnen und ihrem Körper passiert oder warum es gerade sie so schwer getroffen hat. Manchmal ist ja eine ganze Familie an Covid-19 erkrankt, aber nur ein Familienmitglied hat es so schwer getroffen, dass es ins Krankenhaus muss. Auch die Krankheitsverarbeitung spielt eine Rolle. Eine unserer Patientinnen hat eine Posttraumatische Belastungsstörung entwickelt mit abendlichen akustischen Flashbacks, die ein Einschlafen verhindern oder erschweren: Sie hört das Fiepen der Geräte auf der Intensivstation.

Welche kognitiven Einschränkungen kann eine Covid-19-Erkrankung zur Folge haben?

Prof. Voss: Die Konzentrationsfähigkeit kann eingeschränkt sein. Störungen des Kurzzeitgedächtnisses können auftreten – die Betroffenen können sich nicht mehr erinnern, welche Tätigkeit sie gerade ausüben wollten, zum Beispiel die Spülmaschine ausräumen. Sie können keine Termine einhalten oder wissen nicht mehr, wo sie sich einen Termin notiert haben. Um im Alltag zurecht zu kommen, müssen sich manche Patientinnen und Patienten ständig Notizen machen und hinterlassen überall in der Wohnung Merkzettel. Manche sind deshalb nicht mehr arbeitsfähig.

Wie helfen Sie den Patientinnen und Patienten in Ihrer Sprechstunde?

Prof. Voss: Zunächst findet ein Erstgespräch statt, zu dem wir auch einen Arzt und gegebenenfalls einen Neurologen hinzuziehen. Dann erfolgt die Diagnostik, bei der wir unter anderem neuro-psychologische Tests durchführen. Anhand dieser Tests können wir feststellen, ob und in welchem Schweregrad eine Störung vorliegt. Bei der Diagnostik schauen wir sehr genau hin. Erschöpfung und Konzentrationsstörungen müssen nicht immer ursächlich mit der Covid-19-Erkrankung zusammenhängen – sie können auch in Folge von Schlafstörungen auftreten, an der die Betroffenen manchmal leiden.

Wie sieht die Behandlung aus?

Prof. Voss: Wir bieten zum Beispiel computergestützte Gedächtnis- und Konzentrationstrainings an. Wir rechnen damit, dass die meisten Patientinnen und Patienten, die an einer Konzentrations- oder Gedächtnisstörung leiden, damit nach einiger Zeit eine Verbesserung spüren. Außerdem stellen wir fest, dass es die Patientinnen und Patienten beruhigt, selbst etwas tun zu können, um ihre Situation zu verbessern. Das hat erfahrungsgemäß eine positive Auswirkung auf das psychische Wohlbefinden. Darüber hinaus bieten wir ein Neurofeedback-Training als Konzentrations- und/oder Entspannungstraining an. Auch eine niedrigdosierte Elektrostimulation kann in Frage kommen. Bei den psychischen Folgen einer Covid-19-Erkrankung – also Ängste oder Depressionen – beginnen viele Patientinnen und Patienten mit einer psychotherapeutischen Behandlung.

Wie hoch ist die Nachfrage nach Ihrer Sprechstunde?

Prof. Voss: Bislang sind wir gut in der Lage, alle Patientinnen und Patienten zu versorgen, die sich bei uns melden. Das ist auch kurzfristig möglich. Wer zu uns kommt, gilt ja meist schon seit Wochen oder sogar Monaten als genesen. Es ist wichtig, dass die Patientinnen und Patienten sich melden und dass die langfristigen Folgen ihrer Covid-19-Erkrankung erfasst werden.

Hintergrund: Die Sprechstunde zur Diagnostik bei kognitiven und psychischen Post-Covid-Symptomen findet in den Vitos psychiatrischen Ambulanzen Bad Homburg, Frankfurt und Köppern statt. Das Angebot richtet sich an Patient/-innen aus dem Hochtaunuskreis und aus Frankfurt, die eine Covid-19-Erkrankung überstanden haben und nach mindestens vier Wochen immer noch an Symptomen leidet. Weitere Informationen gibt es hier [1].