26 zusätzliche freie Tage für Pflege-Mitarbeitende pro Jahr

26 zusätzliche freie Tage für Pflege-Mitarbeitende pro Jahr

Vitos bietet alternative Arbeitszeitmodelle

Um sich als Unternehmen zukunftssicher aufzustellen und für Fachkräfte attraktiv zu sein, spielt die Gestaltung flexibler Arbeitszeitmodelle eine entscheidende Rolle. Vor allem in der Pflege, in der im Drei-Schicht-System gearbeitet wird, kann die Vereinbarkeit von Beruf und Familie herausfordernd sein.

Mit Beginn des Jahres startete bei Vitos Kurhessen das Projekt 4,5-Tage-Woche. In der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Haina gibt es bereits seit vielen Jahren ein flexibles Arbeitszeitmodell für die Pflege.

In diesem Interview kommen Mario Reitze, Pflegedirektor des Vitos Klinikum Kurhessen, und Gudrun Gaertner, Pflegedirektorin von Vitos Haina zu Wort und berichten von ihren Vorhaben und Erfahrungen. Den Anfang jedoch macht Jochen Schütz, Konzerngeschäftsführer Personal und Finanzen.

Herr Schütz: Welche Rolle spielt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei Vitos?

Jochen Schütz: Wer bei Vitos arbeitet, soll berufliche und familiäre Aufgaben miteinander vereinbaren können. Darauf legen wir großen Wert. „Wir ermöglichen familienfreundliche Strukturen und gesundheitsfördernde Maßnahmen“ – so steht es im Vitos Leitbild. Insofern freue ich mich, dass wir auch neue Arbeitszeitmodelle testen, die es Pflegenden ermöglichen, bei gleichem Lohn und Wochenarbeitszeit mehr freie Tage für die Familie zu erhalten.

Wir wollen dabei als Unternehmen kein Familienmodell vorgeben. Familie bedeutet für jeden etwas Anderes. Mit „Familie“ ist bei Vitos deshalb nicht nur die Konstellation Vater-Mutter-Kind gemeint. Sondern jede Form von Lebensgemeinschaft, in der Menschen Verantwortung füreinander übernehmen. Das können die Kinder sein, aber auch der Partner oder pflegebedürftige Angehörige.

Vitos meint das ernst. Deshalb haben wir uns bereits 2012 verpflichtet, unsere Aktivitäten zur Vereinbarkeit jährlich vom „audit berufundfamilie“ prüfen und zertifizieren zu lassen. Im Herbst 2021 haben wir das Zertifikat bereits zum fünften Mal erhalten.

Herr Reitze, Sie sind Pflegedirektor des Vitos Klinikum Kurhessen. Wie sieht das bisherige Arbeitszeitmodell in der Pflege bei Vitos Kurhessen aus?

Mario Reitze: Bei Vitos Kurhessen gibt es regulär die 5-Tage-Woche mit 38,5 Stunden bei Vollzeitmitarbeitenden. Möglich ist auch die Arbeit in Teilzeit mit 75, 50 oder 25 Prozent, außerdem gibt es auch zeitlich befristete Reduzierungen.

Wie entstand die Idee zur 4,5-Tage-Woche und was ist das Ziel?

Mario Reitze: In der jüngeren Vergangenheit hat es in der Öffentlichkeit zunehmend Diskussionen über die 4-Tage-Woche in den unterschiedlichsten Branchen gegeben. Gerade in der Pflege ist die Arbeitsbelastung hoch. Was nicht zu ändern ist: Die Patientinnen und Patienten werden an 24 Stunden pro Tag, an sieben Tagen die Woche und an 365 Tagen pro Jahr mit einer bestimmten Zahl an Mitarbeitenden versorgt. Dennoch wollten wir eine Entlastung schaffen. Das soll nun mit der 4,5-Tage-Woche erreicht werden.

Wie genau wird die 4,5-Tage-Woche umgesetzt?

Mario Reitze: Gearbeitet wird – auf den Monat gesehen – in zwei Wochen an vier Tagen und in zwei Wochen an fünf Tagen. Heruntergebrochen bedeute das: Jeder Dienst umfasst eine Arbeitszeit von 8,33 Stunden, plus eine halbe Stunde Pause. Die gesamte Anwesenheit an einem Arbeitstag beträgt also neun Stunden und drei Minuten. Für Teilzeit-Mitarbeitende haben wir die Arbeitszeit entsprechend angepasst.

Wie profitieren die Mitarbeitenden?

Mario Reitze: Durch die Umstrukturierung haben die Mitarbeitenden aufs Jahr gesehen 26 zusätzliche freie Tage, finanzielle Abstriche gibt es nicht. Allerdings ändert sich der Urlaubsanspruch: Dadurch, dass nicht mehr an fünf Tagen pro Woche gearbeitet werde, fallen drei Urlaubstage weg, bereinigt bleiben also 23 zusätzliche freie Tage. Im neuen Modell kann jeder Einzelne, in Absprache, nach Wunsch-Dienstplan arbeiten, freie Tage flexibel nutzen oder auch fest einplanen, sowie ein bestehendes Arbeitszeitkonto nutzen. Das erhöht enorm den Spielraum für die Gestaltung der Work-Life-Balance und verbessert die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Frau Gaertner, seit wann setzt Vitos Haina auf flexible Arbeitszeitmodellen in der Pflege und wie sind diese organisiert?

Gudrun Gaertner: In der Vitos Klinik für forensische Psychiatrie Haina gibt es schon seit der Gründung 1977 die 4-Tage-Woche. Sie teilt sich auf in 10-Stunden-Schichten mit einer Pause von 60 Minuten, die aber auch auf zwei Mal 30 Minuten aufgeteilt werden kann.

Wie organisieren Sie die Dienstpläne?

Gudrun Gaertner: Die Dienstpläne werden dezentral auf den Stationen erstellt. Sie können sich von Monat zu Monat und von Woche zu Woche unterscheiden. Die Mitarbeitenden geben bei der Dienstplanung ihre Wunschdienste bzw. ihre Freiwünsche an. Manche arbeiten die vier Tage am Stück, andere teilen sich diese in der Woche mit freien Tagen dazwischen auf. Somit haben die Mitarbeitenden stets eine hohe Flexibilität.

Wo sehen Sie Vorteile?

Gudrun Gaertner: Ein Vorteil ist, neben der hohen Flexibilität, dass die Teams ständig durchmischt sind, beziehungsweise sich zu jeder Schicht neu zusammensetzen und man so mit allen seinen Kollegen und Kolleginnen mal zusammenarbeitet. Sprich: Keine strikte Bindung an bestimmte Schichten.

Ein weiterer Vorteil zeigt sich für viele Mitarbeitende in Teilzeit. Meist sind das ja nach wie vor Mütter mit kleinen Kindern: Bei einer 50-Prozent-Stelle arbeiten sie nur zwei Tage in der Woche. Die Kinderbetreuung können sie erfahrungsgemäß gut darauf abstimmen.

Die Schichten sind zwar lang, aber man hat dementsprechend auch mehr komplett freie Tage, an denen man sich erholen kann.

Autor/-in
Vitos Blog