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    Ulrike Mai, Unternehmenskommunikation Vitos Rheingau /
  • 11 Kommentare 
  • Kategorie Aktuelles, Vitos Welt
Woran denken wir, wenn wir gedenken?

Woran denken wir, wenn wir gedenken?

8. September 2017

Gedenkstunde 2017 bei Vitos Rheingau

Als ich das letzte Mal einen Blogbeitrag zum Thema Gedenkstunde geschrieben habe, dachte ich, dass das Thema damit für das Vitos Blog – zumindest von meiner Seite – durch wäre. Wie oft kann man eine noch so berührende Veranstaltung denn auch schildern, ohne redundant zu sein?

Und doch …

Der Kloß im Hals

Den hatte ich, als Dr. Lilienthal – ehemaliger Leiter der Gedenkstätte Hadamar, inzwischen im Ruhestand – mit seinen Ausführungen über die Kinderfachabteilungen der Nazis fertig war. Dann waren da die Rückmeldungen zweier Teilnehmer, die das erste Mal dabei waren, wie eindrucksvoll sie die Veranstaltung fanden. Und zu guter Letzt noch die drei Teenager-Patientinnen aus unserer Kinder- und Jugendpsychiatrie, die ihren Beitrag zur Veranstaltung wunderbar gemacht haben, aber auch erkennbar geschockt waren über das, was sie da gerade gehört hatten: Das alles lässt mich jetzt hier sitzen und doch noch mal was zum Thema schreiben.

Wir machen die Gedenkstunde am 1. September seit 2009. Auslöser war die Tatsache, dass der sogenannte Euthanasieerlass Hitlers sich zum 70. Mal jährte. In diesem Schreiben (das kein Erlass war, es gab nie eine gesetzliche Grundlage für den Krankenmord) teilte Hitler seinem persönlichen Arzt mit, dass er zustimme, bestimmten Kranken, für die keine Aussicht auf Heilung bestünde, den „Gnadentod“ zu gewähren. Dieses Schreiben war aber nichts anderes als der Startschuss für die systematische, bürokratisch durchorganisierte Ermordung von Menschen. Von Menschen, die mit den Ideen der Nazis nicht konform gingen, weil sie weder ihren „Rasse“-idealen noch ihrem Nützlichkeitsdenken entsprachen. Konkret waren das Menschen mit Behinderungen, mit chronischen psychischen Erkrankungen, oder durchaus auch sozial (nach den Vorstellungen der Nazis) schlecht angepasste Personen. In der Folge wurden diese Gruppen zwischen 1940 und August 1941 in sechs zentralen Gasmordanstalten (eine davon war Hadamar) kollektiv durch Gas getötet. Von September 1941 bis zum Kriegsende wurden sie im Zuge der dezentralen oder regionalen Euthanasie in den Anstalten, in denen sie untergebracht waren, durch Überdosen von Medikamenten oder durch Vernachlässigung (Verhungern, Erfrieren) ermordet.

Gedenkstunde auf dem Eichberg

Ein guter Grund also, am 1. September über dieses Thema nachzudenken. Wir tun das auf dem Eichberg (also bei Vitos Rheingau) in einer Form, die sich bewährt hat. Nach einer musikalischen Einstimmung folgt eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Thematik. Dabei hatten wir Historiker, die den wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu bestimmten Aspekten beleuchteten. Wir hatten einen Vortrag, in dem die im Hessischen Hauptstaatsarchiv noch vorhandenen Akten und die dazugehörigen Lebensgeschichten im Zentrum standen. Wir hatten eine Ethikerin da, die über die Frage der Namensnennung der Krankenmordopfer referiert hat. Wir hatten einen Arzt, der sich mit der Frage auseinandersetzte, wie aus Heilern Mörder werden konnten. Wir hatten einen Referenten, dessen Bruder als zweijähriges Kind in der Kinderfachabteilung des Eichbergs ermordet wurde und der berichtete, was das für seine Familie bedeutet hat. Und wir hatten dieses Jahr, wie erwähnt, den langjährigen Leiter der Gedenkstätte Hadamar als Referent zum Thema Krankenmord an Minderjährigen.

Nach dieser inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Thema gehen wir mit den Teilnehmern zum Gedenkstein. Dort lesen Patienten oder Patientinnen der Kinder- und Jugendpsychiatrie den Text vor, der in den Gedenkstein eingemeißelt ist. Danach legen alle Anwesenden auf dem Stein Rosen nieder.

Wissensvermittlung und emotionale Berührung

Ich glaube, diese Mischung aus Wissensvermittlung und emotionaler Berührung ist sinnvoll. Wir müssen wissen, was damals Menschen zugefügt wurde – und zwar im Detail, so unerträglich das sein kann. Die Kinderfachabteilungen, in denen Kinder untersucht und je nach Diagnose ermordet wurden, sind ein Teilbereich des Krankenmordes, über den ich wirklich lieber nichts wüsste. Aber ich muss es wissen, es ist ja passiert. Und ich brauche ein Ventil für die Gefühle, die durch dieses Wissen entstehen: Wut, Entsetzen, Fassungslosigkeit …

Womit ich bei meiner Frage wäre: Woran denken wir beim Gedenken?

Vielleicht sollte ich es präzisieren: Was wünsche ich mir, die diese Veranstaltung mit konzipiert hat und von Anfang an mit organisiert hat, an Gedanken bei den Teilnehmern?

Zum einen, ganz ehrlich, dass sie nicht nur denken, sondern tatsächlich berührt werden. Dass sie einen Kloß im Hals haben, wie ich heute. Dass sie die Ungeheuerlichkeit dessen, was die Nazis gemacht haben, für einen Augenblick an sich ran lassen. Und natürlich, dass sie daraus Schlussfolgerungen ziehen.

Eine Schlussfolgerung, die ich mir wünsche (und vor allem für mich selbst): Rückgrat! In der Demokratie, in der wir glücklicherweise heute leben, ist es möglich, den Mund aufzumachen, wenn etwas schief läuft. Unter den Nazis gab es Hebammen, die in der Lage waren, behinderte Kinder zu verschweigen, obwohl es eine Meldepflicht gab. Es gab Menschen, die ihre jüdischen Nachbarn versteckten. Es gab Menschen, die lieber an die Front gingen, als Aufseher im KZ zu werden. Dann sollten wir die heute deutlich geringeren Risiken auf uns nehmen können und bei erkennbaren Missständen oder Missverhalten (Mobbing, Abwerten, rassistischen Sprüchen, Fremdenfeindlichkeit, …) den Mund aufmachen.

Eine weitere Schlussfolgerung wäre, dass wir doppelt und dreifach sensibel mit den Patienten, Klienten, Bewohnern umgehen, deren Wohlergehen unser Job ist. Dass wir uns bewusst machen, dass ein nicht geringer Teil von ihnen von den Nazis ermordet worden wäre. Dass wir uns klar machen, dass die Orte, an denen wir arbeiten, die Orte waren, an denen Menschen mit ihren Krankheitsbildern getötet wurden. Dass wir uns klarmachen, dass auch wir vielleicht Täter geworden wären, wenn wir damals gelebt hätten.

Gedenken als Chance

Gedenken kann zum abgespulten Ritual werden, es kann zu korrekten Worthülsen führen, die pflichtgemäß reproduziert werden. Es bietet aber auch die Chance, es ernst zu nehmen. Dr. Lilienthal hat am Schluss seines Vortrags eindeutig die Aufgabe benannt: nicht fertig zu werden mit dem Krankenmord, nicht fertig werden zu wollen – ihn als bleibende Aufgabe zu verstehen, an der wir uns alle immer wieder abarbeiten müssen. Wir können die Vergangenheit nicht verändern, aber wir haben Anteil an der Gestaltung von Gegenwart und Zukunft. Der Blick zurück auf das, was nie hätte geschehen dürfen, kann uns helfen, Menschlichkeit zu gestalten.

Ich glaube, mein erster Blogbeitrag zu dem Thema endete mit dem Schmerz, den Schönheit auslösen kann: die Schönheit der Rosen auf dem Gedenkstein – das hat sich nicht geändert: Sie tut mir immer noch weh.

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  • / Schlagworte  Blog, Gedenken 1. September, Gedenken bei Vitos, Gedenken Euthanasie, Gedenken Hamdamar, Gedenkstätte Hadamar, Gedenkstunde Eichberg, Hadamar Euthanasie, Hadamar Gedenkstätte, Hadamar Krankenmord, Krankenmord Hadamar, Psychiaztrie Hessen, Psychologie, Vitos, Vitos Blog
Autor/in Ulrike Mai, Unternehmenskommunikation Vitos Rheingau

Unternehmenskommunikation Vitos Rheingau.

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11 Kommentare Kommentieren
  1. Birgit Kupec am 8. September 2017 um 10:20

    Das ist ein wirklich schöner Beitrag.
    Leider konnte ich an dem Gedenktag nicht teilnehmen, da ich in Wiesbaden arbeite. Ich hoffe, dass ich im nächsten Jahr teilnehmen kann.
    Ich wünsche mir auch mehr Mut oder wie Sie es schreiben Rückgrat bei Missständen den Mut aufzumachen und nicht zu schweigen! So etwas darf nicht wieder geschehen.

    Antworten
  2. cyrold am 9. September 2017 um 10:37

    Das ist ein schöner Beitrag. Und Sie haben völlig Recht, wer, wenn nicht Vitos, als öffentlich-rechtliches Unternehmen, kann besser dazu beitragen das kollektive Bewusstsein an die Euthanasie-Morde lebendig zu erhalten?

    Antworten
  3. René Ihlau am 11. September 2017 um 11:35

    Vielen Dank für diesen Beitrag. Auch das ist Gedenken, darüber schreiben und andere teilhaben lassen. Diesen Artikel würde ich gern auch in der Tageszeitung lesen, damit noch mehr auf uns (Vitos) und unsere Art, mit der wir unserer Geschichte begegnen, aufmerksam werden. Denn in der Zeitung zu lesen, Vitos würde sich seiner Vergangenheit auf einfache Weise entledigen, nur weil ein abbruchreifes Haus zum Verkauf steht, wird uns und Ihrer Arbeit nicht gerecht…Dankeschön

    Antworten
  4. Karin Laux am 13. September 2017 um 11:42

    Sehr schöner Beitrag, Danke hierfür. Ich empfehle in diesem Zusammenhang den hochkarätigen Bildungsurlaub beim DGB „Arbeit und Leben“ in Berlin. Spätestens hier wird einem die unfassbare Dimension deutlich, als aus Helfenden Mörder wurden.
    Übrigens: Der Direktor der Landesheilanstalt Eichberg gehörte 1940 zu einer Ärztekommission, die Anstaltspatienten zur Tötung selektierte. Ab 1941 begutachtete der SS-Hauptsturmführer Häftlinge verschiedener Konzentrationslager für die Ermordung im Rahmen der Aktion „14 f 13“.
    Die Nazis liebten solche Kürzel. Die „T4“ war z.B. die verdeckte Aktion derselben in Berlin, im Tiergarten 4, wo zu Beginn Kinder gemeldet und erfasst wurden, was dann folgenschwere Auswirkungen hatte. Dies war ein perfides, ausgeklügeltes, nicht öffentliches System, kurz „T4“.
    Im Frauen-KZ Ravensbrück wählte der ärztliche Direktor 1941/42 mindestens 2 mal als externer Gutachter Gefangene zur Tötung aus.
    Das Landgericht Frankfurt am Main verurteilte ihn 1946 zum Tod. Er dürfte sich bei seiner Arbeit an TB infiziert haben, an der er im Januar 1947 in Haft starb.
    Sein Name: Friedrich Mennecke (1904- 1947)

    Antworten
  5. Thomas Heil am 13. September 2017 um 11:56

    Ein sehr treffender Beitrag der uns das „eigentlich Bekannte“ wieder ein Stück weit präsent und greifbar macht. Es tut von daher gut sich mit der „eigenen“ Historie immer wieder ein Stück weit aufs Neue zu beschäftigen und daraus abgeleitet Erkenntnisse und Schlussfolgerungen des eigenen Handelns und Denkens für den Alltag zu entnehmen. Wenn dabei der ein oder andere Kloß „dazugehört“ dann sollten wir diesen durchaus mal auf uns nehmen.

    Antworten
  6. Markus Walther am 16. September 2017 um 14:22

    Ich denke, die zentrale Frage lautet wirklich, wie aus Heilern Mörder werden konnte… Die Verbrechen geschahen ja nicht von „Heute auf Morgen“, sondern hatten einen jahrelangen Vorlauf, bei dem der kranke Mensch nicht mehr als hilfs- und heilungsbedürftig verstanden wurde, sondern zunehmend als Kostenfaktor für die sogenannte „Volksgemeinschaft“ – von da aus war der Schritt dann für viele gar nicht mehr so groß…

    Antworten
    • Martin Mitterhofer am 19. September 2017 um 9:14

      mit dem Kostenfaktor für die sog. „Volksgemeinschaft“ wird heut auch wieder argumentiert…

      und es funktioniert hervorragend!

      Antworten
  7. Martin Mitterhofer am 19. September 2017 um 9:04

    Ein sehr berührender Beitrag.

    Wir dürfen jedoch nicht den Fehler machen, den Blick auf unsere daraus entstandene Verantwortung für die Gegenwart und Zukunft zu verpassen…

    Nationalismus und Hetze u.a. auf schon damals vom Euthanasieerlaß betroffene Minderheiten dürfen ja mittlerweile unter Applaus öffentlich geäußert werden und finden bedauerlicherweise in Umfragen zweistelligen Zuspruch (auch im Bereich von sozialen Berufen).

    Es gilt aufmerksam zu sein, Rückgrat und Mut zu zeigen, denn die kritische Linie betreffend dem, was man heute „wohl noch sagen darf“ wurde längst überschritten.

    Wäre sehr schön, wenn ich zukünftig bei Veranstaltungen für eine bunte, tolerante, offene und nazifreie Gesellschaft mehr KollegInnen antreffen würde, als bisher.

    Antworten
  8. Ulrike Mai, Unternehmenskommunikation Vitos Rheingau am 19. September 2017 um 13:27

    Allen Kommentarschreiberinnen und –schreibern ein herzliches Dankeschön für ihre Beiträge. Bei diesem Thema tut Zustimmung besonders gut.

    Herzlich, Ulrike Mai

    Antworten
  9. Günter Schott am 26. Mai 2018 um 23:45

    Mich stört, dass es immer heißt, es waren die Nazis. Nein, es waren Deutsche fast aller Berufsgruppen, die mitgemacht haben, bei den „Euthanasie“-Morden: Ärzte, Pfleger, Verwaltungsleute usw. Die Nazis, das soll heißen, das waren die Anderen!

    Antworten
  10. Ulrike Mai am 18. Juli 2018 um 11:20

    Sehr geehrter Herr Schott,
    Sie haben Recht – es waren nicht nur „die Nazis“. Dass ich durchgehend diesen Begriff gewählt habe, zeigt mir, wie groß mein eigenes Distanzbedürfnis ist. Von daher vielen Dank für Ihren Hinweis.
    Einschränkend vielleicht die Anmerkung, dass nicht alle damals tätigen Ärzte und Ärztinnen, Krankenpfleger und –schwestern sich zur Verfügung gestellt haben, um aktiv zu morden. Es gab dafür schon „Überzeugungstäter“, deren Namen auch an verschiedenen Orten wieder auftauchen, z.B. zunächst in Hadamar, später in Vernichtungslagern in Osteuropa, nachdem der zentrale (nicht der dezentrale) Krankenmord im damaligen Deutschen Reich beendet worden war.
    Zugelassen und weggeschaut zu haben, diesen Vorwurf kann man getrost fast allen damals in den entsprechenden Einrichtungen Tätigen machen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Ulrike Mai

    Antworten

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