Warum Optimierung nicht das Maß der Dinge sein sollte
Erfolg scheint die Maxime des Handelns in der heutigen Zeit zu sein. Damit einher geht der ständige Drang, sich zu optimieren und mehr zu leisten. Doch wie definieren wir Erfolg? Gilt es, den Vorstellungen anderer gerecht zu werden oder den eigenen Bedürfnissen nachzugehen? Und welche Bedürfnisse habe ich eigentlich?
Täglich werden wir privat und beruflich vor zahlreiche komplexe Entscheidungen gestellt, die unser Fühlen, Denken und Handeln beanspruchen. Diese Komplexität kann viele Menschen überfordern. Sogar so sehr, dass sie in eine psychische Erschöpfungsspirale geraten.
Ein effektives Werkzeug, um dieser Erschöpfung vorzubeugen ist gutes Selbstmanagement. Dabei bedeutet Selbstmanagement nicht etwa nur seine Leistungsfähigkeit zu optimieren, sondern die eigenen Bedürfnisse wirklich kennen zu lernen, auf sich zu achten, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten auf zu bauen und Veränderung aktiv zu gestalten.
Wie ist es um mein Selbstmanagement bestellt?
Um seine persönliche Selbstmanagementkompetenz besser einschätzen zu können, habe ich den Selbstmanagement-Selbsttest (SMST) entwickelt. Mit nur fünf kurzen Fragen lassen sich die elementaren Bereiche des Lebens einschätzen. Diese spiegeln die fünf Dimensionen des Selbstmanagements wider. Dazu gehören Realitätsbezug, zwischenmenschliche Beziehungen, Zukunftsorientierung, Entscheidungsfähigkeit und Handlungsfähigkeit.
- Realitätsbezug oder Erkenntnis: Jeder von uns nimmt die Welt etwas anders wahr und lebt, zumindest teilweise, in seiner eigenen Realität. Zugleich teilen wir überwiegend mit anderen Menschen eine gemeinsame Wirklichkeit. Die Erkenntnis über unsere innere Realität und der Kontakt zur äußeren Wirklichkeit ist eine wichtige Kompetenz des Selbstmanagements. Daher befasst sich die erste Frage des Selbsttests mit der Fähigkeit, auf die eigene Befindlichkeit zu achten und die äußere Wirklichkeit wahrzunehmen.
- Zwischenmenschliche Beziehungen: Fast alle Menschen leben in komplexen Beziehungsgeflechten: von der Familie über Bekannte und Kollegen bis hin zu mehr oder weniger engen persönlichen Beziehungen bis hin zu festen Partnerschaften. Diese sozialen Kontakte aufzubauen und zu pflegen, ist eine extrem wichtige Fähigkeit.
- Zukunftsorientierung oder Planung: Das bedeutet, eine zeitliche Perspektive zu entwickeln und einen Blick in die Zukunft zu werfen. Wohin möchte ich mich beruflich und privat entwickeln? Welche Ziele habe ich und was möchte ich erreichen? Dabei geht es immer auch um Wertmaßstäbe und die Kompetenz, Prioritäten zu setzen.
- Entscheidungsfähigkeit: Es gibt viele Möglichkeiten, die eigene Zukunft zu gestalten. Zu entscheiden, welche der vielen uns zur Verfügung stehenden Optionen realistisch sind und zu den eigenen Werten und Vorstellungen passen, ist eine weitere wichtige Selbstmanagementkompetenz.
- Handlungsfähigkeit: Nach einer getroffenen Entscheidung gilt es, die ins Auge gefassten Vorhaben in die Tat umzusetzen. Nur so lassen sich Veränderungen tatsächlich herbeiführen. Oft erfordern konkrete Veränderungen Entschlossenheit und Mut. Es geht letztendlich darum, das Machbare umzusetzen und effektiv zu handeln.
Jede der fünf Fragen des Selbstmanagement-Selbsttests (SMST) hat vier Antwortmöglichkeiten, die mit null bis vier Punkten bewertet werden. So erhält man nach Beantwortung aller Fragen durch Zusammenzählen der Punkte eine Gesamtpunktzahl. Diese fällt in eine von fünf Antwortkategorien. Je höher die Punktzahl, desto höher die eigene Selbstmanagementkompetenz.
Anwendung und Validierung des Selbsttests
Psychiater und Psychotherapeuten wenden den SMST insbesondere im Zuge der Behandlung von Personen an, die unter Erschöpfungszuständen oder Depressionen leiden. SMST wird auch in der Depressionsforschung eingesetzt. Bei der Behandlung von Patienten dient der Test der Selbstauskunft. Daher war es mir bei der Entwicklung wichtig, dass er schnell und effektiv durchgeführt werden kann. Die Selbstauskunft spielt bei der Diagnose und Behandlung von Patienten mit einer Depression oder psychischen Überlastung eine große Rolle. Führt der Betroffene den Test wiederholt durch, kann der Therapeut Rückschlüsse auf den Behandlungsverlauf und somit auf den Therapieerfolg ziehen. Aber auch die Behandlungsverläufe von verschiedenen Patienten können verglichen werden.
Um die Aussagekraft des Tests zu überprüfen, haben mein Team und ich eine wissenschaftliche Studie durchgeführt. An der Studie nahmen 84 Patienten mit Depressionen teil. Außerdem 676 Personen der allgemeinen Bevölkerung, bei denen keine Depression diagnostiziert wurde. Beide Gruppen führten den Test je zu Beginn und Ende eines Zeitraumes von vier bis sechs Wochen durch. Bei Personen, die nicht an einer Depression erkrankt waren, blieben die Testergebnisse weitestgehend gleich. Die Ergebnisse der depressiven Patienten hingegen verbesserten sich im Verlauf der Therapie. Der Test ist folglich geeignet, eine Veränderung der Selbstmanagement-Kompetenz von Menschen mit einer Depression im Verlauf der Behandlung anzuzeigen. Er kann aber auch von Menschen durchgeführt werden, die nicht an einer Depression leiden, sich aber für die eigene Selbstmanagementkompetenz interessieren. Wer sich für die detaillierten Ergebnisse der Studie interessiert, findet hier die Publikation.
Hauptsächlich wird der SMST im fachlichen Kontext angewendet. Nutzen kann ihn aber grundsätzlich jeder, der seine eigene Selbstmanagementkompetenz überprüfen möchte. Daher steht er kostenfrei im App Store als Download für iOs-Geräte oder als PDF „Selbstmanagement-Selbsttest“ zur Verfügung.
Selbstmanagement als Lebensphilosophie
Seine wahren Bedürfnisse zu kennen und entsprechend zu handeln, ist essenziell für die eigene Zufriedenheit und das Wohlbefinden. Daher war es mir bei der Entwicklung des Tests ein Anliegen, diesen möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen. Ich möchte ihnen dabei helfen, ihre Selbstmanagement-Kompetenzen zu überprüfen und einer Überbelastung aktiv vorzubeugen.
Entscheidend sind die bewusste Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbstmanagement und die Verbesserung der Selbstmanagementkompetenz im alltäglichen Leben. Nur so kann Selbstmanagement zu mehr Gelassenheit und Zufriedenheit führen. Einige konkrete Tipps für die direkte Umsetzung finden Sie in meinem Blogbeitrag „Vom guten Umgang mit sich selbst“. Wer sich tiefergehend mit dem Konzept des Selbstmanagements und der Entwicklung der eigenen Kompetenz beschäftigen möchte, findet ein Selbstmanagementprogramm und konkrete Handlungsanweisungen in meinem Buch „Erfolg ist, wenn es mir gut geht“.
Für mich ist Selbstmanagement eine praktische Lebensphilosophie geworden, die sich positiv auf alle Bereiche des Lebens auswirken kann. Daher möchte ich jeden ermutigen, sich mit der Frage zu beschäftigen, was er oder sie wirklich braucht und wirklich will. Erfolg ist, wenn es Ihnen gut geht!
Bildquelle: Sara Kurfeß via Unsplash; Tim Gouw via Unsplash; Brandi Redd via Unsplash
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