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  • Kategorie Aktuelles, Allgemein, Experten erklären
Schuldunfähigkeit – eine gewisse Skepsis ist stets angebracht

Schuldunfähigkeit – eine gewisse Skepsis ist stets angebracht

23. November 2016

In meinem Beruf geht es unter anderem um die Begutachtung von Straftätern. Dabei spielen die Begriffe Schuldfähigkeit beziehungsweise Schuldunfähigkeit eine zentrale Rolle. Wie Schuldunfähigkeit definiert ist und diagnostiziert wird, möchte ich hier nun etwas genauer erläutern.

Die Definition der Schuldunfähigkeit

Schuldunfähigkeit wird nach den Paragrafen 20 und 21 des Strafgesetzbuches definiert. Vier Eingangsmerkmale sind dort formuliert: die krankhafte seelische Störung, die tiefgreifende Bewusstseinsstörung, der Schwachsinn sowie die schwere andere seelische Abartigkeit. Es ist die Aufgabe des Gutachters, zu prüfen, ob eine dieser Voraussetzungen zur Tatzeit vorlag. Ist dem nicht so, erübrigt sich die Frage nach der Schuldunfähigkeit bereits.

Trifft mindestens eine dieser Voraussetzungen zu, wird geprüft, ob der Proband aufgrund dessen nicht einsichtsfähig war. Das bedeutet, dass die Einsichtsfähigkeit des Probanden zur Tatzeit aufgrund der Krankheit oder Störung außer Kraft gesetzt war. Bestand die grundsätzliche Fähigkeit zur Einsicht, erfolgt eine Prüfung dahingehend, ob seine Krankheit erhebliche Auswirkungen auf die Fähigkeit der Verhaltenssteuerung hat. Nur, wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kann der Proband als schuldunfähig oder vermindert schuldfähig angesehen werden. Entscheidend ist weiterhin, dass die psychische Erkrankung nicht nur in der Tat zutage trat, sondern auch tatunabhängig bestand.

Die Diagnose – eine Kombination aus Vorgeschichte und Verhaltensbeobachtungen

Die Diagnose stützt sich zum einen auf die Vorgeschichte und zum anderen auf die Verhaltensbeobachtung des Probanden. In den meisten Fällen findet dafür eine ambulante Untersuchung in der psychiatrischen Praxis statt. Ich als Psychiater beobachte die Verhaltensweisen des Probanden genau. Los geht das schon bei der Begrüßung: Ist der Proband pünktlich? Weiß er, wo er gerade ist? Wie gestaltet sich die zwischenmenschliche Interaktion? Wie bewegt er sich? Was drücken Mimik und Gestik aus? Diese Beobachtungen kombiniere ich mit den Erkenntnissen aus Akteninformationen und gegebenenfalls Vorberichten aus anderen Kliniken. Meist lässt sich daraus bereits eine psychiatrische Diagnose ableiten. Liegen darüber hinaus körperliche Erkrankungen vor, werden zusätzliche Untersuchungen vorgenommen. Dabei kann es sich zum Beispiel um eine Untersuchung des Kopfes im MRT oder eine Laboruntersuchung handeln.

Die eigentliche Tat wird selten thematisiert

Interessant ist, dass in diesen Gesprächen oft überhaupt nicht über die eigentliche Tat gesprochen wird. Bei genauerer Betrachtung ist dies nur logisch, schließlich ist es meine Aufgabe als Psychiater, eine tatunabhängige Erkrankungzu diagnostizieren. Die bereits genannten Eingangskriterien müssen tatunabhängig vorliegen und weite Bereiche des Lebens betreffen. Anschließend prüfe ich, ob eine Verbindung zwischen Krankheit und Tat besteht. Hinzukommt, dass sich die Probanden selbst häufig nicht zur Tat äußern möchten, da dies bei der Beweiserhebung, während der Gerichtsverhandlung, zu Problemen führen könnte.

Eine gewisse Skepsis ist immer angebracht

Natürlich unterstelle ich keinem Probanden, dass er mich von Anfang an belügt. Dennoch ist eine gewisse Skepsis angebracht. Wer sich in einem Strafverfahren befindet, nimmt es mit der Wahrheit schon mal nicht so genau, um einen für ihn möglichst positiven Ausgang zu forcieren. Da ein wesentlicher Teil der Diagnose auf meinen Beobachtungen basiert, ist es glücklicherweise nicht von so großer Bedeutung, ob jemand mir gegenüber die Unwahrheit behauptet oder nicht. Aufgrund meiner jahreslangen Erfahrung, welche ich mit psychisch kranken Menschen gesammelt habe, weiß ich, wie sich bestimmte psychische Erkrankungen äußern. Ein Proband muss also schon über ein großes schauspielerisches Talent verfügen, um mir so etwas vorzuspielen.

Bildquelle: © geralt_pixabay_CC0

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  • / Schlagworte  Blog, Gutachten Straftat, Gutachten Straftäter, Hessen, Psychiatrie, Schuldfähigkeit, Schuldunfähigkeit, Straftat, Vitos, Vitos Blog
Autor/in Dr. med. Rolf Guenther

Dr. med. Rolf Günther ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie am Vitos Klinikum Kurhessen. Er ist stellvertretender Klinikdirektor der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Kassel und Hofgeismar.

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5 Kommentare Kommentieren
  1. Konrad Linnenschmidt am 29. November 2016 um 15:52

    Sehr geehrter Herr Dr. Guenther,
    vielen Dank für Ihren aufschlussreichen Blog zum Thema Schuld-un-Fähigkeit. Als langjähriger Erwachsenenbildner, Supervisor, und Bildungsreferent der Vitos Akademie stolpere ich immer wieder darüber, wenn heute noch mit den Begriffen „Schwachsinn“ und „Abartigkeit“ der aus der Nazizeit stammenden §20f StGB operiert wird. Würde es Vitos mit seiner besonderen Vergangenheit nicht gut anstehen, wenn Psychiater, Juristen, Erwachsenenbildner und weitere beteiligte Berufsgruppen eine Neufassung dieser Begrifflichkeiten fordern? Mit Blick auf ICD-10f, ICF und den Beitritt der BRD zur UN-Behindertenrechtskonvention u.v.m. sollte das state-of-the-art sein. Denkbar wäre z.B. eine Petition an den Bundestag!

    Antworten
  2. Dr. Jürgen Wettig am 9. Dezember 2016 um 11:38

    Sehr geehrter Herr Guenther,
    ihren Beitrag zur Schuldunfähigkeit finde ich ergänzungswürdig.
    Es fehlen Beispiele zu den Eingangskriterien der §§ 20 und 21 StGB. Sicher ist z.B. die tiefgreifende Bewusstseinsstörung keine überdauernde „Krankheit“, sondern ein Zustand zum Tatzeitpunkt, wie etwa beim epileptischen Dämmerzustand oder beim Affektsturm.
    Sie erläutern leider nicht die Relevanz der Kognition in Bezug auf die Einsichtsfähigkeit und auch nicht die Beeinträchtigung frontal hemmender Bahnen, z.B. durch psychotrope Substanzen, bei der Steuerungsunfähigkeit. Nicht die jeweilige Krankheit sondern die Psychopathologie und Symptomatik zur Tatzeit ist entscheidend. Eine Diagnosestellung nur aufgrund von klinischer Beobachtung, wie sie schreiben, ist obsolet. Zusätzlich muss eine Biografische Anamnese erfolgen und eine Einordnung nach den Kriterien gängiger Klassifikationssysteme wie ICD 10 oder DSM V.
    Dass Sie die „eigentliche Tat nicht thematisieren“ erschließt sich mir gar nicht. Ist doch genau das prädeliktische, deliktische und postdeliktische Verhalten des Täters und das Ausmaß der hier vorliegenden Psychopathologie im Zentrum der Begutachtung. Es stimmt, dass Beschuldigte sich nicht oder unvollständig zur Tat äußern wollen, jedoch ist auch dies ein wichtiges Verhaltensmerkmal als Teil der Persönlichkeitsanalyse. Viele geben z.B. eine wenig plausible Amnesie an oder weisen die Schuld den Geschädigten zu (Externalisierung). Andere schildern minutiös den Tathergang, was Rückschlüsse auf die Steuerungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt zulässt.
    Zum guten Schluß verweisen Sie wieder auf Ihre klinische Beobachtung, auch zur Entlarvung von „Schauspielern“ (Simulanten, Lügner etc.). Sie vergessen dabei die Fülle an Testskalen, Checklisten und Prognoseinstrumenten, die uns heute als Gutachter zur Verfügung stehen. Sie erlauben uns die weitere Eingrenzung impulsiven, substanzbezogenen und dissozialen Verhaltens des Beschuldigten – selbst wenn wir über eine „exzellente Beobachtungsgabe“ verfügen, die per se niemals objektiv genug sein kann, um in einer Hauptverhandlung vor Gericht Bestand zu haben.

    Antworten
  3. Rudi Sterzer am 13. September 2022 um 15:01

    Ich finde es gut, dass das deutsche Strafrecht die Schuldunfähigkeit kennt. Es ist wichtig, dass die psychische Verfassung des Täters mit berücksichtigt wird. Dass im Gesetzestext aber von „Schwachsinn sowie die schwere andere seelische Abartigkeit“ gesprochen wird, kann ich kaum glauben. Das gehört eindeutig umformuliert.

    Antworten
    • Rothenburg, Ernestine am 20. September 2022 um 10:22

      Sehr geehrter Herr Sterzer,
      der Gesetzestext wurde überarbeitet. Es heißt nicht mehr schwere andere seelische Abartigkeit, sondern Störung. Ebenso wurde der Begriff Schwachsinn durch Intelligenzminderung ersetzt.

      Antworten
  4. Rudi Sterzer am 27. Januar 2023 um 2:08

    Es ist verständlich, dass Sie in diesen Fällen eine gewisse Skepsis haben. Mein Onkel ist Rechtsanwalt für Strafrecht und hat mir erzählt, dass einige Angeklagte es damit versuchen möchte. Er rät ihnen natürlich meistens davon ab.

    Antworten

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